Herr Kummer, gab´s aus Ihrer Sicht große gesundheitspolitische Überraschungen im Koalitionsvertrag?
Überraschungen gab es eher nicht. Der Vertrag benennt eine Reihe von Handlungsfeldern, die aus unserer Sicht für die weitere Gestaltung der Versorgung zentral sind. Er liefert damit gute Anknüpfungspunkte für gesundheitspolitische Initiativen.
Das über die Grenzen Niedersachsens hinaus beachtete neue Niedersächsische Krankenhausgesetz (NKHG) ist ja bereits zum Ende der vergangenen Wahlperiode verabschiedet worden. Wie soll es damit weitergehen?
Im Koalitionsvertrag steht, dass die mit dem NKHG angestoßene Reform konsequent umgesetzt wird. Sofern damit die im Gesetz angelegte klare Umstrukturierung der Versorgungsangebote im Zuge einer aktiven Krankenhausplanung gemeint ist, entspricht dies der Forderung des vdek. Wichtig auch in diesem Zusammenhang ist die Ankündigung einer deutlichen Erhöhung der jährlichen Investitionsmittel.
Darüber hinaus ist die Rede von Regionalen Gesundheitszentren (RGZ). Was halten Sie davon?
Wir begrüßen, dass die Förderung Regionaler Gesundheitszentren mit Hinweis auf die Aufgabe nicht tragfähiger Krankenhäuser ausgeweitet werden soll. Das gilt ebenso für die angestrebte Verzahnung ambulanter und stationärer Angebote durch RGZ. Dieser Aspekt fehlte bislang im RGZ-Konzept des Landes. Aus Sicht des vdek bedarf es aber klarer Kriterien für Standorte wie zum Beispiel hausärztliche Unterversorgung. Auch bestimmte Standards wie etwa die personelle Ausstattung müssen klar definiert sein.
Von immer größerer Bedeutung ist das Thema Pflege. Wie bewerten Sie hierzu die Ausführungen im Koalitionsvertrag?
Es ist gut, dass die Koalitionäre mehr Kurzzeitpflegeplätze in Aussicht stellen, die dringend benötigt werden. Auch den Plan, ein Landespflegeportal einzurichten und damit bei der Suche nach einem Pflegeplatz zu helfen, findet bei uns Zustimmung. Nicht aufgegriffen dagegen ist die vdek-Forderung, Pflegeheimbewohner finanziell zu entlasten, indem das Land die Investitionskosten für stationäre Pflegeeinrichtungen übernimmt. Das ist für die Betroffenen bedauerlich.
Was beabsichtigt die Koalition gegen den Mangel an Pflegekräften zu tun?
Zur Fachkräftesicherung in der Pflege kündigen die Koalitionäre diverse Vorhaben an, etwa eine einjährige Assistenzausbildung und eine Verstetigung des Freiwilligen Sozialen Jahres in der Pflege sowie eine beschleunigte Anerkennung ausländischer Berufsabschlüsse. Der Bedarf für solche Initiativen ist auf jeden Fall vorhanden.
Zum Schluss noch ein Wort zum in der Öffentlichkeit vielfach beklagten Mangel an niedergelassenen Ärztinnen und Ärzten.
Im Koalitionsvertrag heißt es sehr allgemein, man wolle „besondere Anstrengungen unternehmen, die ärztliche Versorgung sicherzustellen“. Dem dürfte wohl niemand widersprechen. Allerdings bleibt der Weg dorthin ungewiss. Die Forderung, die bundesweite Bedarfsplanung zu ändern und so eine bessere Ärzteverteilung zu ermöglichen, weist erst einmal weg von landespolitischen Gestaltungsmöglichkeiten.
Was könnte denn die Landespolitik bewirken?
Das Land könnte ganz konkret mehr Medizin-Studienplätze schaffen. Die Zahl der Studienplätze ist weiterhin der begrenzende Faktor beim ärztlichen Nachwuchs, denn das Interesse an dem Beruf ist ungebrochen groß. Die Koalitionäre stellen leider nur sehr vage in Aussicht, die Kapazitäten bedarfsgerecht auszubauen.