P O L I T I K & V E R S O R G U N G Bundesgesundheitsministerin Nina Warken hat sich ja gleich zu Beginn ihrer Amtszeit dafür eingesetzt, dass die SPV eine Erstat- tung für die coronabedingten Sonderkosten in Höhe von rund 5 Milliarden Euro erhält, aber nicht als Darlehen. Allerdings konnte sie sich hier bislang nicht durchsetzen. Ist dieses Anliegen jetzt aufgeschoben? Nein, denn die Verhandlungen zum ein- gebrachten Haushalt haben gerade erst begonnen und wir werden in zahlreichen Gesprächen mit den Kolleginnen und Kolle- gen intensiv darauf hinwirken, im Haushalt mehr für die Pflegeversicherung zu erreichen. Sind Sie grundsätzlich der Meinung, dass versicherungsfremde Leistungen dauerhaft refinanziert werden sollten? Ich bin klar der Meinung, dass die Pflegever- sicherung nachhaltig und generationenge- recht umgestaltet werden muss, sonst stehen wir in ein paar Jahren wieder am gleichen Punkt wie heute. Und dazu gehört für mich, dass gesamtgesellschaftliche Aufgaben nicht allein die Pflegebedürftigen schultern soll- ten. Versicherungsfremde Leistungen wie die 5 Milliarden Euro für die Corona-Hilfen müssen der Pflegeversicherung vom Bund erstattet werden. Auch die Rentenversiche- rungsbeiträge für pflegende Angehörige von jährlich 4 Milliarden Euro und die Ausbil- dungskosten für Pflegekräfte von etwa 3 Mil- liarden Euro können nicht allein die Aufgabe der Pflegeversicherung sein. Somit kommen wir auf die Bund-Länder-AG zur Pflegereform zu sprechen, die am 7. Juli dieses Jahres ihre Arbeit aufgenommen hat, wo es ja auch um strukturelle Reformen gehen soll. Worum ging es in der ersten Sitzung, was soll die AG leisten? Wir haben uns selbst einen Arbeitsauftrag gegeben, der deutlich detaillierter ist als das, was im Koalitionsvertrag festgelegt ist. In der ersten Runde haben die einzelnen Teil- nehmenden ihre Schwerpunkte benannt. Bei den wesentlichen Punkten Versorgung und Finanzierung sind wir uns einig, dass drin- gender Handlungsbedarf besteht. Bis Ende dieses Jahres sollen die Ergebnisse dann auf dem Tisch liegen. Das ist ein sehr ambitioniertes Ziel. Nun gehen die gesellschaftlichen Vorstellungen über die Weiterentwicklung der Pflege stark auseinander. Zum Thema Vollversicherung etwa hat Nina Warken ihre Position bereits deutlich gemacht – also, dass die Pflegeversicherung eine Teilkasko- versicherung bleiben wird. Die Pflegeversicherung war nie als Vollversicherung angelegt, insofern unterstütze ich die Ministerin in ihrer Aussage. Aus meiner Sicht geht es allerdings vielmehr um die Frage, wie wir es schaffen, das Sys- tem durch mehr Pragmatismus und Vereinfachun- gen zielgenauer zu machen. Zurzeit bewegen wir uns durch einen regelrechten Leistungsdschungel. Das Ziel muss ein effizienter Mitteleinsatz sein, mit wirkungsorientierter Planung und Steuerung. Zum Beispiel könnten Leistungen gepoolt, also zusammen- gefasst werden, um sie flexibler einsetzen zu können. Und wie sieht es beim Thema Leistungskürzungen aus, das auch immer wieder diskutiert wird? Ich weiß nicht, ob wir wirklich in die Kürzung von Einzelleistungen gehen sollten. Mehr Individualität und Zielgenauigkeit, Leistungen zusammenführen, den Pflegebedürftigen mehr Flexibilität ermöglichen, das ist der richtige Weg. Im Koalitionsvertrag steht, dass die Bund-Länder- AG die Einführung einer Karenzzeit prüfen soll – also, dass Pflegebedürftige zunächst die Pflege selbst zahlen und die Pflegeversicherung erst nach einer bestimmten Zeit die Leistungen übernimmt. Würde das zu einer Entlastung führen – und welche Konsequenzen hätte das für die Pflegebedürftigen und ihre Angehörigen? Am Ende des Tages dürften wir keine Denkverbote haben, aber wir müssen dabei die Bedürfnisse der Pflegebedürftigen berücksichtigen, und dass die Pflegeversicherung ohnehin nur Teilkosten absichert. Ich kann mir besser vorstellen, dass wir überlegen, inwieweit im Pflegegrad 1 das Thema Prävention deutlich gestärkt werden kann. Es geht um sinnvolle Angebote, die auf den Erhalt der Fähigkeiten und Selbstständigkeit zielen. Das zögert nicht nur Pfle- gebedürftigkeit hinaus oder verhindert sie, sondern bedeutet für jede und jeden einzelnen auch mehr Lebensqualität. Am 28. Mai 2025 wurde Katrin Staffler zur neuen Bevollmächtigten der Bundesregierung für Pflege bestellt. Seit 2017 ist sie Mitglied des Bun- destages. In der 19. Wahl- periode war sie Mitglied im Ausschuss für Bil- dung, Forschung und Technikfolgenabschät- zung und Mitglied im Ausschuss für die Ange- legenheiten der Europäi- schen Union und darüber hinaus von 2018 bis 2021 Obfrau der CDU/CSU- Fraktion in der Enquete- Kommission „Berufliche Bildung in der digitalen Arbeitswelt“. In die CSU trat sie 2007 ein. Von Haus aus ist sie studierte Biochemikerin: an der TU München schloss sie 2004 den Bachelor of Science und zwei Jahre später den Master of Science in Biochemie ab. Nach einer mehrjährigen Forschungstätigkeit am Klinikum Rechts der Isar in München arbeitete sie von 2010 bis 2015 in der Kommunikationsbera- tung mit Schwerpunkt Gesundheitswesen und von 2015 bis 2017 als Pressesprecherin. 2 4