17.4.2012 – Im Jahr 2009 schlossen die gesetzlichen Krankenkassen in Thüringen und das Südharzkrankenhaus Nordhausen eine Vereinbarung zur besseren Versorgung und Betreuung von psychisch kranken Menschen. Dieses sogenannte regionale Psychiatriebudget ist das erste Projekt dieser Art im Freistaat und basiert auf einem Konzept aus Schleswig-Holstein. Erstmals bundesweit wurde im Nordhäuser Projekt nicht nur die Erwachsenenpsychiatrie einbezogen, sondern auch die Kinder- und Jugendpsychiatrie.
Das Ziel aller Partner ist es, durch sektorübergreifende Behandlungsformen eine optimierte Versorgung der Patienten zu erzielen und so die immer größer werdende Zahl von psychisch Kranken besser zu betreuen und behandeln.
Grundidee bildet ein ganzheitliches Behandlungskonzept nach dem Grundsatz, eine engmaschige ambulante stationsersetzende Behandlung mit den Mitteln des Krankenhauses durchzuführen und wo dies sinnvoll erscheint, Familienangehörige, Behörden oder auch Arbeitgeber einzubeziehen.
Das Südharzkrankenhaus erhält dafür seit drei Jahren ein Gesamtbudget und behandelt Psychiatriepatienten sowohl vollstationär, teilstationär, im Rahmen der psychiatrischen Institutsambulanz oder im häuslichen Umfeld. Zum Einsatz kommen fachübergreifende Teams aus Psychiatern, Pflegefachkräften, Psychologen und Sozialarbeitern.
„Mit diesem Projekt haben wir in Thüringen Neuland in der sektorübergreifenden Behandlung betreten. Das ist ein Schritt in die richtige Richtung. Die Patienten profitieren davon, dass sie früher teilstationär oder zu Hause behandelt werden können, das Südharzkrankenhaus bietet dazu das komplette Netzwerk an und den Krankenkassen entstehen keine höheren Kosten“, so der Stellvertretende Vorsitzende des Vorstandes der AOK PLUS, Rainer Striebel, im Namen aller beteiligten Kassen. Das Gute daran sei, dass es nicht mehr um Fälle oder einzelne Leistungen gehe, sondern um eine vernetzte Versorgung in einer Region. „Der Patient steht im Mittelpunkt. Alle Angebote sind speziell auf ihn zugeschnitten und er wird dort betreut, wo es für ihn und seine Angehörigen am besten ist. Mit dem festgelegten Budget hat das Krankenhaus Planungssicherheit und der ambulante Bereich konnte ausgebaut werden“, so Striebel weiter. Dabei verweist er auf die ersten Ergebnisse. Sie zeigen, dass sich durch das Psychiatriebudget die Versorgung für psychisch Kranke in Nordhausen verbessert hat.
„Ein Ziel des Behandlungskonzeptes“, so Dr. Arnim Findeklee, „ist es, den sogenannten Drehtüreffekt zu verringern. Unter diesem wird die mehrmalige Aufnahme eines Patienten im Jahr verstanden. Nach unseren Daten konnte die Quote der mehrmaligen Aufnahme eines Patienten im Zeitraum von 2009 bis 2011 um fünf Prozent gesenkt werden. Die Wiederaufnahmequote des Südharzkrankenhauses liegt damit für unsere Versicherten 6,5 Prozent unter dem Durchschnitt der Krankenhäuser des Freistaates Thüringen. Für uns ist dies der Beweis, dass durch gutes konzeptionelles Arbeiten in vielen Fällen der Drehtüreffekt durchbrochen werden kann.“
Verweildauer im Krankenhaus gesunken
Entgegen der Entwicklung in vergleichbaren Krankenhäusern ist die Anzahl der Belegungstage im Südharzkrankenhaus Nordhausen seit dem Projektstart rückläufig. Das Krankenhaus verzeichnet für die vollstationäre psychiatrische Behandlung allein von Versicherten der AOK PLUS seit dieser Zeit einen Verweildauerrückgang von 11,5 Prozent.
Im Jahr 2010 konnte dadurch eine Reduktion von 17 vollstationären Betten erfolgen. Die freigewordenen Ressourcen wurden zugunsten von neuen tagesklinischen Behandlungsplätzen verwendet. Diese konnten von zehn im Jahr 2008 auf 27 im Jahr 2010 erweitert werden.
Sowohl der Geschäftsführer des Südharzkrankenhauses Guido Hage als auch die Chefärztin der dortigen Klinik für Psychiatrie, Dr. med. Bettina Wilms, sind sich einig: „In Nordhausen zeigt sich im Jahr zwei nach Einführung des Modells ein Trend zur Verringerung der stationären Verweildauern bei Patienten mit Suchterkrankungen und organisch psychischen Störungen, wie z.B. Demenzen. Die Anzahl der behandelten Patienten ist weitgehend konstant geblieben. Die Klinik hat ihren Versorgungsauftrag trotz der festgelegten Budgets komplett wahrnehmen können. Darüber hinaus wird bei uns seit 2009 bundesweit einzigartig auch in der Kinder- und Jugendpsychiatrie mit einem Regionalen Psychiatriebudget gearbeitet. Insbesondere die Möglichkeit, das Umfeld der behandelten Patienten stärker einzubeziehen, zeigt hier erhebliche Vorteile. Die Evaluation ist in Planung.“
Beide fassen die Entwicklung so zusammen: „Die Behandlung mit den Mitteln des Krankenhauses lässt sich verstärkt teilstationär und ambulant durchführen ohne Menschen ein Bett vorzuenthalten, die es benötigen. Weder Patienten, deren Angehörige noch die Mehrzahl der Mitarbeiter möchte wieder zurück in alte Zeiten.“
Patienten- und Angehörigenzufriedenheit gestiegen
Für 591 Patienten wurden 211 auswertbare Fragebogen von den Angehörigen ausgefüllt. Das entspricht in der Angehörigenforschung einer ausgezeichneten Rücklaufquote von 35,7 Prozent. Die Auswertung ergab, dass die erlebte Belastung im Haushalt niedriger geworden ist. Die Angehörigen stehen weniger unter Spannung. Es werden auch weniger Sorgen beschrieben, die Patienten zu motivieren und für sich selbst zu sorgen.
Wir brauchen in Thüringen weitere vergleichbare Leuchttürme in der psychiatrischen Versorgung sagt Gesundheitsministerin Heike Taubert
„Wie eine Gesellschaft die Versorgung und Unterstützung psychisch kranker Menschen organisiert, sagt viel über ihre Einstellung zu Krankheit, über ihre Fähigkeit zu Solidarität und über das Verhältnis der Menschen zueinander aus. Es ist in den vergangenen 20 Jahren gelungen, im Freistaat Thüringen eine den stationären und teilstationären, ambulanten und komplementären Bereich umspannende Versorgung von psychisch kranken Menschen aufzubauen. Es wird künftig darauf ankommen, die vorhandenen Strukturen noch intensiver miteinander zu verknüpfen. Kernaufgabe wird es sein, die Übergänge zwischen den verschiedenen Systemen des Sozialgesetzbuchs zum Wohl der Menschen mit psychischen Erkrankungen zu erleichtern. Modellprojekte wie das Regionalbudget für die Nordhäuser Psychiatrie tragen sehr viel dazu bei, die psychiatrische Versorgung in Thüringen weiterzuentwickeln. Gerade der flexible personenzentrierte Ansatz erweist sich als wirkungsvolles Mittel, um Fortschritte in der Behandlung der Betroffenen zu erzielen. Wir brauchen in Thüringen weitere vergleichbare Leuchttürme in der psychiatrischen Versorgung. Darum muss alles dafür getan werden, dass das Modellprojekt über das Jahr 2012 hinaus fortgesetzt wird und in anderen Regionen des Freistaats Nachahmung findet“, sagt Gesundheitsministerin Heike Taubert.
Vorschlag für eine Weiterentwicklung der psychiatrischen Versorgung in ganz Thüringen
Vor dem Hintergrund, dass die Bedeutung von psychischen Erkrankungen für das Thüringer Gesundheitswesen immer mehr zunimmt, sind sich alle gesetzlichen Krankenkassen einig, dass die Versorgung von psychisch Kranken zukünftig nach dem Nordhäuser Modellprojekt weiterentwickelt werden sollte. Dadurch würde die Qualität der Behandlung psychisch kranker Menschen in Thüringen nachhaltig verbessert.
Zudem ist davon auszugehen, dass das neue Psychiatrieentgeltgesetz, zum dem bereits ein Kabinettsentwurf vorliegt, auch weiterhin die Förderung und Weiterentwicklung sektorübergreifender Verbesserungen im Rahmen solchen Modellvorhaben vorsieht.
Diese Pressemitteilung wurde veröffentlicht von:
dem Südharzkrankenhaus Nordhausen gGmbH und den gesetzlichen Krankenkassen in Thüringen
(AOK PLUS – Die Gesundheitskasse für Sachsen und Thüringen
BKK – Landesverband Mitte
- Landesrepräsentanz Thüringen - IKK classic
Knappschaft, Regionaldirektion Frankfurt
Krankenkasse für den Gartenbau
- handelnd für die landwirtschaftliche Krankenversicherung -
Verband der Ersatzkassen e.V. (vdek)
- Landesvertretung Thüringen –)
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