Versorgungsstrukturgesetz: Ein Gesetz mit Stärken und Schwächen

Grußworte/Reden des Ersatzkassenverbandes in Thüringen

Mit dem Versorgungsstrukturgesetz, das am 1. Januar 2012 in Kraft getreten ist, unternimmt die Bundesregierung einen ersten und richtigen Schritt, die ärztlichen Versorgungsstrukturen für die kommenden demografischen Herausforderungen zu rüsten. Zentrales Anliegen der Regelungen ist es, die Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung zu verbessern. Bundesweit zeigen sich bei der Entwicklung der Arztzahlen immer deutlicher zwei gegenläufige Trends. Vor allem in den städtischen Bereichen der alten Bundesländer manifestiert sich eine deutliche Überversorgung mit Ärzten. Zugleich wird es künftig schwieriger, in ländlichen Regionen Ärzte in ausreichender Zahl zu finden. All dies geschieht vor dem Hintergrund des demografischen Wandels, der die Ärzteschaft tendenziell altern lässt und zu verändertem Nachfrageverhalten nach ärztlichen Leistungen führt.

Der Gesetzgeber lässt nunmehr bei der Bedarfsplanung, die die Niederlassungsmöglichkeiten für Ärzte steuert, stärkere Flexibilisierungen zu. Von den bundesweiten Vorgaben kann jetzt verstärkt abgewichen werden, wenn es die demografische Entwicklung oder regionale Besonderheiten erfordern. Zusätzliche lokale oder qualitätsbezogene Bedarfe können berücksichtigt werden. Diese Flexibilisierung der Bedarfsplanung kann helfen, die Versorgung passgenauer zu gestalten. Dabei enthält das Gesetz zahlreiche Maßnahmen zur Bekämpfung von Unterversorgung. Die Aufhebung der Residenzpflicht – also der Verpflichtung von Ärzten, an ihrem Praxisort wohnen zu müssen - birgt Chancen, dass Ärzte Beruf und Familie besser in Übereinstimmung bringen können. Gerade für junge Ärzte wird es künftig interessanter sein, in ländlichen Gebieten zu praktizieren, da sie in ihrem vertrauten Umfeld weiterhin wohnen können. Weitere Maßnahmen gegen Unterversorgung sind die Delegation von ärztlichen Leistungen an Nichtärzte (besonders qualifiziertes Praxispersonal), Telemedizin, Preiszuschläge, Zweigpraxen, Ermächtigung von Ärzten in Reha- und Pflegeeinrichtungen, Eigeneinrichtungen von Kassenärztlichen Vereinigungen oder Kommunen. Damit kann den Menschen in strukturschwachen und ländlichen Räumen auch in Zukunft eine gesundheitliche Versorgung in akzeptabler Reichweite gesichert werden.

Außerdem können die Kassenärztlichen Vereinigungen Strukturfonds für unterversorgte Gebiete schaffen und die Kompetenzen der Länder bei der Bedarfsplanung werden wesentlich erweitert.

Kontraproduktiv ist, dass gegen die teils massive Überversorgung in städtischen Ballungsgebieten vergleichsweise wenig im Gesetz enthalten ist. Auf finanzielle Steuerungsinstrumente zum Abbau von Überversorgung wird künftig verzichtet. Dort wurde eine Chance vertan, niederlassungswillige Ärzte noch stärker dorthin zu steuern, wo tatsächlicher Versorgungsbedarf besteht.

Auch in Thüringen stellt sich die Versorgungssituation recht differenziert dar. Während bei Fachärzten die Planungsbereiche weitgehend gesperrt sind, ist der Bedarf an Hausärzten deutlich höher. Lediglich die Städte Jena und Weimar bilden hier eine Ausnahme.

Eine neue Versorgungsschiene wird mit der Einführung der so genannten „ambulanten spezialfachärztlichen Versorgung“ bei Erkrankungen mit besonderen Krankheitsverläufen, seltenen Erkrankungen und hoch spezialisierten Leistungen eingeführt.

Dabei handelt es sich um im Gesetz konkret benannter Krankheiten, wie onkologische Erkrankungen, HIV/Aids, Multiple Sklerose u. a. Bei diesen Leistungen wird die Sektorengrenze zwischen ambulanter und stationärer Behandlung überschritten und richtungweisend ein einheitlicher Wettbewerbsrahmen geschaffen. Jeder Arzt und jedes Krankenhaus sind grundsätzlich berechtigt, an der neuen Versorgung teilzunehmen, wenn die Qualifikations- und Qualitätsvoraussetzungen erfüllt werden. Ob der Einstieg über ein eng umrissenes Krankheitsspektrum ausreicht, den Verzicht auf eine Bedarfsplanung in diesem Bereich zu kompensieren, muss sich aber erst erweisen.

Neu ins Gesetz wurden aber auch Verpflichtungen zum Entlassmanagement nach einem Krankenhausaufenthalt und die Sicherstellung angemessener Wartezeiten bei Fachärzten durch die Kassenärztlichen Vereinigungen aufgenommen. Modellvorhaben zur Verbesserung der Qualität und Wirtschaftlichkeit der Arzneimittelversorgung auf Basis eines Medikationskataloges sind ebenfalls vorgesehen.

Für die Versicherten kann interessant werden, dass die Möglichkeiten für Satzungsleistungen in den Bereichen Vorsorge und Rehabilitation, künstliche Befruchtung, zahnärztliche Versorgung, nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel, Heil- und Hilfsmittel, häusliche Krankenpflege, Haushaltshilfe und Leistungen von nicht zugelassenen Leistungserbringern erweitert wurden. Inwieweit diese Regelungen jedoch unter den konkreten Systembedingungen der GKV tatsächlich zu mehr Wettbewerb unter den Kassen führen werden, ist kritisch zu bewerten. Es muss befürchtet werden, dass die erweiterten Satzungsleistungen letztlich keinen Beitrag für einen funktionierenden Wettbewerb um bessere Versorgungslösungen leisten können, zumal der Gesetzgeber zuvor ein Teil dieser Leistungen aus Wirtschaftlichkeitserwägungen aus dem Leistungskatalog ausgeschlossen hatte.

Darüber hinaus enthält Gesetz erstmals konkretisierende Regelungen für den Fall von Kassenschließungen. Die Versicherten können sich künftig durch Informationen und Kündigungsvordrucke besser auf die Situation einstellen und zudem besteht nunmehr Klarheit, dass Leistungen und Leistungsentscheidungen der zu schließenden Kasse weiter gelten. Diese Regelungen sind sachgerecht und helfen, dass hinreichend Zeit zur Verfügung steht, wodurch die Versicherten ihr Kassenwahlrecht ausüben können und es zu keinen Brüchen bei der Leistungsgewährung kommt.

 

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Versorgungsstrukturgesetz: Ein Gesetz mit Stärken und Schwächen

Der Beitrag erschien in der Ausgabe 1/2012 Journal Tumorzentrum Erfurt

Autor:

Dr. Arnim Findeklee


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