Clemens Maurer ist Geschäftsführer des Klinikums Darmstadt, dem einzigen Maximalversorger in Südhessen. Im Interview spricht er über die Herausforderungen des Betrieblichen Gesundheitsmanagements (BGM), und wie das vdek-Angebot MEHRWERT:PFLEGE dabei helfen kann.
Maßnahmen zur Gesunderhaltung der Mitarbeitenden sind wichtig, ganz besondere in Krisenzeiten
Herr Maurer, seit eineinhalb Jahren nimmt das Klinikum Darmstadt am Angebot MEHRWERT:PFLEGE teil. Warum haben Sie sich entschieden, externe Unterstützung durch das Angebot MEHRWERT:PFLEGE einzuholen?
Als Krankenhaus der Maximalversorgung mit vier Intensivstationen, einer IMC, 25 OP-Sälen, 22 Fachkliniken und Institute, von der Augenheilkunde bis zur Zentralen Notaufnahme beschäftigen wir rund 1200 Pflegefachkräfte und insgesamt rund 3500 Menschen. Für uns gab es mehrere Gründe externe Unterstützung einzuholen. Zum einen braucht es für ein BGM bei unserer Unternehmensgröße entsprechende finanzielle Mittel, um bedarfsgerecht und nachhaltig Strukturen aufbauen und Maßnahmen umzusetzen zu können. Diese finanziellen Mittel fehlen uns in der aktuellen Lage.
Denn im dritten Pandemiejahr haben die Krankenhäuser keine Reserven mehr. Die Energiekosten, die Inflation, die anstehenden notwendigen Investitionen in Digitalisierung und Klimaschutzmaßnahmen und die kommenden Tarifabschlüsse sind alle nicht refinanziert. Allein die Preisentwicklungen übersteigen ein Mehrfaches der festgelegten Baserate, die die Kliniken erhalten. Und die seit langem viel zu niedrigen Investitionsmittel der Länder verschärfen die Lage Jahr für Jahr. Wir stehen wirklich mit dem Rücken zur Wand.
Dennoch sind alle Maßnahmen zur Gesunderhaltung der Mitarbeitenden wichtig und in diesen Krisenzeiten ganz besonders. Wir haben bereits Anfang 2020 mit der Schaffung der Stabsstelle für Arbeitspsychologie eine wichtige personelle Ressource geschaffen, um unser Betriebliches Gesundheitsmanagement fachlich fundiert und strategisch neu aufzustellen. In komplexen Unternehmensstrukturen wie unseren, war es uns wichtig diese Aufbauarbeit für eine gewisse Zeit extern begleitet zu wissen. Mehrwert:Pflege unterscheidet sich genau in diesem Punkt, nämlich der externen Prozessberatung, deutlich von anderen geförderten Projekten der Krankenkassen. Darüber hinaus empfanden wir den Gesundheitsbaukasten mit den hinterlegten Maßnahmen bedarfsgerecht konzipiert und können heute sagen, dass wir die Maßnahmen thematisch sehr gut im Rahmen unserer Gesamtstrategie platzieren konnten.
Das Corona-Virus hält uns seit über zwei Jahren in Atem und hat auch den Alltag in Krankenhäusern und Pflegeheimen auf den Kopf gestellt. Warum ist aus Ihrer Sicht genau jetzt die richtige Zeit, um das Thema Gesundheit stärker in Betrieben zu verankern?
Wir wissen bereits seit langer Zeit, dass wir im Gesundheitssystem einem eklatanten Fachkräftemangel über alle Berufsgruppen hinweg entgegen blicken. Unseren Entschluss mit mehr Tatkraft das Thema Gesundheit im Betrieb zu verankern, haben wir bereits vor der Pandemie gefasst.
Wir haben einen wichtigen Versorgungsauftrag in Südhessen - unsere Mitarbeitenden stehen den Patient*innen rund um die Uhr an 365 Tagen im Jahr zur Verfügung. Darüber hinaus sind bzw. waren wir COVID koordinierendes Krankenhaus. Wenn wir nach fast 3 Jahren Pandemie eine Bilanz ziehen möchten, dann sehen wir deutlich, welchen Einsatz unsere hoch engagierten Mitarbeitenden geleistet haben, wie sie über ihre Belastungsgrenzen hinweg gearbeitet haben. Wir sehen aber auch, dass diese Mitarbeitenden emotional hoch belastet sind und der enorme Zeitdruck und die hohe Arbeitsdichte nach wie vor an den Kräften zehren. Die Folgen dieser hohen Arbeitsbelastungen, der Fachkräftemangel und die zunehmende Multimorbidität der Patienten*innen spiegeln sich z.B. in steigenden Fehlzeiten oder erschöpftem Personal wider. Deshalb ist es richtig und sinnvoll in die Prävention zu investieren und uns hier stark aufzustellen. Neben den Gesundheitskursen und Präventionsprogrammen setzen wir auf eine externe Mitarbeitendenberatung und haben unser Betriebliches Eingliederungsmanagement als weiteres Präventionsinstrument stärker aufgestellt.
Was sich verändert hat, ist die öffentliche Wahrnehmung der Problematik. Die Rahmenbedingungen und der Personalmangel in Krankenhäusern werden nunmehr auch von der breiten Bevölkerung bewusst wahrgenommen. Aber die Politik muss jetzt auch handeln und für die Krankenhäuser etwas tun.
Wie ist MEHRWERT:PFLEGE bei Ihnen angelaufen, wie sind die Rückmeldungen aus dem Haus/Belegschaft?
Zu Beginn von MEHRWERT:PFLEGE ist der Steuerkreis Gesundheit, der mit allen wichtigen Funktionsträger*innen bzw. Professionen besetzt ist, bewusst zweigleisig gefahren: mit Gesundheitskursen wie Resilienztrainings, Kommunikationsseminaren oder speziellen Angeboten für Führungskräfte haben wir zum einen zeitnah auf den Bedarf in unserem Haus reagiert. Zum anderen wurde der Schwerpunkt auf den Aufbau von Strukturen und Prozessen, einer eingehenden Analyse und die strategische Ausrichtung des BGM gelegt. Wir haben uns konkrete Ziele für die 2 Jahre Projektlaufzeit vorgenommen. Der Schwerpunkt liegt auf den Themen Ergonomie und psychische Gesundheit. Im Bereich der Ergonomie setzen wir beispielsweise über MEHRWERT:PFLEGE das Arbeitsplatzprogramm Rückengesundheit um. Hierbei werden die Mitarbeitenden am Arbeitsplatz zum ergonomischen Arbeiten beraten und von Expert*innen vor Ort geschult. Um die psychische Gesundheit zu fördern, gehen wir bei der Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastungen in die Offensive, weil wir hierüber wichtige Erkenntnisse zur Optimierung von Arbeitsbedingungen erhalten und konkrete Maßnahmen ableiten können.
Darüber hinaus stehen in unserem BGM zwei wichtige Zielgruppen im Fokus: Auszubildende und Führungskräfte. Auszubildende sind die Fachkräfte von morgen. Gesundheitskompetenz aufzubauen, ist die Voraussetzung für ein gesundes Arbeitsleben. Führungskräfte haben wiederum in der Förderung der Mitarbeitendengesundheit eine besondere Hebelwirkung. Sie gestalten Arbeit, agieren als Vorbilder und sind eine wichtige Stellschraube, BGM-Maßnahmen zu kommunizieren und umzusetzen. Mit dem Führungskräfteentwicklungsprogramm von MEHRWERT:Pflege und Seminaren zum gesunden Führen möchten wir gezielte Angebote schaffen, um Führungskompetenzen aufzubauen.
Nicht zuletzt muss BGM erlebbar sein. Für die Mitarbeitenden braucht es daher greifbare Angebote. Unser Anliegen war es, wieder miteinander ins Gespräch zu kommen und Orte der Begegnung zu schaffen. Deshalb finden bei uns in diesem Jahr Gesundheitstage mit vielen attraktiven Angeboten statt.
Wir bekommen von den Mitarbeitenden durchweg positive Rückmeldungen und spüren, dass unser Engagement zu diesem Thema Früchte trägt. Das spiegelt sich auch in der Teilnahmequote von den Angeboten auf den verschiedenen Ebenen wider.
Würden Sie auch anderen Einrichtungen empfehlen, die Prozessberatung von MEHRWERT:PFLEGE durchzuführen und an MEHRWERT:PFLEGE teilzunehmen? Wenn ja, warum?
Auf jeden Fall würde ich anderen Einrichtungen empfehlen, an Mehrwert Pflege oder ähnlichen Projekten teilzunehmen. Wichtig ist, dass das Angebot für die Einrichtung passt. Große Einrichtungen oder diejenigen, die sich zum Thema BGM erst auf den Weg machen, können von der fundierten Prozessberatung profitieren. Denn BGM braucht ein gutes Fundament – meint Strukturen und Prozesse – um nachhaltig wirksam sein zu können. Einzelmaßnahmen verlaufen häufig im Sande und verpuffen in ihrer Wirkung. Dafür braucht man eine Strategie und klare Vorstellungen, wie das im eigenen Haus umgesetzt werden kann. Der Blick von außen und die Möglichkeit jemanden als neutralen Externen an der Seite zu haben ist dabei unheimlich wertvoll. Nicht zuletzt bietet der Gesundheitsbaukasten ein breites Produktportfolio, um passgenaue Angebote für die Mitarbeitenden umzusetzen. Die Koordination der externen Dienstleister wird durch die Prozessberater*innen übernommen und stellt somit eine weitere wichtige Ressource dar.
Vielen Dank.