3 Fragen an die aktuellen gesundheitspolitischen Sprecherinnen und Sprecher

Von A wie Ausgangslage bis Z wie Zukunftsperspektiven - die gesundheitspolitischen Sprecherinnen und Sprecher der Fraktionen im Hessischen Landtag antworten auf unsere Fragen zur Zukunft des hessischen Gesundheitswesens. 

Aktuell fehlen noch die Antworten von BÜNDNIS90/DIE GRÜNEN. Sobald diese vorliegen, werden sie hier veröffentlicht.

Hessischer Landtag_Frontal_copyright Hessischer Landtag, Kanzlei

Frage 1:

Ärztliche Versorgung in ländlichen Gebieten, Krankenhausstrukturreform, Fachkräftemangel, Notfallversorgung, Streit um die GKV-Finanzierung. Es gibt viel zu tun in der Gesundheitspolitik. Welche Bereiche haben für Sie oberste Priorität?

 

Dr. Ralf-Norbert Bartelt, CDU

CDU_Hessen Dr Bartelt_copyright Nowak_CDU Hessen

Alle genannten Herausforderungen dulden keinen Aufschub. Sie müssen zeitgleich angegangen werden.

Die Landarztquote muss auf weitere Fächer wie der Psychiatrie erweitert werden. Studierenden der höheren Semestern müssen Stipendien angeboten werden, wenn sie sich künftig in unterversorgten Bezirken niederlassen. Niederlassungsprämien und Umsatzgarantien müssen in einem weiteren Gesundheitspakt zur Verfügung gestellt werden. Es ist zu beachten, daß auch in einigen Stadtteilen der Großstädte Unterversorgung droht.

In der Krankenhausstrukturreform ist das Element der Vorhaltepauschale richtig. Sie nimmt den Druck auf permanente Vollauslastung. Es ist den Bundesländern zu verdanken, daß die Bezahlung nach ca. 70 Leistungsgruppen erfolgt. Die Länder müssen die Planungshoheit behalten.

Der Pflegeberuf muss ein höheres Ansehen bekommen. Eine Akademisierung könnte ein Weg sein. Die Pflege-DRGs müssen auskömmlich sein, damit bedarfsgerechte Lohnanpassungen finanziert werden. Tarifverträge über Personalausstattungen sind sinnvoll.

Die Notfallversorgung der KV und der Kliniken müssen entsprechend dem Modell der KV Hessen zusammengeführt werden.

Die Finanzierung der GKV muss nachhaltig gesichert bleiben, ggf. durch Erhöhung der Bundeszuschüsse und maßvolle Anhebung der Beiträge.

Dr. Daniela Sommer, SPD

SPD Hessen_Dr. Daniela Sommer

Alle genannten Aspekte sind von großer Bedeutung. Es ist wichtig, die Unter-, Über- und Fehlversorgung in Hessen zu verhindern, so dass die ärztliche und medizinisch notwendige Versorgung auch in ländlichen Räumen sichergestellt werden muss. Dies funktioniert aber nur mit genügend Personal, gute Arbeits- und Rahmenbedingungen und genügend Ausbildungskapazitäten und mit der Nutzung der Chancen der Digitalisierung. Nur wenn wir alle Bausteine berücksichtigen, können wir eine ganzheitliche Gesundheitsversorgung gewährleisten.

Yanki Pürsün, FDP

FDP Hessen_Yanki Pürsün

Die Herausforderungen im Gesundheitswesen sind vielfältig, aber es gibt bestimmte Bereiche, die für uns als Freie Demokraten oberste Priorität haben:

Erstens, die ärztliche Versorgung in ländlichen Gebieten. Hier sehen wir einen dringenden Bedarf, um sicherzustellen, dass Menschen, unabhängig von ihrem Wohnort, Zugang zu hochwertiger medizinischer Versorgung haben. Dies könnte durch gezielte Anreize für Ärzte erreicht werden, die in solchen Regionen praktizieren, sowie durch die Nutzung innovativer Ansätze wie Telemedizin.

Zweitens, die umfassende Reform der Krankenhauslandschaft. Wir sind der Überzeugung, dass eine Neugestaltung der Krankenhausstruktur notwendig ist, um sowohl eine effiziente Spezialisierung als auch eine Grundversorgung zu gewährleisten. Hierbei ist eine enge Zusammenarbeit zwischen Krankenhäusern, niedergelassenen Ärzten und anderen Gesundheitsdienstleistern entscheidend, um eine nahtlose Versorgung der Patienten sicherzustellen.

Drittens, der Fachkräftemangel im Gesundheitswesen. Wir setzen uns dafür ein, die Arbeitsbedingungen im medizinischen Bereich zu verbessern und attraktive Anreize zu schaffen, um qualifiziertes Personal anzuziehen. Dies könnte durch flexible Arbeitszeitmodelle, Weiterbildungsmöglichkeiten und die Förderung von Spezialisierungen erreicht werden.

Insgesamt ist eine ganzheitliche Herangehensweise erforderlich, um die Gesundheitsversorgung in Deutschland zukunftsfähig zu gestalten. Die genannten Schwerpunkte sollen dazu beitragen, die ärztliche Versorgung in ländlichen Gebieten zu gewährleisten, die Krankenhauslandschaft sinnvoll zu strukturieren und dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken.

Petra Heimer, DIE LINKE

Die Linke Hessen_Petra Heimer

Hessen muss endlich seinem gesetzlichen Auftrag nachkommen und eine tatsächliche Gesundheitsplanung vorlegen. Diese darf sich nicht auf das Bettenzählen in den Krankenhäusern beschränken, sondern muss einen qualitativen Mehrwert für die Menschen mit sich bringen. Dazu ist es unumgänglich, nicht nur die stationäre Versorgung anzuschauen, sondern die Sektorengrenzen zu überwinden. Um die Situation vor Ort möglichst passgenau zu entwickeln, müssen die sechs Gesundheitskonferenzen gestärkt und fortentwickelt werden.
Es bringt nichts, wenn das Land weiter an kleinen Schräubchen dreht, während die Gesamtkonstruktion vor dem Kollaps steht. Nur ein großer Wurf kann die Gesundheitsversorgung stabilisieren und für bessere Arbeits- und Behandlungsbedingungen sorgen. Das bedeutet auch, dass Hessen endlich aus originären Landesmitteln die Investitionskosten der Krankenhäuser vollumfänglich trägt.

Frage 2:

Die sektorenübergreifende Versorgung in allen Bereichen kann für Patientinnen und Patienten vieles verbessern, doch es gibt noch sehr viele Stolpersteine. Was muss sich Ihrer Meinung nach ändern?

Dr. Ralf-Norbert Bartelt, CDU:

Ansätze zur Weiterentwicklung der sektorenübergreifenden Versorgung sind:

  • Zügige Einführung der elektronischen Krankenakte,
  • Entwicklung von Behandlungskonzepten nach dem Vorbild des hessischen Onkologiekonzeptes unter Einbeziehung der niedergelassen Ärztinnen und Ärzte,
  • Zusammenlegung der Systeme der Notfallversorgung,
  • Zusammenarbeit von Krankenhausträgern und KV bei der Krankenhausstrukturreform, besonders bei Kliniken des Levels 1i.

Dr. Daniela Sommer, SPD:

Drei Handlungsbereiche sind wesentlich, um die Stolpersteine einer sektorenübergreifenden Versorgung zu bessern:

  1. Wir benötigen eine sektorenübergreifende, morbiditäts- und leistungsorientierte Versorgungsplanung.
  2. Außerdem braucht es ein einheitliches sektorengleiches Vergütungssystem.
  3. Und schließlich müssen mehr Freiräume für ein aktives Versorgungsmanagement geschaffen werden, um an den lokalen Kontext angepasste, bedarfsgerechte Versorgungsmodelle zu ermöglichen.

Yanki Pürsün, FDP:

Die sektorenübergreifende Versorgung hat das Potenzial, die Gesundheitsversorgung für Patientinnen und Patienten erheblich zu verbessern. Dennoch bestehen nach wie vor einige Herausforderungen, die angegangen werden müssen.

Ein zentraler Aspekt, der sich ändern muss, ist die nahtlose Integration der verschiedenen Versorgungsbereiche. Dazu gehört eine bessere Koordination zwischen Krankenhäusern, niedergelassenen Ärzten, Pflegeeinrichtungen und anderen Gesundheitsdienstleistern. Hierbei kann die Digitalisierung eine entscheidende Rolle spielen, um den Informationsaustausch zu erleichtern und Behandlungsverläufe zu verfolgen. Des Weiteren ist es wichtig, bürokratische Hürden abzubauen. Oftmals stehen rechtliche und finanzielle Regelungen einer reibungslosen sektorenübergreifenden Versorgung im Weg. Wir sollten daher Anreize schaffen, die eine enge Zusammenarbeit fördern, und gleichzeitig dafür sorgen, dass die verschiedenen Akteure angemessen vergütet werden. Ein weiterer Stolperstein ist die Standardisierung von Prozessen und Daten. Um eine effiziente sektorenübergreifende Versorgung zu gewährleisten, müssen einheitliche Standards für medizinische Dokumentation und Datenaustausch etabliert werden. Dadurch können Patientendaten sicher und effektiv zwischen den verschiedenen Einrichtungen ausgetauscht werden. Abschließend gilt es, die Kommunikation zwischen den verschiedenen Gesundheitsakteuren zu verbessern. Ein intensiver Austausch von Informationen und gemeinsame Entscheidungsprozesse sind unerlässlich, um eine patientenzentrierte Versorgung sicherzustellen.

Insgesamt ist es entscheidend, dass alle Beteiligten – von Ärzten über Pflegekräfte bis hin zu Verwaltungsmitarbeitern – an einem Strang ziehen, um die sektorenübergreifende Versorgung optimal umzusetzen. Nur so können wir die Potenziale dieses Ansatzes voll ausschöpfen und eine ganzheitliche, effiziente und patientenorientierte Gesundheitsversorgung gewährleisten.

Petra Heimer, DIE LINKE:

Viele gute Ideen existieren, aber zu oft scheitern sie an Standesdünkel und Rosinenpickerei. Zudem leidet Hessen an einer chronischen „Projektitis“: Statt erfolgreiche Modelle landesweit zu etablieren, hangelt sich die Landesregierung von Projekt zu Projekt. Im Ergebnis bleiben Verbesserungen oft punktuell oder versanden völlig. Auch viele bundesweite Vorgaben scheinen mehr am grünen Tisch als in der Realität erprobt. Hier muss sich Hessen mehr in den Bund-Länder-Beratungen positionieren, um Verbesserungen zu erwirken.

Intersektoralität bzw. Sektorenfreiheit werden Schlüsselaufgaben einer gelingenden medizinischen Versorgung in Deutschland werden. Hier braucht es ein entschiedenes Bekenntnis der Landesregierung, welches gegebenenfalls auch klare Kante gegen diejenige Besitzstandswahrung zeigt, die nicht im Interesse der medizinischen Versorgung ist.

Frage 3:

Viele Pflegebedürftige und deren Angehörige befürchten, sich aufgrund ständig steigender Kosten die Pflege im höheren Alter nicht mehr leisten zu können. Welche Konzepte haben Sie, um eine weitere finanzielle Überforderung zu verhindern?   

 

Dr. Ralf-Norbert Bartelt, CDU:

Die seit 2022 geleisteten Pflegekostenzuschüsse müssen weiterentwickelt werden. Die Zuschüsse gibt es für Pflegekosten und Ausbildungskosten der Pflegekräfte. Neben der Anpassung dieser Beträge sollte der Bundesgesetzgeber auch Zuschüsse für die Investitionskosten der Einrichtungen geben. Außerdem sollte auch die teilstationäre Pflege bezuschusst werden. Es soll kein Pflegebedürftiger in den Konflikt geraten, ob er mit der Beantragung eines höheren Pflegegrades die Angehörigen belaste.

Dr. Daniela Sommer, SPD:

Wer Pflege benötigt oder als Angehöriger Pflege leistet, wird nicht allein gelassen: Die Pflegeversicherung bietet viele Leistungen und Angebote zur Unterstützung, damit sich die Pflege im Alltag gelingt und bedarfsgerecht gestaltet werden kann. Neben einer guten Pflegeberatung, damit die Leistungen und Angebote passgenau bei dem Pflegebedürftigen angekommen, darf Pflege nicht arm machen. Neben einer möglichen finanzielle Hilfe beim Sozialamt und einer wünschenswerten Unterstützung der pflegebedürftige Heimbewohner bei den Investitionskosten durch das Land, ist insbesondere eine bessere Unterstützung und Entlastung pflegender Angehöriger notwendig, z. B. durch verbesserte Leistungen der Pflegeversicherung für pflegende Angehörige sowie zur Vereinbarkeit von Beruf und Pflege. Daneben sind Verbesserungen der rentenrechtlichen Absicherung zu ergreifen. Gerade dann, wenn pflegende Angehörige aufgrund der Pflege weniger arbeiten könnten, verlieren sie Einkünfte, Karrierechancen und zukünftige Rentenansprüche. Das muss dringend kompensiert werden!

Yanki Pürsün, FDP:

Die Sorge vor den steigenden Pflegekosten ist verständlich und erfordert gezielte Maßnahmen, um eine finanzielle Überforderung von Pflegebedürftigen und ihren Angehörigen zu verhindern. Unsere Konzepte zielen darauf ab, eine tragfähige und gerechte Finanzierung der Pflege sicherzustellen.

Zunächst setzen wir auf die Senkung der Eigenbeteiligung in Pflegeheimen. Die monatliche Eigenbeteiligung ist in den letzten Jahren kontinuierlich angestiegen und belastet Pflegebedürftige und ihre Angehörigen erheblich. Wir wollen diese finanzielle Hürde spürbar reduzieren, um einen einfacheren Einstieg in die Pflegeheimversorgung zu ermöglichen.

Eine weitere wichtige Maßnahme ist die Stärkung der Pflegeversicherung. Wir werden gezielte Schritte unternehmen, um die Leistungen der Pflegeversicherung zu erhöhen. Dadurch schaffen wir eine solidere Grundlage für die Pflege und minimieren finanzielle Sorgen in dieser herausfordernden Zeit.

Die Förderung der ambulanten Pflege ist ebenfalls ein zentrales Anliegen. Wir werden Programme und Unterstützungsmöglichkeiten gezielt fördern, die es Pflegebedürftigen ermöglichen, in ihrer vertrauten Umgebung gut versorgt zu bleiben. Dies trägt nicht nur zur Lebensqualität bei, sondern kann auch Kosten reduzieren.

Eine besondere Unterstützung gilt den pflegenden Angehörigen. Wir werden finanzielle Entlastung und steuerliche Vorteile einführen, um ihre wertvolle Arbeit anzuerkennen und sie in ihrer Pflegetätigkeit zu unterstützen.

Transparenz und Beratung sind ebenfalls wichtige Instrumente, um die finanzielle Belastung zu minimieren. Wir werden klare und verständliche Beratung fördern, um Pflegebedürftigen und ihren Angehörigen aufzuzeigen, welche finanziellen Möglichkeiten bestehen und wie sie davon profitieren können. Letztendlich streben wir an, eine ausgewogene Balance zwischen staatlicher Unterstützung, Eigenverantwortung und solidarischer Finanzierung zu schaffen. Dadurch möchten wir eine weitere finanzielle Überforderung im Pflegebereich verhindern und sicherstellen, dass Pflegebedürftige und ihre Angehörigen die notwendige Unterstützung erhalten, ohne dabei finanziell übermäßig belastet zu werden.

Petra Heimer, DIE LINKE:

Die Pflegeversicherung muss zu einer Vollversicherung werden, in die alle einzahlen. Nur mit einer Bürger*innenversicherung, in die auch Selbstständige, Beamte, Abgeordnete und Besserverdienende einzahlen, können wir unser Gesundheits- und Pflegesystem zukunftsfest aufstellen.

Unterstützen kann dies eine gezielte Entbürokratisierung und Digitalisierung, aber vor allem auch eine wirkliche kommunale Altenhilfeplanung. Wenn in der Pflege private Konzerne zweistellige Renditen erwirtschaften, dann geht das auf Kosten der Beschäftigten und Pflegebedürftigen. Stattdessen brauchen wir kommunale Pflegeeinrichtungen und unterstützende Angebote, die den Menschen und nicht den Profit in den Mittelpunkt des Handelns stellen und so für gute Arbeitsbedingungen und Zeit für Fürsorge einstehen.

Oft wird vergessen, dass mehr als 80 Prozent aller Pflegebedürftigen nicht in stationären Einrichtungen, sondern zuhause gepflegt werden. Die Nächstenpflege, die Angehörige allein oder im Zusammenwirken mit ambulanten Pflegediensten leisten, braucht mehr Wertschätzung, finanzielle und organisatorische Unterstützung. Das Land Hessen muss hier unter anderem mit einem Landesinvestitionsprogramm mehr für Tages- und Kurzzeitpflege unternehmen.