Ein erfolgreicher Wettlauf gegen die Zeit?
Ein Schlaganfall ist ein medizinischer Notfall, bei dem Sekunden zählen. Schon wenige Minuten können über Leben oder bleibende Behinderungen entscheiden. In Deutschland erleiden jedes Jahr rund 270.000 Menschen einen Schlaganfall, in Hessen sind es etwa 25.000.
Die Versorgung von Schlaganfallpatientinnen und -patienten ist eine anspruchsvolle Aufgabe, die viele Bereiche der Medizin von der schnellen Hilfe im Notfall über die spezifische Behandlung im Krankenhaus bis zur Rehabilitation und weiteren Pflege umfasst. Der Schlüssel zu einer erfolgreichen Behandlung liegt dabei vor allem in einem hoch spezialisierten und gut vernetzten Versorgungssystem, das blitzschnell reagieren muss, um den Patienten die bestmögliche Chance auf Genesung zu bieten.
Das schnelle Handeln und der richtige Ort
Je schneller die Patienten in eine für Schlaganfall-Notfälle spezialisierte Klinik, eine sogenannte Stroke Unit, gelangen, desto größer ist die Chance auf eine erfolgreiche Behandlung. In Hessen hat sich die Schlaganfallversorgung in den letzten Jahrzehnten erheblich verbessert, nicht zuletzt durch die flächendeckende Einführung der Stroke Units seit den frühen 2000er Jahren. Diese spezialisierten Einheiten, die sich auf die schnelle Diagnostik und Behandlung von Schlaganfällen konzentrieren, erwiesen sich als entscheidend für den Erfolg der Akutversorgung.
2024 wurden rund 98 % der Schlaganfallpatienten in Hessen in einer der 34 Stroke Units behandelt – ein Erfolg, der die Bedeutung dieser Einrichtungen unterstreicht. Die flächendeckende Einrichtung von Stroke Units in nahezu allen größeren Krankenhäusern hat die Versorgungssituation signifikant verbessert und ist ein Beispiel für die rasante Weiterentwicklung der Schlaganfallversorgung. Die Stroke Units werden in Hessen durch 11 Thrombektomiezentren an Häusern der Maximalversorgung unterstützt: Dort kann ein relevanter Anteil der Patientinnen und Patienten mit Verschlüssen großer Hirngefäße innerhalb des therapeutischen Zeitfensters einer interventionellen Therapie zugeführt werden. Die Kombination aus regionalen Stroke Units und überregionalen Thrombektomiezentren bildet die Grundlage für ein gestuftes, an der Schwere des Ereignisses orientiertes Versorgungskonzept.
Rehabilitation nach Schlaganfall: Der entscheidende Weg zur Rückkehr in ein eigenständiges Leben
Die Schlaganfallversorgung endet nicht mit der Akutbehandlung, sondern setzt sich in der Rehabilitation fort. Patientinnen und Patienten erhalten dabei gezielte Therapien, um verloren gegangene Fähigkeiten wie Bewegung, Sprache und Alltagskompetenzen wiederzuerlangen. Die Rehabilitation beginnt dabei schon in der Klinik und wird stationär oder ambulant weitergeführt. Interdisziplinäre Teams aus Ärztinnen und Ärzten und physiotherapeutischen, logopädischen und ergotherapeutischen Fachkräften arbeiten eng zusammen, um individuelle Behandlungspläne zu erstellen und umzusetzen, die auch die seelische Stabilisierung und soziale Wiedereingliederung fördern. Die ersten sechs Monate gelten als besonders wirksam für die Genesung. Damit ist die Rehabilitation ein zentraler Bestandteil der Schlaganfallversorgung und trägt wesentlich zur Wiederherstellung der Lebensqualität bei.
Qualitätssicherung als Steuerungsinstrument
Seit 1996 überprüft Hessen systematisch die Versorgungsqualität im Rahmen des Landesverfahrens Schlaganfallversorgung, seit 2022 unter Verantwortung der Landesarbeitsgemeinschaft Qualitätssicherung Hessen (LAGQH). Dies soll allen Betroffenen eine hochwertige Behandlung garantieren. Im zuständigen Fachausschuss engagieren sich Fachärztinnen und -ärzte aus Stroke Units und Thrombektomiezentren, Vertreterinnen und Vertreter des Medizinischen Dienstes Hessen, der Krankenkassen sowie die Patientenvertretung. Auf Basis definierter Qualitätsindikatoren werden Struktur-, Prozess- und Ergebnisqualität der teilnehmenden Einrichtungen analysiert. Die Ergebnisse fließen in regelmäßige Auswertungen ein, die den Kliniken zur Verfügung gestellt werden. Ergänzend bietet die LAGQH bei Bedarf direkte Beratung an, um Auffälligkeiten zu adressieren und Verbesserungsmaßnahmen zu implementieren.
Die Qualitätssicherung wird in Hessen ausdrücklich nicht als reine Berichterstattung, sondern als aktives Steuerungsinstrument gesehen. Das bedeutet:
- Systematische Identifikation von Auffälligkeiten in relevanten Indikatoren, z. B. Prozesszeiten, Therapiequoten oder Ergebnisparametern.
- Strukturierte Rückmeldung an die Einrichtungen mit Vergleichsperspektive.
- Einleitung gezielter Verbesserungsmaßnahmen, etwa Anpassungen von Prozessen, Fortbildungsangebote, Optimierung von Schnittstellen in Rettungsdienst, Notaufnahme und neurologischer Station.
- Regelmäßige Überprüfung der Wirkung eingeleiteter Maßnahmen im Sinne eines kontinuierlichen Qualitätskreislaufs.
Durch diesen Ansatz wird Qualitätssicherung zu einem integralen Bestandteil des Versorgungsmanagements mit direktem Einfluss auf Behandlungsqualität und Patientensicherheit.
Digitalisierung als Retter in der Not bei steigenden Fallzahlen?
Die Qualitätssicherung zeigt: Trotz sehr guter Zahlen bleibt Handlungsbedarf. Während der fachliche Anspruch an die Akut- und Anschlussversorgung unverändert hoch bleibt, stellen der Fachkräftemangel, die alternde Bevölkerung und daher steigenden Fallzahlen sowie zunehmende Versorgungsanforderungen und komplexere Fälle die Schlaganfallversorgung vor neue Herausforderungen. Es gilt Entscheidungsprozesse zu beschleunigen, Doppeluntersuchungen zu vermeiden und die Grundlage für eine noch präzisere Qualitätssicherung zu schaffen z. B. durch digitale Lösungen, telemedizinische Konsile, sektorübergreifende Dokumentation und Datenintegration und engere Vernetzung sowie standardisierte Kommunikationswege entlang der Versorgungskette. Die vorhandenen QS-Daten bieten eine wertvolle Basis, um Versorgungsrealität abzubilden, Trends zu erkennen, Versorgungsstrategien evidenzbasiert weiterzuentwickeln.
Auch die anstehende Krankenhausreform ab 2027 und die geplante Notfallreform werden die Schlaganfallversorgung beeinflussen. Beide Reformen bieten die Chance, die Behandlungsqualität strukturell zu sichern und die Versorgung noch besser zu gestalten.
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Die Schlaganfallversorgung in Hessen steht heute dank konsequenter Qualitätssicherung und dem Engagement vieler Akteure auf einem hohen Niveau. Aber gute Qualität ist kein Selbstläufer: Sie erfordert kontinuierliches Monitoring, kritische Analyse und den Mut, Prozesse immer wieder zu hinterfragen und weiterzuentwickeln. Der Ausbau digitaler Netzwerke, eine konsequentere sektorenübergreifende Zusammenarbeit und ein stärkerer Fokus auf Ergebnisqualität sind die nächsten Schritte, um die Versorgung auch bei steigender Belastung stabil und zukunftsfähig zu halten.