Eigenanteile in der stationären Pflege

Zuschläge bringen Entlastungen, aber nicht für alle

Zuzahlungen

Fast 400.000 Menschen in Bayern sind pflegebedürftig. Rund 30 Prozent von ihnen werden in stationären Einrichtungen gepflegt. Die vollstationäre Pflege ist die kostenintensivste Pflegeart. Die Kosten tragen die Solidargemeinschaft der Pflegeversicherten und die Pflegebedürftigen mit ihren Angehörigen gemeinsam. Da die soziale Pflegeversicherung als Teilkaskoversicherung konzipiert ist, übernehmen die Pflegekassen einen festen Bestandteil der Kosten, dessen Höhe vom Pflegegrad abhängt. Der Kassenanteil steigt von rund 30 Prozent beim Pflegegrad 2 bis auf knapp über die Hälfte beim Pflegegrad 5. Entsprechend variieren auch die Zuzahlungen der Pflegebedürftigen.

Immerwährende Feinjustierung der Pflegeversicherung nötig

Die 1995 eingeführte Soziale Pflegeversicherung hatte es zum Ziel, pflegebedürftige Menschen und ihre Familien sowie die Selbsthilfe, die die Pflegekosten von finanziell schwächeren Menschen übernahm, zu entlasten. Die pflegebedingte Armut sollte vermieden werden. Dieses Ziel zu erreichen, wird immer schwieriger. Ursächlich dafür sind die Demographie und die steigenden Pflegekosten. Es bedarf einer dauernden Feinjustierung der Finanzierung der Pflege, um die Lasten unter Beteiligten - Staat, Pflegeversicherung und den Pflegebedürftigen - gerecht auszutarieren. Die zur Verfügung stehenden Instrumente dafür sind begrenzt: steigende Versicherungsbeiträge, höhere Eigenanteile, private Vorsorge und Steuerzuschüsse.

Hohe Eigenanteile in Bayern

Die Eigenanteile der Pflegeheimbewohner bestehen aus drei Blöcken: (1) der Eigenanteil für pflegerische Aufwendungen, (2) die Kosten für Unterkunft und Verpflegung und (3) die Investitionskosten. Am 1. Januar 2023 beliefen sich die durchschnittlichen Zuzahlungen der bayerischen Pflegeheimbewohner – ohne Abzug der Zuschläge - auf insgesamt 2.394 Euro im Monat. 52 Prozent davon machen die reinen Pflegekosten aus, gefolgt von den Unterkunfts- und Verpflegungskosten mit 30,5 Prozent. Und 17 Prozent der Zuzahlungen entfallen auf die Investitionskosten.

Die Eigenbeteiligung in den bayerischen Pflegeheimen liegt unter dem bundesdeutschen Durchschnitt. Bayern nimmt den siebten Platz unter den 16 Bundesländern ein. Ganz anders sieht es aber beim bundesweiten Kostenvergleich für reine Pflege aus. Hier ist Bayern mit 1.246 Euro im Monat das viertteuerste Bundesland nach Baden-Württemberg, Berlin und Sachsen-Anhalt. Eine der möglichen Erklärungen dafür ist das hohe Lohnniveau im Freistaat. Mehr Pflegepersonal und dessen bessere Bezahlung schlagen bei den Kosten der reinen Pflege kräftig durch.

Entlastung ja, aber keine Entwarnung

Ein Lichtblick für die Pflegebedürftigen in den stationären Einrichtungen war das Gesundheitsversorgungsweiterentwicklungsgesetz, das ab 1. Januar 2022 die Zuschläge zu den Kosten der reinen Pflege vorsah. Die Entlastung erfolgte in Form der gestaffelten Zuschläge abhängig von der Aufenthaltsdauer im Pflegeheim: 5 Prozent im ersten Jahr, 25 Prozent im zweiten Jahr, 45 Prozent im dritten Jahr und 70 Prozent ab dem vierten Jahr. Auf bayerische Verhältnisse übertragen bedeutet das entsprechend eine durchschnittliche monatliche Entlastung von 62 Euro, 312 Euro, 561 Euro bzw. 872 Euro (Stand: 1.1.2023). Insbesondere spürbar wird die Entlastung der Pflegeheimbewohner im dritten und ab dem vierten Jahr.

Wirkung der Zuschläge teilweise verpufft

Dank den Zuschlägen sank das Niveau der Eigenbeteiligungen. Dennoch steigen sie trotzdem weiter! Unabhängig von der Aufenthaltsdauer müssen alle Zuschlagsempfänger in den bayerischen Pflegeheimen ab 1.1.2023 mehr aus eigener Tasche zahlen als ab 1.1.2022. Besonders hart betroffen sind die Pflegeheimbewohner im ersten Jahr. Sie müssen jetzt mit den Zuschlägen mehr zuzahlen vor einem Jahr ohne Zuschläge! Diese Gruppe macht rund 30 Prozent der Pflegeheimbewohner aus. Für sie ist die Wirkung der Zuschläge nacheinem Jahr seit ihrer Einführung verpufft.

Länder in die Pflicht nehmen

Nicht nur der Bund, sondern auch die Länder sollen zur Minderung der Eigenanteile der Bewohner der Pflegeheime und somit zur finanziellen Entspannung der Situation beitragen. Und zwar, wenn sie die Investitionskosten der stationären Pflegeeinrichtungen übernehmen würden. So könnte der Freistaat Bayern mit einem Schlag die Zuzahlungen in den Pflegeheimen um 17 Prozent spürbar kürzen. Das würde für alle Pflegeheimbewohner unabhängig der Aufenthaltsdauer gelten.

Die Förderung von Investitionskosten ist nach den Vorschriften des Sozialgesetzbuches Buch XI (SBG XI) Aufgabe der Länder. Im § 9 SGB XI wird geregelt, dass „die Länder für die Vorhaltung einer leistungsfähigen, zahlenmäßig ausreichenden und wirtschaftlichen pflegerischen Versorgungsstruktur verantwortlich sind“. Sie können im Landesrecht bestimmen, „ob und in welchem Umfang eine an der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Pflegebedürftigen orientierte finanzielle Unterstützung bei der Tragung der ihnen von den Pflegeeinrichtungen berechneten betriebsnotwendigen Investitionsaufwendungen oder der Pflegeeinrichtungen bei der Tragung ihrer betriebsnotwendigen Investitionsaufwendungen als Förderung der Pflegeeinrichtungen gilt. Zur finanziellen Förderung der Investitionskosten der Pflegeeinrichtungen sollen Einsparungen eingesetzt werden, die den Trägern der Sozialhilfe durch die Einführung der Pflegeversicherung entstehen“.

Die Länder kommen ihrer Verantwortung in diesem Bereich nicht entsprechend nach. Sie sollen zur Übernahme der Investitionskosten verbindlich verpflichtet werden. Diese Maßnahme soll nach Überzeugung der Ersatzkassen ein Teil der notwendigen Pflegereform sein.