Interview mit Dr. Frank Volz

Dr. Frank Volz, Transplant-Kids

Dr. Frank Volz ist Vater eines lebertransplantierten Kindes. Heute engagiert er sich bei Transplant-Kids. Im Interview spricht er über medizinische Entscheidungen sowie langfristige Verantwortungen und gibt Einblicke in die Arbeit von Transplant-Kids.

Herr Dr. Volz, wie kam es zur Transplantation Ihres Kindes und was waren die größten Herausforderungen in dieser Zeit?

Unser Sohn hatte kurz nach der Geburt zunächst eine klassische Neugeborenen-Gelbsucht entwickelt, für die aber keine weitere Behandlung nötig war. Nachdem diese quasi von selbst verschwunden war, ging unsere Hebamme in Urlaub. Ihr fiel nach ihrer Rückkehr auf, dass die Gelbfärbung ebenfalls wieder da war - wir selbst und auch unsere Kinderärztin haben das gar nicht so wahrgenommen, zumal die typische Stuhl-Entfärbung erst später sichtbar wurde. Nach einer Blutentnahme, auf der die Hebamme bestanden hatte, war klar: Der Bilirubin-Wert ist viel zu hoch. Es folgten Einweisung in die örtliche Kinderklinik und tags darauf die Überstellung an die Uniklinik Regensburg als ausgewiesenes pädiatrisches Leberzentrum.

In den folgenden gut acht Wochen bewegte sich unser Leben in immer engeren Abständen zwischen Kinderarzt, lokaler Klinik und Leberzentrum – immer verbunden mit endlosen Fahrt- und Wartezeiten und für den Säugling quälenden Blutentnahmen.

Die Entscheidung für eine Lebendspende innerhalb der Familie ist ein tiefgreifender Schritt – mit welchen ethischen, emotionalen und praktischen Überlegungen haben Sie und Ihre Frau sich damals auseinandergesetzt?

Die Leber-Lebendspende ist eine zusätzliche Option für den Fall, dass zum notwendigen Zeitpunkt über Eurotransplant kein passendes Organ zur Verfügung steht. Dass wir bereit waren, für das Überleben unseres Sohnes einen Teil unserer Leber zu spenden, stand für uns Beide als Eltern nie zur Debatte – dafür reichte ein Blickkontakt.

Tatsächlich waren wir aber als Familie zu dieser Zeit quasi auf „Autopilot“, das heißt wir haben für uns zunächst die ethischen und emotionalen Fragen zugunsten der praktischen Vorplanung für einen längeren Krankenhausaufenthalt zurückgestellt. Konfrontiert wurden wir damit erst, als wir diese im Rahmen der Evaluierung, d. h. der umfangreichen Testung, ob man als Lebendspender gesundheitlich infrage kommt, mit einer Ethikkommission zu diskutieren hatten. Das Verfahren vor einem transplantationserfahrenen Mediziner, einem Richter und einem Psychologen dient dazu, einen sogenannten Organhandel zu verhindern und die dort gestellten Fragen gehen schon ans „Eingemachte“.

Die emotionale Achterbahn begann für mich erst als ich meine beiden Patienten morgens an der OP-Tür abgegeben habe, während meine Frau sich damit vor allem in den Stunden, Tagen und Wochen der Erholung nach der OP konfrontiert sah. Meine Frau und mein Sohn kämpfen auch bis heute mal mehr oder mal weniger gegen die Auswirkungen dieses Traumas an.

Transplantationen im Kindesalter gelten als besonders komplex. Welche Besonderheiten gibt es bei Organtransplantationen im Kindesalter im Vergleich zu Erwachsenen – medizinisch, aber auch emotional und sozial?

Neben dem Handwerk des Operateurs, der natürlich wesentlich kleinere Gefäßverbindungen herstellen muss als bei einer Erwachsenentransplantation, ist vor allem ein Problem, dass sich sehr früh transplantierte Kinder nie bewusst krank gefühlt haben. Sie müssen – ganz anders als andere Kinder – Medikamente nehmen und Regeln einhalten. Die Bereitschaft dazu schwankt ständig, auch weil sie sich der Konsequenzen einer Schädigung des Transplantats durch eine Abstoßungsreaktion nicht bewusst sind. Diese Probleme können in der Pubertät und in der Transition, das heißt beim Wechsel in die Erwachsenenmedizin, sich nochmals verstärken. Für uns Eltern heißt das ständige Aufsicht, aber auch einen dauerhaft erhöhten Stresslevel.

Wie erleben Kinder selbst ihre Transplantation und das Leben danach? Wie geht man als Elternteil mit der langen Reise zwischen Hoffen und Bangen um und wie gelingt die Gratwanderung zwischen Fürsorge und Autonomieerhalt?

Die Reise bis zur Transplantation war für uns ja relativ kurz und durch die Option der Lebendspende war ja auch ein positiver Ausgang soweit als möglich vorgezeichnet. Unser Sohn hat als Säugling davon bewusst sehr wenig mitbekommen. Schwierig ist der altersgemäße Umgang sowohl mit dem betroffene, transplantierten Kind, aber auch mit seiner Schwester, die ja immer das Gefühl hat, hinter ihrem Bruder zurückstehen zu müssen. Jeder Schritt hinzu mehr Verständnis und in Richtung Selbständigkeit erfordern viele Antworten auf Kinderfragen und viel Geduld bei den Erklärungen, warum muss ich dies und warum darf ich das nicht. Kurze Auszeiten und die Verknüpfung von Ambulanzterminen in Regensburg mit positiven Erlebnissen helfen uns dabei.

Sie engagieren sich bei Transplant-Kids e.V. - was hat Sie dazu bewegt und wie unterstützen Sie dort andere betroffene Familien?

Wir haben selbst die Erfahrung gemacht, wieviel Nutzen und Hoffnung wir aus den Erfahrungen anderer Eltern transplantierter Kinder bzw. von anderen Transplantierten ziehen konnten. Diese Hilfe möchten zurückgeben und denen helfen, die diesen Weg noch vor sich haben.

Konkret vernetzen wir Familien mit transplantierten Kindern in unserer Region und stehen mit Rat und Tat und vor allem unserem Netzwerk zur Verfügung. Für den Verein Transplant-Kids e.V. versuchen wir Spendengelder zu generieren, damit wir einmal jährlich betroffene Familien zu Familiencamps bzw. betroffene Kinder und ihre Geschwister zu einem Segelcamp zusammenbringen können. Außerdem arbeiten wir in verschiedenen Gremien mit, wie z. B. bei der Initiative Organspende Hessen oder im Europäischen Referenz-Netzwerk „TransplantChild“.