Prävention und Gesundheitsförderung in Zeiten von Corona
Wie beeinflusst die Corona-Pandemie Ihre aktuelle Arbeit?
Nach meiner persönlichen Erfahrung kann eine persönliche Ansprache „face to face“ nur für eine kurze Überbrückungszeit durch Telefonate und digitale Zusammenarbeit ersetzt werden, und auch nur, wenn ein persönliches Kennenlernen im Vorfeld erfolgte. Der Kontakt zum Kunden und das bislang aufgebaute Vertrauen werden sukzessive geringer. Anfangs reagieren die Kunden auf die alternativen Angebote, aber nach mehreren Wochen verliert sich das Interesse und die Kontaktaufnahme wird immer schwieriger. Kunden reagieren nicht mehr auf Anrufversuche und „versinken“ in ihrem häuslichen Umfeld, isolieren sich mehr und mehr. Ebenso schwierig ist es, Netzwerkpartner mit ins Boot zu holen und als zusätzliche Unterstützung der Kunden zu installieren. Das liegt nicht zuletzt an der Nutzung unterschiedlicher digitaler Programme und unzureichender Nutzungskenntnisse des Fachpersonals (mir inclusive). Auch Tür-und-Angel-Gespräche, in denen oftmals wichtige Aspekte ans Tageslicht kommen, fehlen. Es wird quasi nur telefoniert, wenn ein konkreter Anlass vorliegt. Viele Informationen, die ansonsten bei persönlichem Zusammentreffen ausgetauscht werden, teilweise auch als „Nebenprodukt“, entfallen und fehlen bei der Bedarfsermittlung oder erschweren eine Situationsanalyse, um Lösungswege zu erarbeiten. Schlussendlich ersetzen Telefonate und Webinare nicht die Informationen, die durch Gestik und Mimik des Gegenübers gesendet werden.
Welche Wege gehen Sie, um Ihre Zielgruppe auch in Zeiten von Corona gut zu erreichen?
In meiner Tätigkeit als Integrationscoach kenne ich meine zu betreuenden Kunden gut (Familien im Bezug von ALGII) und versende bedarfsgerechte „Alternativangebote“. D.h., dass ich regelmäßige Newsletter versende mit Tipps rund um Persönlichkeit, Haushalt, Erziehung und Beschäftigung und ich Bastelanregungen nebst benötigtem Material beifüge. Ich packe Food-Boxen für die Familien, verweise auf Internetseiten für Bewegungsanregungen in der Wohnung oder im Freien bzw. verschicke geeignete kleine Gesellschaftsspiele zur Beschäftigung der Kinder. Teilweise werden diese Dinge nach telefonischer Absprache von mir an die Haustür geliefert, so dass kurze Tür-und-Angel-Gespräche erfolgen. Daraus ergeben sich manchmal neue Terminabsprachen, in wichtigen Ausnahmefällen auch für eine persönliche Beratung in den Schulungsräumen. Mit Netzwerkpartnern halte ich telefonischen oder Mailkontakt, so dass ein regelmäßiger Austausch erfolgt und alle Seiten von den Ideen des anderen zum Wohl der Kunden profitieren können. Berichte über und Förderpläne für die Kunden werden mit den einzelnen Beratern des Jobcenters entweder telefonisch oder in Einzelfällen direkt im Jobcenter persönlich besprochen.
Ich habe insbesondere die psychische Gesundheit meiner Zielgruppe vor Augen. Dazu gehört, eine weitere Isolation und Vereinsamung zu unterbinden.
Was planen Sie zukünftig für die Prävention und Gesundheitsförderung für Ihre Zielgruppe zu tun? Woran wollen Sie festhalten, was möchten Sie ausbauen?
Ich habe insbesondere die psychische Gesundheit meiner Zielgruppe vor Augen. Dazu gehört, eine weitere Isolation und Vereinsamung zu unterbinden. Ich initiiere z.B. einen Malwettbewerb, über den sich die Kunden über das Medium „WhatsApp“ austauschen können. Solche Anlässe zur Kontaktaufnahme sind wichtig, da dieser Personenkreis sich nicht ohne Grund bei jemand anderem meldet. Ich schaffe Kontaktanlässe, um Gesprächsbereitschaft zu signalisieren, mich in Erinnerung zu bringen und es den Kunden leichter zu machen, mich bei Bedarf ebenfalls zu kontaktieren. Es fällt diesen Menschen sehr schwer, offen um Hilfe zu bitten. Besonders wichtig ist es mir, für ein entspanntes Miteinander in den Haushalten zu sorgen und die Mütter zu entlasten, um dadurch präventiv möglicher Gewalt gegen Kinder entgegenzuwirken. Immer wieder verweisen wir auf Internetangebote für körperliche Fitness bzw. ein Netzwerkpartner bietet für sehr wenig Geld Online-Mitmachangebote aus seinem Fitness-Studio an. Da der Trainer schon in der Vor-Corona-Zeit für uns tätig war, ist er vielen Kunden bereits persönlich bekannt, so dass diese eher Bereitschaft zeigen, sich darauf einzulassen. Ein weiterer Punkt ist die Ernährung: Viele Mütter kochen nur noch selten, da die Kinder in Kindertageseinrichtungen/Schulen mit mehreren Mahlzeiten am Tag versorgt werden. Wir wählen bewusst vegane Rezepte aus, beschreiben die Zubereitung in einfachen, nachvollziehbaren Schritten und packen die benötigten frischen Zutaten in eine Foodbox. Die Rezepte wählen wir so aus, dass mit den Zutaten auch alternative Gerichte hergestellt werden können.
In regelmäßigen Abständen versenden wir zusammen mit unseren Newslettern wichtige Kontakt-Telefonnummern von regionalen Beratungsstellen. Damit alles, was die Kunden von uns an Informationen und Anregungen erhalten haben, auch jederzeit abrufbereit ist, bekommt jeder Kunde zu Beginn unserer coronabedingten kontaktlosen Zusammenarbeit einen Sammelhefter zur Verfügung gestellt.