Für die Ersatzkassen in Baden-Württemberg hat der Schiedsbeauftragte Dr. Klaus Engelmann am 15. April 2010 einen Hausarztvertrag vorgelegt. Zuvor hatten sich Hausarztverband und MEDI nicht mit den Ersatzkassen auf dem Verhandlungsweg einigen können. Die Struktur des vom Schiedsbeauftragten formulierten Vertrags orientiert sich an den in Baden-Württemberg bereits bestehenden Hausarztverträgen. Allerdings hat die Schiedsperson eine geringere Morbidität der Versicherten berücksichtigt. Die Ersatzkassen hatten sich im Verfahren insbesondere für eine Öffnungsklausel zugunsten von Verträgen zur Förderung der Versorgung von Kindern und Jugendlichen eingesetzt. Die vorgetragenen berechtigten Argumente wurden von der Schiedsperson leider nicht berücksichtigt.
Der § 73 b SGB V regelt, dass die Krankenkassen ihren Versicherten eine besondere hausärztliche Versorgung anzubieten haben. Ein Mindestalter für den Eintritt in solche Verträge wurde vom Gesetzgeber nicht festgelegt. Im Nachgang zu den Schiedssprüchen in Bayern und Baden-Württemberg erreichen den Verband der Ersatzkassen nun jedoch Hinweise, dass dieser Verzicht auf eine Altersregelung in der Praxis sowohl zu finanziellen Fehlanreizen als auch zu unerwünschten versorgungspolitischen Effekten führt. Konkret, so Walter Scheller, Leiter der vdek-Landesvertretung Baden-Württemberg, liegt Handlungsbedarf in folgenden Bereichen vor: „Die in den Hausarztverträgen vorgesehene kontaktunabhängige Pauschale bietet Hausärzten den Anreiz, nicht nur Erwachsene einzuschreiben, sondern verstärkt auch Kinder und Jugendliche vertraglich an sich zu binden. Mittlerweile gibt es konkrete Beispiele dafür, dass Kinder und Jugendliche auf diese Weise der fachärztlich spezialisierten Versorgung durch Kinder- und Jugendärzte entzogen werden.“ Deutlich wird dies unter anderem an einem Versorgungsvertrag der Barmer GEK, so Walter Scheller weiter: „Der HZV-Vertrag wurde gezielt mit Kinder- und Jugendärzten geschlossen, um eine fachlich optimale Behandlung zu ermöglichen. Schreibt ein Hausarzt die jungen Versicherten jedoch vorher in einem allgemeinen Hausarztvertrag ein, können sie nicht mehr an diesem speziell für sie entwickelten Angebot teilnehmen. Dieser Umstand bedeutet für die Betroffenen Kinder und Jugendlichen zwar nicht den Ausschluss von fachärztlichen kinder- und jugendmedizinischen Leistungen. Es ist jedoch ein Hinweis darauf, dass die Regelversorgung zusehends von Kinder- zu Hausärzten umgesteuert wird und für die Versicherten bis dato unbekannte Hürden beim Zugang zu Kinder- und Jugendärzten entstehen.“
„Ein weiterer Bereich, in dem die fehlende Altersgrenze unerwünschte Effekte verursacht, ist die Finanzierungsstruktur. Aus gutem Grund hat der Gesetzgeber den Besuch des Kinder- und Jugendarztes von der Überweisungsregelung in der hausarztzentrierten Versorgung ausgenommen, wenngleich die oben genannte Problematik weiterhin besteht. Eltern können mit ihren Kindern den Kinderarzt aufsuchen, ohne zuvor eine Überweisung des Hausarztes einzuholen. Viele machen von dieser Möglichkeit Gebrauch, da die Kinder- und Jugendärzte eine im Vergleich umfangreichere fachliche Qualifikation besitzen. Dies führt jedoch unweigerlich zu einer Doppelfinanzierung“, erläutert Walter Scheller. „Der Hausarzt erhält die kontaktunabhängige Pauschale für die eingeschriebenen Kinder und Jugendlichen, während gleichzeitig deren Behandlung weiter über die Kinder- und Jugendärzte erfolgt. So werden dem Gesundheitssystem Finanzmittel entzogen, ohne dass hiermit ein Versorgungsgewinn einher geht.“
Aus Sicht des Verbands der Ersatzkassen in Baden-Württemberg beeinträchtigt die jetzige Situation die reibungslose Versorgung von Kindern und Jugendlichen und führt zudem zu einer finanziellen Doppelbelastung der gesetzlichen Krankenversicherung. Aus diesem Grund besteht die Notwendigkeit, die Frage der Altersgrenze in Hausarztverträgen noch einmal gesetzgeberisch zu überarbeiten. Dabei wäre zu überlegen, entweder eine gesetzliche Altersgrenze von 14 Jahren einzuführen, ab der frühestens Kinder in die HZV eingeschrieben werden dürfen, oder die hausärztliche Versorgung von Kindern und Jugendlichen zuerst in die Hand der Kinder- und Jugendärzte zu geben, da diese im Bereich der Pädiatrie die umfassendste Qualifikation besitzen.
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Verband der Ersatzkassen e.V. (vdek)
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