4B
Veröffentlichungen des Ersatzkassenverbandes
in Thüringen
Sparpaket oder Mogelpackung?
Perspektiven der gesetzlichen Krankenversicherung
Keiner hat bisher gesagt, wie teuer Gesundheit wirklich wird und wer sie am Ende bezahlen muss. Eher unspektakulär ist das neue Finanzierungsgesetz am 1. Januar 2011 in Kraft getreten. Das Sparpaket sollte ursprünglich geschnürt werden, um die derzeit fehlenden Finanzmittel bei den Krankenkassen zu kompensieren.
Doch das, was als Sparpaket verabschiedet wurde, ähnelt eher einer Mogelpackung für Versicherte. Denn zukünftige Ausgabenzuwächse müssen Versicherte allein finanzieren. Die zusätzlichen Einnahmen werden nicht für die Mehrausgaben der Krankenkassen verwendet sondern fließen in die Liquiditätsreserve des Gesundheitsfonds. Im Umkehrschluss heißt das wiederum: wenn eine Krankenkasse mit den ihr zur Verfügung stehenden Mittel zur medizinischen Versorgung ihrer Versicherten nicht auskommt, muss sie einen Zusatzbeitrag erheben. Dieses Problem wird spätestens im nächsten Jahr ziemlich alle Krankenkassen treffen. Der Zusatzbeitrag dürfte also flächendeckend erhoben werden und versteht sich damit als der Einstieg in ein politisch gewolltes Kopfpauschalensystem. Vielen Versicherten ist noch gar nicht bewusst, was die neuen Gesetzesregelungen für sie bedeuten, so auch in Regionen wie Thüringen, in denen weniger verdient wird. Gerade für diese Gruppe wird Gesundheit richtig teuer. Gehören Geringverdiener dann noch zu der Gruppe der chronisch Kranken, wird sich geradezu ein zu erwartendes Horrorszenario aufbauen. Neben den ohnehin bereits hohen Kosten in Form des erhöhten Beitragssatzes, der Praxisgebühr, der Zuzahlungen bei Medikamenten und Heil- und Hilfemitteln, den Zuzahlungen für Krankenhausaufenthalte oder Rehabilitationen wird sich der dann erhobene Zusatzbeitrag kräftig auf den Geldbeutel auswirken.
Schon heute sind in Deutschland weit etwa 50 Prozent der 50Jährigen chronisch krank. Bekannt ist, dass etwa zwei Drittel aller Ausgaben in der gesetzlichen Krankenversicherung für chronische Erkrankungen ausgegeben werden. Hinzu kommt, dass der demografische Wandel unter gegenwärtigen Bedingungen zum einen zu einer Schmälerung der Einnahmenbasis der gesetzlichen Krankenversicherung und zum anderen zu einer Ausweitung der Ausgaben führen wird. Die Auswirkungen der Alterung der Gesellschaft werden in der gesetzlichen Krankenversicherung deutlich spürbar sein. Dennoch bleibt offen, in welchem Maße. Noch immer ist unklar, wie sich die Verlängerung der Lebenserwartung auf den Gesundheitszustand der Bevölkerung und damit auf die Kosten der medizinischen Versorgung auswirken wird. Auch die Frage der Finanzierbarkeit der Pflegeversicherung steht damit wieder zur Debatte.
Am Ende neigen derzeitige Regelmechanismen tendenziell zur Rationierung von Leistungen. Bleibt zu hoffen, dass es bald wieder eine neue Gesundheitsreform gibt, die sich einerseits den finanziellen Problemen stellt, sich aber ebenso auf die Bedürfnisse der Versicherten in der medizinischen Versorgung einstellen.
Hinzu kommt, dass eine „alternde“ Gesellschaft eine Veränderung des Versorgungsspektrums benötigt, da mehr altersassoziierte Erkrankungen (wie etwa Hypertonie und Diabetes) sowie mehr chronisch-degenerative Erkrankungen (wie etwa Demenz und Parkinson) eine stärkere geriatrisch ausgerichtete Versorgung erfordern. Jetzt gilt es, rechtzeitig neue Versorgungskonzepte zu entwickeln und Versorgungsstrukturen anzupassen. Die Versorgungsforschung bietet uns die Möglichkeit, Erkenntnisse und Vorschläge zu erarbeiten. Dies gilt auch bei der Aus- und Weiterbildung von Ärzten und Pflegepersonal. Hier sollte ebenso eine Schwerpunktsetzung für eine altersgerechte medizinische Versorgung erfolgen.
Als Verband der Ersatzkassen haben wir uns in diesem Jahr das Ziel gestellt, frühzeitig auf die Veränderung der Bevölkerungsstruktur zu reagieren und die Weichen für eine bedarfsgerechte Versorgung rechtzeitig zu stellen. Wir haben es uns zugleich zum Ziel gemacht, innovative Projekte, die sich mit den Auswirkungen des demografischen Wandels befassen, zu fördern.
Deutschland hat eines der leistungsfähigsten Gesundheitssysteme der Welt. Die solidarisch finanzierte gesetzliche Krankenversicherung sichert allen Versicherten unabhängig von Alter, Geschlecht, individuellem Krankheitsrisiko und den finanziellen Möglichkeiten eine umfassende, hochwertige medizinische Versorgung im Krankheitsfall. Damit dies auch in Zukunft gewährleistet bleibt, muss das System gesellschaftliche Veränderungen antizipieren. Dies muss bei den Veränderungsprozessen der gesundheitlichen und pflegerischen Versorgung berücksichtigt werden. Dafür werden wir uns, dafür werde ich mich persönlich einsetzen!
Der Beitrag wurde veröffentlicht in der 4B, dem Thüringer Rheuma-Magazin, Märzausgabe 2011
Autorin: Kerstin Keding
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