Begründung des Schiedsamtbeschlusses für Arzneimittel-Richtgrößen liegt vor

Patientenbeauftragte: Ärzte müssen medizinisch notwendige Arzneimittel verordnen

Kassen weisen verantwortungslose Panikmache einiger Ärztevertreter zurück

Richtgrößen wurden nicht generell abgesenkt, sondern dem tatsächlichen Verordnungsverhalten der Ärzte angepasst und sind damit versorgungsgerechter

Arztgruppen, die für ihre leitliniengerechte medizinische Therapie hohe Richtgrößen benötigen, erhalten diese auch

Ärzte haben Pflicht zur Verordnung medizinisch notwendiger Arzneimittel - Wirtschaftlichkeit darf aber nicht außer Acht bleiben

Nun liegt auch die schriftliche Begründung zur Entscheidung des Landesschiedsamtes vom 22. Juni 2011 über die Neufestsetzung der Arzneimittel-Richtgrößen für die Berliner Vertragsärzte vor. 

Die Krankenkassen sehen sich damit in ihrer bisherigen Informationspolitik bestätigt. Zugleich bewerten sie mit Sorge die bisherige Kommunikation durch die Kassenärztliche Vereinigung (KV) Berlin als unverantwortliche Verunsicherung der Berliner Vertragsärzte und Patienten.

Anders als von der KV Berlin behauptet, wurden die Richtgrößen nicht generell gesenkt, sondern vielmehr auf der Basis der tatsächlichen Ausgaben der einzelnen Fachgruppen – also dem tatsächlichen Verordnungsverhalten der Berliner Vertragsärzte – neu festgelegt. Die neuen Richtgrößen bilden daher erst jetzt wieder die aktuelle Verordnungsrealität der einzelnen Arztgruppen ab. Dabei wurden Richtgrößen für einige Arztgruppen gesenkt, für andere erhöht. Dies gilt insbesondere für die fachärztlich tätigen Internisten, bei denen bisher alle (beispielsweise Kardiologen, Rheumatologen, Pneumologen, Nephrologen, Onkologen) eine gemeinsame Durchschnittsrichtgröße hatten, in die das unterschiedliche Verordnungsverhalten der einzelnen Facharztgruppen einging. Diese wurde nun aufgegliedert, was zwangsläufig zu unterschiedlichen Richtgrößen (höheren und niedrigeren) führen musste. Innerhalb der o. g. internistischen Schwerpunkte schwanken z. B. die Richtgrößen zwischen 31,78 Euro und 819,48 Euro pro Mitglied bzw. Rentner. Damit wird deutlich, dass in Abhängigkeit von den zur Verfügung stehenden Arzneimitteln, die zu einer leitliniengerechten medizinischen Therapie notwendig sind, sehr wohl unterschieden wird, welche Arztgruppen z. B. auf teure Originalpräparate angewiesen sind oder welchen ggf. auch preiswertere Generika zur Verfügung stehen.

Mit einer Vielzahl festgelegter Praxisbesonderheiten werden darüber hinaus von der Richtgrößensystematik abweichende Mehrkosten berücksichtigt, für die der Arzt auch keine Begründung abgeben muss. Selbstverständlich ist es wichtig, dass der Arzt jede Behandlung korrekt dokumentiert, um ggf. noch zusätzliche, individuelle Praxisbesonderheiten geltend machen zu können. Damit kann sichergestellt werden, dass es zu keinem Regress kommt.

Die patientenindividuelle Therapiefreiheit der Vertragsärzte bleibt unberührt.

Es darf aber nicht außer Acht gelassen werden, dass eine wirtschaftliche Verordnungsweise der Ärzte unerlässlich ist, weil sonst künftig Patienten über Zusatzbeiträge dafür zur Kasse gebeten werden müssten.

Die Patientenbeauftragte für Berlin, Karin Stötzner, betont, dass nach wie vor für jeden Arzt die Pflicht besteht, Patienten die medizinisch notwendigen Arzneimittel zu verordnen. Patienten, denen Verordnungen mit dem Verweis auf das Budget verweigert werden, sollten dies zurückweisen und sich den individuellen medizinischen Grund konkret erläutern lassen. Das Einholen einer Vorabgenehmigung von der Krankenkasse für zukünftige Arzneimittelverordnungen ist nicht statthaft und verstößt gegen geltendes Recht. Ärzte, die sich nicht korrekt verhalten, sollten den Krankenkassen mitgeteilt werden. Vor allem aber sollten sie sich nicht vorschnell mit vorgefertigten Protestschreiben für die Interessen anderer einspannen lassen. Wie die Erfahrung zeigt, ist die Wahrscheinlichkeit für einzelne Ärzte, in Regress genommen zu werden, wesentlich geringer als die Gefahr für Patienten, dass diese über Kassen finanzierbare Medikamente selber bezahlen müssen. Dies ist für Menschen mit geringem Einkommen absolut unzumutbar.

Auch treffen auf Panikmache ausgelegte Behauptungen der KV Berlin nicht zu, wonach nun 15 Prozent der Ärzte von Regressen bedroht wären: Laut Gesetz werden nach wie vor nur 5 Prozent der Ärzte je Arztgruppe überhaupt geprüft.

Diese Pressemitteilung wurde veröffentlicht von:

Der Patientenbeauftragten des Landes Berlin und der Arbeitsgemeinschaft der Krankenkassen und Krankenkassenverbände im Land Berlin

AOK Nordost – Die Gesundheitskasse

vdek - Landesvertretung Berlin/Brandenburg

IKK Brandenburg und Berlin

BKK Landesverband Mitte

BIG direkt gesund

Knappschaft, Regionaldirektion Berlin

LKK Landesverband Berlin 

 


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