Welche Hauptaufgaben hat die Kommission für Lebendspenden, und wann wird sie in den Prozess einer Organtransplantation eingeschaltet?
Die Lebendspendekommission überprüft die Freiwilligkeit der Einwilligung in die Organspende und das das Organ nicht Gegenstand eines verbotenen Handelstreibens ist. Eine Lebendorganspende darf nur dann durchgeführt werden, wenn die Kommission dazu in einem Gutachten Stellung genommen hat. Zur Unterbindung des Organhandels prüft die Kommission, ob die spendende Person freiwillig in die Organspende eingewilligt hat und es keine finanziellen oder andere sachwidrige Beweggründe gibt. Die Kommission besteht aus einer unabhängigen Ärztin oder einem unabhängigen Arzt - in Hessen eine Chirurgin oder ein Chirurg -, einem Juristen mit der Befähigung zum Richteramt und einer in psychologischen Fragen ausgebildeten erfahrenen Person (in Hessen ein/e Facharzt/Fachärztin für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie).
Welche rechtlichen und ethischen Kriterien müssen erfüllt sein, damit eine Lebendspende genehmigt wird?
Für eine Lebendorganspende müssen spendende und empfangende Person strenge Voraussetzungen erfüllen, die dazu dienen, die medizinischen Risiken der Transplantation so gering wie möglich zu halten. Vor der Organentnahme wird in umfangreichen medizinischen und psychologischen Einzelgesprächen über die Risiken aufgeklärt und die Freiwilligkeit der Lebendorganspende sichergestellt.
So wird durch die Transplantationszentren im Vorfeld geprüft, ob die Spenderperson volljährig und einwilligungsfähig und nach ärztlicher Beurteilung auf Basis medizinischer Untersuchungen in einem guten Gesundheitszustand ist, so dass der Eingriff kein großes Risiko darstellt. Zudem wird geprüft, ob nach Vorgabe des § 8 Abs. 4 S. 2 TPG der Spender mit dem Empfänger verwandt ist oder ihm in besonderer persönlicher Verbundenheit nahesteht (Verwandte ersten oder zweiten Grades, Ehegatten, eingetragene Lebenspartner, Verlobte oder sehr enge Freunde). Die Spenderperson ist weiter gemäß § 8 Abs. 2 TPG umfangreich durch einen Arzt über die Art des Eingriffs, die durchzuführenden Untersuchungen, Risiken und mögliche Folgen des Eingriffs, Maßnahmen zu ihrem Schutz und die zu erwartende Erfolgsaussicht der Transplantation aufzuklären. Die Aufklärung des Spenders hat in Anwesenheit eines weiteren Arztes zu erfolgen,
der weder an der Entnahme noch an der Übertragung des Organs beteiligt ist. Schließlich muss der Spender freiwillig in die Entnahme einwilligen und sich zur Teilnahme an einer ärztlich empfohlenen Nachbetreuung bereit erklären.
Wie stellt die Kommission sicher, dass der potentielle Spender/die potentielle Spenderin freiwillig handelt und nicht unter Druck gesetzt wurde?
Dies lässt sich nur durch sorgfältiges Studium der Patientenunterlagen und eingehende Befragung des Spenders sowohl durch das Transplantationszentrum als auch die Kommission bewerkstelligen. Im Rahmen dieser Gespräche, in denen nachgefragt wird, inwieweit sich der Spender mit dem gesamten Vorhaben befasst und auseinandergesetzt hat, werden auch Fragen zum persönlichen Verhältnis von Spender zu Empfänger sowie den familiären Verhältnissen der spendenden Person gestellt. Soweit die Antworten schlüssig sind und sich keine Ungereimtheiten oder gar Widersprüche offenbaren, ist davon auszugehen, dass der Entschluss zur Organspende freiwillig erfolgt ist.
Welche Rolle spielt die Aufklärung des Spenders über medizinische Risiken und mögliche Langzeitfolgen bei ihrer Entscheidung?
Der Aufklärung kommt besondere Bedeutung zu. Erst wenn der Spender die Vor- und Nachteile - etwaige Risiken der Operation selbst und mögliche Langzeitfolgen - kennt, ist er überhaupt in der Lage das Risiko abzuwägen und für sich eine Entscheidung zu treffen, ob er den Eingriff vornehmen lassen möchte. Aus diesem Grund ist die Aufklärung durch die Transplantationszentren umfangreich und dieser Punkt auch Schwerpunkt der Befragung durch die Kommission.
Werden auch psychologische Gutachten eingeholt, und falls ja, in welchem Umfang fließen diese in die Entscheidung der Kommission ein?
Aufklärung und Beratung erfolgen bereits in den Transplantationszentren durch psychologisch versierte Ärztinnen und Ärzte. Regelmäßig wird eine psychologisch-psychiatrische Stellungnahme eingeholt, deren Ergebnis dann letztendlich in die Entscheidung der Kommission mit einfließt.
Welche besonderen Herausforderungen stellen sich bei Lebendspenden zwischen nicht verwandten oder nur entfernt bekannten Personen?
Bei Verwandten ersten oder zweiten Grades, Ehegatten, eingetragene Lebenspartner und Verlobten gibt der Gesetzgeber „grünes Licht“ vor, so dass es diesbezüglich seitens der Kommission keiner Entscheidung bedarf. Alle anderen Personen müssen nach § 8 Abs. 4 S. 2 TPG dem Spender in besonderer persönlicher Verbundenheit offenkundig nahestehen. Bei diesen Formulierungen - besondere Verbundenheit, offenkundig, Näheverhältnis - handelt es sich um sog. auslegungsbedürftige Rechtsbegriffe, die der Wertung durch die Kommission bedürfen.
Hier eine Entscheidung zu finden ist insbesondere in Fällen mit Auslandsberührung und damit verbundenen unterschiedlichen Wertvorstellungen und kulturellen, auch religiös geprägten Gebräuchen zwischen Spender und Empfänger manchmal nicht einfach. Dies gilt insbesondere dann, wenn die Spenderperson der deutsche Sprache nicht mächtig ist und ein Dolmetscher erforderlich ist, der naturgemäß nur einen indirekten Eindruck der Beantwortung der Fragen der Kommission mitteilen kann.
Wie gehen Sie mit Grenzfällen um, bei denen die Freiwilligkeit des Spenders nicht eindeutig ist?
Sofern Zweifel an der Freiwilligkeit bestehen, muss die Befragung intensiviert werden. Gegebenenfalls muss sie zur Beratung durch die Kommissionsmitglieder unterbrochen und dann erneut aufgenommen werden. Die Entscheidung, ob Freiwilligkeit gegeben ist, erfolgt durch Abstimmung. Da die drei Kommissionsmitgliedern gleichermaßen stimmberechtigt sind, kommt auf jeden Fall ein Votum zustande.
Gab es Fälle, in denen Sie eine Lebendspende abgelehnt haben? Falls ja, aus welchen Gründen?
2 Fälle wurden abgelehnt, weil die "Freiwilligkeit" und ein "möglicher Organhandel" nicht ausgeschlossen werden konnten.
Wie bewerten Sie die aktuelle gesetzliche Regelung zur Lebendspende in Deutschland - sehen Sie Änderungsbedarf, und wenn ja, welchen?
Die personellen Beschränkungen auf die Personenkreise in § 8 TPG beschränkt naturgemäß auch die Anzahl der zu Verfügung stehenden Organe. Aus diesem Grund entstand der Gedanke der sogenannten Cross-Over-Lebendspende. Die gesetzlichen Vorgaben hierfür waren im Wesentlichen ausgearbeitet, ein Gesetz kam aber in der letzten Legislaturperiode nicht mehr zustande. Eine Überkreuz-Lebendspende ist medizinisch möglich, wenn zwei Spender-Empfänger-Paare gefunden werden, deren Blutgruppen und Gewebemerkmale zueinander passen. Der Empfänger von Paar 1 erhält die Niere des Spenders von Paar 2 und umgekehrt. Der organisatorische Aufwand ist hoch: Die Paare müssen sich persönlich kennen lernen und vor einer Kommission glaubhaft versichern, dass die Bereitschaft besteht, dem jeweils anderen Empfänger das Organ zu spenden. Ein „Ringtausch“ oder eine „Pool-Spende“, der bzw. die jeweils mehrere Spender und Empfänger einschließen, sind - anders als in einigen europäischen Ländern - in der Bundesrepublik Deutschland nicht zulässig.