Sicher im Krankenhaus

Wie das MRE-Projekt Hessen Patientinnen und Patienten besser schützt

Ärzte bei einer Operation

Multiresistente Erreger (MRE) sind Bakterien, die gegenüber mehreren Antibiotikaklassen unempfindlich geworden sind – etwa Methicillin-resistenter Staphylococcus aureus (MRSA), Vancomycin-resistente Enterokokken (VRE) oder multiresistente gramnegative Stäbchen (3MRGN, 4MRGN). Sie entstehen und verbreiten sich vor allem dort, wo viele Antibiotika eingesetzt und Hygieneketten unterbrochen werden: in Kliniken, Pflege- und Rehaeinrichtungen sowie bei häufigen Patiententransfers.

Laut Schätzungen der Deutschen Gesellschaft für Krankenhaushygiene entstehen jährlich rund 400.000 Infektionen mit resistenten Keimen in Deutschland. Jede einzelne kann für Betroffene sehr belastend sein: Neben verlängerten Aufenthalten im Krankenhaus und erschwerten Therapiemöglichkeiten können MRE-Infektionen auch emotionale und psychische Herausforderungen wie z.B. Angst vor schwerwiegenden Komplikationen und Ungewissheit über den Krankheitsverlauf mit sich bringen. Auch die Notwendigkeit besonderer Vorsichtsmaßnahmen und Isolation kann zusätzlich belastend sein.

Gleichzeitig verursacht jede einzelne MRE-Infektion durchschnittlich 8.000 bis 12.000 Euro Zusatzkosten durch Isolation, Diagnostik und Reserveantibiotika. Bei hohen Fallzahlen entsteht so ein erheblicher wirtschaftlicher Schaden, der in keinem Vergütungssystem vollständig abgebildet ist.

Was sind MRE und warum sind sie für einige Personen so gefährlich?

Multiresistente Erreger (MRE) sind Bakterien, die gegenüber mehreren Antibiotikaklassen resistent sind und somit die Behandlung bakterieller Infektionen erheblich erschweren. Die zunehmende Verbreitung der MRE, insbesondere der MRGN und VRE sind eine ernsthafte Bedrohung für die Patientensicherheit und die Wirksamkeit moderner medizinischer Therapien.

Für gesunde Menschen mit einem guten Abwehrsystem stellen MRE in der Regel kein großes Gesundheitsrisiko dar. Der Kontakt mit den Erregern führt bei ihnen nur in Ausnahmefällen zu einer Erkrankung. Dennoch können sie die MRE als Trägerinnen und Träger unbemerkt auf andere Menschen übertragen.

Insbesondere bei vulnerablen Patientengruppen wie älteren Menschen, immungeschwächte Personen, Früh- und Neugeboren etc. kann eine Infektion mit MRE zu schwerwiegenden Komplikationen und zu verlängerten Krankenhausaufenthalten, höheren Behandlungskosten und sogar einer erhöhten Mortalitätsrate führen.

Risikofaktoren für eine Infektion mit MRE

Aufenthalte in Gesundheitseinrichtungen:

  • Klinische Behandlungen oder Krankenhausaufenthalte innerhalb der letzten 6 Monate
  • Aufenthalte in einem Pflegeheim oder anderen Einrichtungen mit intensiver Pflege

Schwächung des Immunsystems:

  • Erkrankungen, die das Immunsystem beeinträchtigen, wie z. B. Diabetes mellitus, Hepatitis oder HIV
  • Medikamente, die das Immunsystem unterdrücken (z. B. Immunsuppressiva)

Medizinische Eingriffe und Hilfsmittel:

  • Einsatz von Kathetern oder vergleichbaren Hilfsmittel im Körper
  • Offene, schlecht heilende Hautwunden und generell große Wunden, die nicht richtig abheilen

Antibiotikabehandlung:

  • Antibiotikatherapie innerhalb der letzten 6 Monate

In Hessen hat man früh verstanden, dass sich das Problem nicht allein durch Hygienevorschriften lösen lässt. Seit mehreren Jahren setzten die hessischen Projektpartner auf Kooperationen: Das MRE-Projekt Hessen bringt Gesundheitsämter, Kliniken, Labore und Kostenträger an einen Tisch. Gemeinsames Ziel ist es, Infektionen zu vermeiden und dafür z.B. Daten zu teilen und auszuwerten und Prozesse zu optimieren.

Claudia Ackermann_vdek Hessen_Januar 2025_Quadrat_copyright vdek_Georg J. Lopata

Neben der an erster Stelle stehenden persönlichen Betroffenheit der Patientinnen und Patienten wird die ökonomische Dimension häufig unterschätzt. Multiresistente Erreger binden personelle und finanzielle Ressourcen, die an anderer Stelle fehlen. Prävention ist deshalb nicht nur medizinisch, sondern auch wirtschaftlich sinnvoll. Mit dem MRE-Projekt wollen wir verhindern, dass Keime von Einrichtung zu Einrichtung weitergegeben werden. Das geht aber nur, wenn alle beteiligten Berufsgruppen dabei zusammenarbeiten.

Claudia Ackermann, Leiterin der vdek-Landesvertretung Hessen

Wie das MRE-Projekt in Hessen entstand – erfolgreich gegen MRE seit 2016

Das MRE-Projekt Hessen ist ein landesweites Verfahren der Landesarbeitsgemeinschaft Qualitätssicherung Hessen (LAGQH). Es wurde 2016 durch die Landesverbände der Krankenkassen, die Hessische Krankenhausgesellschaft sowie das damals für Gesundheit zuständige Ministerium für Soziales und Integration (HMSI) unter dem Namen „Analyse der MRE-Prävalenz sowie Maßnahmen zur Reduktion nosokomialer Infektionen durch MRE in hessischen Krankenhäusern“ ins Leben gerufen wurde.

Ziel war und ist es, die Häufigkeit von Erregern wie MRSA (Methicillin-resistente Staphylococcus aureus) und multiresistenten gramnegativen Bakterien (4MRGN) zu überwachen und geeignete Maßnahmen zur Infektionsprävention zu entwickeln.

Im Projekt werden in allen hessischen Krankenhäusern mit Ausnahme von spezialisierten psychiatrischen und/oder psychosomatischen Klinikstandorten kontinuierlich Daten zu den wichtigsten multiresistenten Keimen erfasst. Seit 2018 umfasst das Projekt neben MRSA auch multiresistente gramnegative Erreger. 2025 wurde das Spektrum der 4MRGN Keime um einen dritten Keim – den multiresistenten Escherichia coli – erweitert, um den steigenden Herausforderungen durch derartige Erreger gerecht zu werden.

Neben der Erhebung der Häufigkeit (Inzidenz) von MRE-Fällen werden auch Prozesskennzahlen zu den Themenbereichen „Dekolonisierung“ bei MRSA (d.h. der Behandlung), Isolierung und Informationsweitergabe nach Entlassung analysiert. Diese Daten helfen dabei, die Qualität von Behandlung und Hygienemaßnahmen in den Kliniken zu monitoren.

Bisherige Erfolge

Die Durchführung des Projektes hat gezeigt, dass Maßnahmen der Qualitätssicherung in diesem Bereich einen wertvollen Beitrag zur Identifikation von Mängeln in der Struktur- und/oder Prozessqualität in den hessischen Kliniken leisten und erfolgreich zur Optimierung dieser Bereiche beitragen können. Die bisherigen Ergebnisse belegen, dass die hessischen Krankenhäuser in der Regel über gut etablierte Hygienemanagements verfügen. Vereinzelt gib es jedoch auch Einschränkungen. Daher werden neben der Erfassung und Auswertung sowie der Ableitung von Maßnahmen auch strukturierte Dialoge und kollegiale Gespräche geführt, um schnell klinikindividuelle Empfehlungen zur Verbesserung zu geben.

Die Qualität der erhobenen Daten wird ebenfalls laufend überprüft, um die Validität der Ergebnisse zu sichern.

2023 wurde eine umfassende Strukturerhebung und -auswertung durchgeführt, die den aktuellen Stand der Hygienemaßnahmen und des Antibiotikamanagements in den meisten hessischen Kliniken aufzeigt. Diese Erhebung dient als Grundlage für die kontinuierliche Verbesserung des Hygienemanagements und zur Anpassung an die neuen Herausforderungen durch multiresistente Erreger.

Ökonomische Nachhaltigkeit durch Prävention

Die ökonomischen Folgen von MRE-Infektionen sind erheblich und belasten sowohl die Gesundheitssysteme als auch die Gesellschaft insgesamt. Der Nutzen des MRE-Projekts lässt sich deshalb nicht nur in Infektionsraten, sondern auch in Wirtschaftlichkeitskennzahlen messen.

Patientinnen und Patienten mit MRE-Infektionen benötigen oft intensivere und längere Behandlungen und bleiben im Schnitt 3-mal länger im Krankenhaus als Patientinnen und Patienten ohne MRE-Infektion. Dies führt zu höheren Behandlungskosten und einer zusätzlichen Belastung für die Gesundheitsinfrastruktur. Da Standard-Antibiotika in der Behandlung von MRE-Infektionen versagen, müssen häufig teurere, spezialisierte Medikamente eingesetzt werden, die die Kosten weiter in die Höhe treiben. Auch diagnostische Tests zur Identifikation des genauen Erregers und seiner Resistenzen, tragen zu erhöhten Kosten bei.

Krankenhäuser und Pflegeeinrichtungen müssen darüber hinaus zusätzliche Hygienemaßnahmen ergreifen, um eine weitere Ausbreitung zu verhindern. Dadurch werden zusätzliche personelle und materielle Ressourcen beansprucht. Insgesamt führen MRE-Infektionen zu einer spürbaren Erhöhung der direkten Gesundheitsausgaben, da die Behandlung komplexer und langwieriger ist und teurere Medikamente sowie intensivere Pflege erfordert. Auch nach Entlassung entstehen im Rahmen von Nachbehandlungen und/oder langfristigen Gesundheitsfolgen weitere Kosten.

Ein Blick in die Zukunft – Verlängerung des Projekts bis 2030

Das MRE-Projekt wird von den beteiligten Fachleuten mit hoher Sorgfalt und fachlicher Kompetenz durchgeführt. Ursprünglich war es nur auf eine Laufzeit von fünf Jahren befristet. Die positiven Ergebnisse, wie die konsequente Einhaltung und Weiterentwicklung von Hygienestandards sowie die kontinuierliche Verbesserung der o.g. Kennzahlen, hatten bereits zu einer Verlängerung bis zum 31.12.2025 geführt.

Claudia Ackermann_vdek Hessen_Januar 2025_Quadrat_copyright vdek_Georg J. Lopata

Da die Entwicklung neuer Resistenzen stetig voranschreitet und immer mehr Bakterien gegen gängige Antibiotika resistent werden, ist es von zentraler Bedeutung, das Monitoring weiterzuführen und die Kliniken kontinuierlich bei der Umsetzung von Maßnahmen zu unterstützen. Nur so können neue Trends und Muster frühzeitig erkannt werden, um gezielt darauf zu reagieren. Ohne eine kontinuierliche Überwachung und Intervention könnte die Wirksamkeit von Antibiotika weiter eingeschränkt werden. Die fortlaufende Datensammlung und die enge Zusammenarbeit zwischen Kliniken, Experten, Behörden und Kostenträgern sind entscheidend, um die Risiken durch multiresistente Erreger für die betroffenen Patientinnen und Patienten sowie das gesamte Versorgungssystem langfristig zu minimieren.

Claudia Ackermann, Leiterin der vdek-Landesvertretung Hessen

Das Projekt wird wegen seiner besonderen Bedeutung und weiterhin guten Erfolgen in der Versorgung erneut um weitere fünf Jahre bis 2030 verlängert. Wesentliche Ziele sind weiterhin die Früherkennung von Keimausbrüchen, die Unterstützung des Hygienemanagements in Kliniken sowie das übergreifende Monitoring von MRE-Fällen in den Regionen (Krankenhausversorgungsgebieten). Insbesondere soll der Fokus nun noch stärker auf die 4 MRGN-Keime gelegt werden, bei denen in den Kliniken ein kontinuierlicher Infektionsanstieg zu verzeichnen ist.