Neujahrsempfang2011
Grußworte/Reden des Ersatzkassenverbandes in Thüringen
Begrüßung anlässlich des gesundheitspolitischen Neujahrsforums unter dem Thema „Wie sieht die Zukunft der solidarischen Krankenversicherung aus?“
am 24. Januar 2011 in Erfurt
Sehr geehrte Damen und Herren,
ich begrüße Sie alle sehr herzlich zu unserem Neujahrsempfang und wünsche Ihnen für das neue Jahr 2011 vor allem viel Gesundheit und jede Menge Kraft für positive Entscheidungen, besonders wenn diese mit unseren übereinstimmen.
Es gab Zeiten und Kulturen, in denen Krankheit schicksalhaft erfahren und ertragen werden musste. In anderen Kulturen wurden Krankheiten mit Mystik, Kräuter und medizinischem Halbwissen bekämpft. Unser Zeitalter heute ist gezeichnet von der Beherrschbarkeit der meisten Krankheiten.
Was wir jedoch noch immer nicht zu beherrschen scheinen, sind die Finanzen. Auch das Gesetz zur nachhaltigen und sozial ausgewogenen Finanzierung der gesetzlichen Krankenversicherung wird dieses Problem eben nicht nachhaltig lösen.
Spätestens mit Beginn des nächsten Jahres 2012 dürfte allen klar werden, dass sich das bisher solidarisch finanzierte Krankenversicherungssystem weiter entscheidend verändert hat: dass sich die heute noch fast paritätische Finanzierung einseitig zu Lasten der Arbeitnehmer verschoben hat. Schon heute ist absehbar, dass es bei den Versicherten wohl nicht bei dem Beitragsaufschlag von 0,6 Prozentpunkten bleiben wird. Nach aktuellen Prognosen des Bundesversicherungsamtes (BVA) werden in diesem Jahr noch mehr als die bisherigen 13 Krankenkassen Zusatzbeiträge erheben müssen und damit ausschließlich den Arbeitnehmer belasten. Damit ist politisch vorbereitet der Einstieg in das Kopfpauschalenmodell.
Sehr geehrte Damen und Herren,
als Interessenvertretung und als Dienstleister sind wir für unsere Ersatzkassen nunmehr seit 20 Jahren in Thüringen aktiv. Ich selbst habe davon rund 15 Jahre mitgewirkt. Als vdek haben wir in dieser Zeit neue Formen der Vertragsgestaltungen und Honorarentwicklungen mit Ärzten, Zahnärzten und weiteren Vertragspartnern zum Wohle der Versichertenversorgung in Thüringen entwickelt und ausgestaltet.
Seit 20 Jahren schreiben wir als vdek-Landesvertretung ein Stückchen Thüringer Geschichte mit. Für mich ist es beeindruckend, was wir hier alle gemeinsam in diesen Jahren bewegt haben!
Was haben wir aber nun im letzten Jahr 2010 geschafft und was haben wir uns für 2011 vorgenommen?
Im Januar des vergangenen Jahres sind wir an die Öffentlichkeit gegangen und haben über die Benotungen von Pflegedienstleistern in unseren Pflegeheimen informiert. Die Thüringer Medien haben diesen Prozess sehr objektiv und sachlich begleitet und nicht wie zum Teil in anderen Bundesländern zur Verunsicherung in der Bevölkerung beigetragen. Ganz herzlichen Dank hierfür.
Mittlerweile sind für Verbraucher Informationen zur Pflegequalität für weit über zwei Drittel der Thüringer Pflegeeinrichtungen über www.Pflegelotse.de abrufbar.
Und bis zur Mitte des Jahres werden von fast allen ambulanten und stationären Pflegeeinrichtungen in Thüringen Pflegenoten veröffentlicht sein. Selbstverständlich wollen wir in der Qualitätsprüfung der Pflegeeinrichtungen durch den MDK auch die PKV mit einbinden. Wir können jede Art der Entlastung gebrauchen. Jedoch ist es kein konstruktiver Weg, hier irgendwelche gesundheitspolitischen Grundsatzforderungen über Gericht einzuklagen. Unsere Dialogbereitschaft besteht auch weiterhin, auch wenn diese bisher von der PKV abgelehnt wurde.
Um schwerstkranken Menschen eine medizinisch-pflegerische Betreuung zu Hause im Kreise ihrer Angehörigen auch am Ende ihres Lebensweges zu ermöglichen, haben wir ein Vertragsmodell zur "Spezialisierten Ambulanten Palliativversorgung“ (SAPV) entwickelt. Doch während sich die Verhandlungen mit potentiellen Vertragspartnern zur Umsetzung des Vertrages noch im Februar 2010 als äußerst schwierig gestalteten, steht diese neue Leistung inzwischen mehr als einer Millionen Thüringern zur Verfügung. Wir hoffen, bald eine flächendeckende Versorgung vorzuhalten.
Fast ohne Unterlass wurde die Diskussion zur ärztlichen Versorgungssituation zu Recht auch in unserem Freistaat Thüringen geführt. Gern nahm die Öffentlichkeit berufspolitisch geprägte emotionale Positionen ärztlicher Standesvertreter auf. Oftmals wurde diese Öffentlichkeit auch immer wieder durch neue und dramatischere Zahlen irritiert und verunsichert. Nur Lösungsvorschläge kamen aus dieser Ecke nicht, sieht man einmal vom Ruf „nach mehr Geld“ ab.
In der anhaltenden Diskussion fordern wir immer wieder mehr Sachlichkeit ein. Mit Schwarzmalerei ist keinem geholfen! Uns war und ist es auch heute noch wichtig, auf gesicherte Zahlen zu schauen, um Fakten und nicht nur gefühlte Eindrücke und Vermutungen sprechen zu lassen. In der Juni-Ausgabe des Thüringer vdek-Reports informierten wir aus diesem Grunde mit unseren Beiträgen über wesentliche Entwicklungen in der medizinischen Versorgung und stellten sektorenübergreifende Lösungsansätze vor. In Folge dieser Darstellung rumorte es, auch im Thüringer Landtag. Nicht zuletzt waren es auch unsere Informationen, welche neben einer aktuellen Stunde im Landtag zu weiteren Positionierungen und Maßnahmen der Fraktionen führten.
In entsprechenden Veranstaltungen und Arbeitsgruppen sind wir mit unseren Analysen und unseren Vorstellungen gern gesehene Gesprächsteilnehmer. Waren wir dabei zunächst meist die Prügelknaben, nimmt man uns heute mehr und mehr als konstruktiv, kreativ und zielorientiert im Sinne einer zukunftssichernden und zukunftsnotwendigen ärztlichen Versorgung in Thüringen wahr. Wir werden aus der gegebenen Situation heraus, realitätsnah gestalten und nicht emotional Politik betreiben.
Wenn wir über die medizinische Versorgung unserer immer älter werdenden Versicherten im Freistaat Thüringen sprechen, dann müssen wir uns richtigerweise auch mit den immer älter werdenden Ärzten in den Niederlassungen auseinandersetzen.
Einerseits wissen wir, hier drohen bestimmte Engpässe, andererseits haben wir jedoch in Deutschland ein Überangebot an Ärzten. Allerdings ist deren Verteilung ein Problem.
Hinzu kommt, dass bei all unseren Überlegungen eine sektorale Versorgung über den Bereich der Krankenhäuser uns auch nicht viel weiter hilft.
Denn in diesem spezifischen Versorgungsbereich halten Krankenhäuser keine Kapazitäten vor. Es wird also darauf ankommen müssen, einen Mix aus Maßnahmen anzubieten, und sich mit Blick auf die demografische Entwicklung auf veränderte Versorgungsbedürfnisse wie altersassoziierte und chronisch-degenerative Erkrankungen vorzubereiten. Was wir uns u. a. vorstellen sind neben Medizinischen Versorgungszentren mit bisher noch nicht praktizierten Trägerschaften arztentlastende Strukturen durch eine besondere Qualifizierung von Krankenpflegepersonal und innovative Versorgungsangebote z. B. mittels Telemedizin. Weitere Ideen stehen hier noch im Raum und sollten weiterentwickelt werden.
Im August stand der 6. Thüringer Krankenhausplan in der Diskussion. Anhand einer eigenen Analyse brachten wir Zündstoff in die offene Diskussion: Wir schlugen vor, durch die Konzentration einzelner Krankenhausabteilungen nicht nur die Leistungsfähigkeit der Krankenhäuser weiter zu verbessern, sondern gleichzeitig auch die Ärztesituation ohne Qualitätsverlust zu entspannen. Zumindest trafen wir damit auf Interesse manch eines Gesundheitsexperten.
Neue Wege sind wir Ersatzkassen in der Versorgung psychiatrisch Erkrankter gegangen. Aufgrund der positiven Erfahrungen und zur weiteren Verbesserung der sektorenübergreifenden Behandlung wurde eine Fortführung des von uns gestarteten Modells, zunächst bis Ende diesen Jahres, vereinbart.
Selbsthilfe, und damit die ehrenamtliche Tätigkeit, wird in Thüringen auch von uns ganz groß geschrieben! Neben einer finanziellen Förderung, welche im letzten Jahr bei einer Millionen Euro lag, arbeiten wir auch in zahlreichen Gremien und Vorständen der Selbsthilfe aktiv mit.
Sehr geehrte Damen und Herren,
der politische Wirbel um die Gesundheit wird uns nicht los lassen. Schlagworte wie Pflegereform, Versorgungsgesetz, Zusatzbeiträge, Wahlmöglichkeiten,
Zweibettzimmer, Datenchaos in Apotheken
stehen jetzt schon auf der Jahresagenda. Spätestens dann, wenn die Debatte über mögliche Leistungserweiterungen oder -beschränkungen wieder aufgenommen wird, wird sich die Frage nach der Finanzierbarkeit einer solidarischen Krankenversicherung neu stellen. Deshalb auch heute hierzu der Schwerpunkt des Neujahrsempfangs.
Den fachlichen Herausforderungen werden wir uns als vdek-Landesvertretung auch im neuen Jahr wieder stellen.
Als Gesprächspartner werden wir die Dialoge mit den Gesundheitspolitikern des Landes, auch zur nächsten Pflegereform, suchen und uns einmischen.
Wir werden auch die beabsichtige Novellierung des Thüringer Krankenhausgesetzes begleiten und unsere konkreten Vorstellungen zur Vorgabe von Qualitätskriterien vortragen. Darüber hinaus werden wir die Leistungsfähigkeit und Bedarfsnotwendigkeit der so genannten „Kleinen“ Fachabteilungen im Krankenhaus bis Ende nächsten Jahres begleiten. Im Ergebnis der Überprüfung müssen klare Zukunftsperspektiven für die Bevölkerung, die Region und den Krankenhausträger aufgezeigt werden.
Wir werden uns der Herausforderung stellen, die Strukturen für die sektorenübergreifende Qualitätssicherung im Jahr 2011 zu schaffen.
Wir werden in diesem Jahr zur Einführung der elektronischen Gesundheitskarte Vergütungs- bzw. Finanzierungsvereinbarung mit der Kassenärztlichen und der Kassenzahnärztlichen Vereinigung schließen.
Wir werden uns weiterhin in die Diskussionen zur Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung einbringen.
Wir werden uns stark machen für einen Abschluss einer Zielvereinbarung zur Einsparung von Arzneimittelkosten.
Wir werden uns für die praktikable und mit dem Ministerium vereinbarte Durchführung des Modellprojektes „Pflegestützpunkte“ einsetzten.
Ein wichtiges Datum ist die Sozialwahl der GKV am 1.6.2011. Hier entscheidet sich in der größten freien Wahl der Bundesrepublik, wie sich die GKV künftig aufstellt.
Sehr geehrte Damen und Herren,
ich bitte um Ihr Verständnis, dass ich nicht alle Highlights der Landesvertretung mit Sicht auf die Vergangenheit und in die Zukunft aufzählen kann. Vieles habe ich nicht erwähnen können:
unsere Arbeit in der Landesarbeitsgemeinschaft für Jugendzahnpflege,
unsere Arbeit in der Landesarbeitsgemeinschaft für Gesundheitsförderung – AGETHUR,
unsere Arbeit in allen Arbeitsgruppen Gesundheitsziele,
unsere Arbeit im Vorstand der Thüringer Krebsgesellschaft
und im Vorstand der Rheuma-Liga
und und und.
Ich möchte mich an dieser Stelle zum einen bei Ihnen, sehr geehrte Gäste und auch bei meinen Mitarbeitern für die geleistete Arbeit des vergangenen Jahres bedanken und setze gleichzeitig mit allen Beteiligten auf ein kreatives und konstruktives Jahr 2011. Ich denke, dass sich das hiesige Gesundheitswesen über viele Jahre hinweg durch ein konstruktives Miteinander ausgezeichnet hat.
Gemeinsam wollen wir weiterhin etwas für die Menschen unseres Landes erreichen, jeder an seinem Platz. Mit uns können Sie weiter rechnen.
Ich danke Ihnen für ihre Aufmerksamkeit!
Michael Domrös
Verband der Ersatzkassen e. V.
Leiter der Landesvertretung Thüringen
Anfragen richten Sie bitte an:
Kerstin Keding
Tel.: 03 61 / 4 42 52 - 27
eMail: Kerstin.Keding@vdak-aev.de