Rettungsdienst

Grußworte/Reden des Ersatzkassenverbandes in Thüringen

Thüringer Rettungsdienstkongress „Rettungsdienstgesetz Thüringen aus Sicht der Kostenträger“

4. April 2008, Erfurt

Redebeitrag
Michael Domrös
Leiter der VdAK/AEV-Landesvertretung Thüringen

- es gilt das gesprochene Wort -


Sehr geehrte Damen und Herren,

ich bedanke mich herzlich für die Einladung zu Ihrem Notfall-, Notarzt- und Rettungsdienstkongress. Ich bin Ihrer Einladung sehr gern gefolgt, gibt sie mir doch die Möglichkeit, zum Gesetzentwurf der Thüringer Landesregierung nochmals auf einzelne Problembereiche aufmerksam zu machen.
Das Thüringer Rettungsdienstgesetz stammt aus dem Jahr 1992 und bedurfte unserer Meinung nach schon lange einer grundlegenden Überarbeitung. Allein ein Blick auf die teilweise exorbitanten Kostenentwicklungen in den zurückliegenden Jahren im Bereich des Rettungswesens ließ – um es vorsichtig zu formulieren - auf ein „wahrnehmbares Maß an Unwirtschaftlichkeit“ schließen: eine Verpflichtung zu Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit fehlte. Dass diese Verpflichtung zu Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit im vorliegenden Gesetzentwurf berücksichtigt wurde, ist positiv zu werten; eine konsequente Umsetzung erfolgt aber im Gesetz nicht. Um es kurz zu sagen: Der vorliegende Gesetzentwurf und der offensichtliche Gedanke, die Kommunen als Aufgabenträger völlig von allen Kosten eines hoch qualifizierten Rettungsdienstes zu entlasten, würde zwangsläufig dazu führen, dass die Vorhaltung im Rettungsdienst in seiner Gesamtheit immer das Maß des Notwendigen übersteigen und damit die Kosten erhöht würden, was wiederum unwirtschaftlich sein wird.
Als Vertreter der Ersatzkassenverbände füge ich noch hinzu, dass jeder zusätzliche EURO unsere Versicherten auch zusätzlich belastet. In Zeiten knapper Haushaltskassen dürfte dabei jedem von ihnen klar sein, welche Auswirkungen aus weiteren finanziellen Belastungen drohen.

Verehrte Anwesende,

als Ersatzkassenverbände haben wir gemeinsam mit allen anderen Thüringer Krankenkassenverbänden bereits am 14. März 2008 anlässlich einer öffentlichen Anhörung im Thüringer Landtag deutliche Nachbesserungen zur vorliegenden Gesetzesnovelle gefordert und ebenso Vorschläge für eine umfassende und effiziente Reform unterbreitet.
Im Folgenden haben wir auf drei Problembereiche verwiesen:
1. auf die fehlende Begrenzung der Anzahl der Leitstellen und auf die fehlende Begrenzung der Anzahl der ärztlichen Leiter Rettungsdienst auf das bedarfsnotwendige Maß,
2. auf den Verzicht auf Synergieeffekte durch Bildung von Rettungsdienstzweckverbänden und
3. auf die weitere Festschreibung einer starren Kostendeckung mit mangelndem Anreiz zu Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit.

Was verbirgt sich im Einzelnen dahinter?

Zentrale Leitstellen in Thüringen
In Thüringen haben wir derzeit 14 Leitstellen. Im Vergleich zu anderen Bundesländern liegen wir damit weit über dem Bedarf. Thüringen ist das einzige neue Bundesland mit einer zweistelligen Anzahl von Leitstellen. Unserer Meinung nach sollte es in Thüringen durchaus möglich sein, mit viel weniger Leitstellen wirtschaftlich und effizient zu arbeiten, um eine effektive Koordinierung des Rettungsdienstes im gesamten Freistaat zu ermöglichen.

Benutzungsentgelte für die notärztliche Versorgung

Die Sicherstellung für die notärztliche Versorgung im Rettungsdienst obliegt der Kassenärztlichen Vereinigung Thüringen, was grundsätzlich zu begrüßen ist. Die Bereitstellung von Notärzten erfolgt nach den Vorstellungen des Landesgesetzgebers in erster Linie durch die Krankenhäuser. Allerdings sollen die Kosten für die Sicherstellung der notärztlichen Versorgung zwischen Kassenärztlicher Vereinigung und Krankenhäusern ohne wirkliches Mitspracherecht der Kassen vereinbart werden. Kommt keine Vereinbarung zustande, soll eine Schiedsstelle entscheiden. Die Kassen könnten dem praktisch nur noch zustimmen oder würden per Satzung verpflichtet, die Kosten zu tragen.
Eine solche Regelung ist für uns Ersatzkassenverbände nicht hinnehmbar. Hier sollen Kosten zwischen zwei Parteien zu Lasten einer Dritten vereinbart werden.
Wir fordern deshalb eine gleichberechtigte Beteiligung an der Entscheidung zur Höhe der Finanzierung. Die Kostenverhandlungen müssen auf der Basis der notwendigen Bereitstellung von Notärzten unter Beteiligung der Krankenkassen mit vollem Stimmrecht erfolgen.
Unstrittig ist unserer Meinung dabei, unsere Bereitschaft, notwendige Kosten mitzutragen, wenn deren Wirtschaftlichkeit gegeben ist.

Uneinbringliche Forderungen und Fehleinsätze
Ein jeder von Ihnen, sehr geehrte Damen und Herren, weiß, wer die Musik bestellt, muss sie auch zahlen. Das ist eine faire Regelung wie ich meine. Was ist aber, wenn ich diese Überlegung auf den Thüringer Rettungsdienst anwende?
Hier sollen wir als Krankenkassen verpflichtet werden, uneinbringliche Forderungen und Fehleinsätze zu begleichen. Keine Krankenkasse ist verpflichtet, für die Schuld anderer einzustehen. Ebenso sind Krankenkassen nicht verpflichtet, umfassend die Kosten des Rettungsdienstes bei Fehleinsätzen zu übernehmen. Unsere Leistungspflicht beschränkt sich lediglich auf unsere Versicherten. Diese Positionen sind durch Rechtsprechung gesichert.
Die vorliegende Version des Rettungsdienstgesetzes begründet unserer Meinung nach Rechtsunsicherheit und provoziert Klagen.

Als Vertreter der Ersatzkassenverbände in Thüringen sollte ich Sie ebenso auf folgende Problembereiche aufmerksam machen:
1. Die Rettungsdienstbereiche inklusive der Anzahl der ärztlichen Leiter dürfen sich nicht mehr an den kommunalen Grenzen orientieren, sondern am tatsächlichen Bedarf – statt 18 Rettungsdienstbereichen sind große Rettungszweckverbände wie in Ostthüringen und Südthüringen notwendig.
2. Neue Krankentransportunternehmen dürfen nur nach vorheriger Bedarfsprüfung zugelassen werden.  

Sehr geehrte Damen und Herren,

zum Schluss möchte ich die Gelegenheit nicht verpassen, Sie auf die direkten Auswirkungen durch die Verabschiedung des neuen Rettungsdienstgesetzes hinzuweisen:
Sollte die Gesetzesnovelle ohne umfassende Änderungen Realität werden, prognostizieren wir schon heute einen unwirtschaftlichen Rettungsdienst im Freistaat mit jährlichen Mehrkosten von deutlich über 10 Millionen Euro, ohne dass dadurch eine spürbare Verbesserung der Versorgungsqualität der Versicherten erreicht wäre. Diese höheren Kosten wären ausschließlich von den Versicherten zu tragen.

Als Ersatzkassen appellieren wir dringend, die historische Chance, welche diese Novellierung bietet, nicht ungenutzt zu lassen. Der sozialrechtliche Grundsatz der Beitragsstabilität und die Verpflichtung zum wirtschaftlichen Umgang mit Beitragsmitteln müssen auch im Rettungsdienst durchsetzbar sein.
In Thüringen haben wir im bundesdeutschen Vergleich ein hohes Qualitätsniveau im Rettungsdienst! Als Krankenkassen sind wir selbstverständlich daran interessiert, dies auch zu erhalten. Dass das nicht zum Nulltarif möglich ist, wissen wir. Aber wir bitten nicht nur darum, wir fordern das Land auf, sich dieser großen Herausforderung im Interesse aller Beteiligten im Sinne von Wirtschaftlichkeit und Effizienz und im Interesse seiner Bürgerinnen und Bürger auch zu stellen.

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.


Anfragen richten Sie bitte an:

Kerstin Keding
Tel.: 03 61 / 4 42 52 - 27
eMail: Kerstin.Keding@vdak-aev.de