22. Symposium der vdek-Landesvertretung

Die Pflegeversicherung - Pflegefall trotz vieler Reformen?

Am 06. März fand im Roncalli-Haus Magdeburg das 22. Symposium der vdek-Landesvertretung Sachsen-Anhalt statt. Unter dem Thema „Die Pflegeversicherung – Pflegefall trotz vieler Reformen?“ beleuchteten namhafte Referenten wie Stefan Korioth (Professor für öffentliches Recht, insbesondere Kirchenrecht sowie Deutsches Staats- und Verwaltungsrecht, Ludwig-Maximilians-Universität München), Ulrich Becker (Max-Planck-Institut für Sozialrecht und Sozialpolitik, Honorarprofessor an der Ludwig-Maximilians-Universität München) und Andreas Storm (Vorstandsvorsitzender der DAK-Gesundheit) die Entstehung sowie bisherige Reformen der Pflegeversicherung und die Notwendigkeit einer politischen Neuausrichtung.

Auf dem Podium diskutierten im Anschluss Tino Sorge (gesundheitspolitischer Sprecher der CDU, MdB), Wolfgang Beck (Staatssekretär Ministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Gleichstellung, SPD) sowie die gesundheitspolitischen Sprecherinnen und Sprecher der Landtagsfraktionen - Konstantin Pott (FDP), Nicole Anger (Die LINKE) und Susan Sziborra-Seidlitz (Bündnis 90 / Die Grünen) den politischen Handlungsdruck in der Pflegeversicherung.

Gewährleistung der Sozialgarantie und Entlastung von Familien

Klaus Holst, Leiter der vdek-Landesvertretung Sachsen-Anhalt, eröffnete die Veranstaltung und thematisierte zu Beginn die Sozialgarantie in Deutschland: „Die Ampel-Koalition hat die Beiträge mit Umsetzung des Pflegeunterstützungs- und -entlastungsgesetzes so weit angehoben, dass die Sozialgarantie nicht mehr gewährleistet wird. Dies führt zu der Frage, ob diese in ihrer aktuellen Form für die Versicherten aufrechterhalten werden soll oder ob anderer Reformbedarf besteht“. Die Sozialgarantie soll gewährleisten, dass die Sozialversicherungsbeiträge, einschließlich der Pflegeversicherung, die Gehälter um nicht mehr als 40 Prozent belasten. „Fraglich bleibt, ob Familien angesichts der Konsum- und Ausbildungskosten der Kindererziehung durch die gesenkten Beitragssätze zur Pflegeversicherung tatsächlich merklich entlastet werden.“, so Holst weiter.

Entstehung, Reformen und Zukunft der Pflegeversicherung

Die Pflegeversicherung ist der jüngste Zweig der Sozialversicherungen. „Gründe ihrer Einführung 1995 waren das quantitativ erhöhte Pflegerisiko aufgrund des demografischen Wandels, veränderte Familien- und Lebenssituationen, aber auch die Erfolglosigkeit freiwilliger Versicherungsangebote“, erläutert Stefan Korioth. Schon jetzt spürbare Probleme der Pflegeversicherung würden laut Korioth hinsichtlich steigender Leistungsausgaben und systembedingter Einnahmenbegrenzungen bestehen.

Reformen der Vergangenheit berücksichtigten mitunter die Rolle der Kindererziehung. Das Bundesverfassungsgericht forderte 2001 und 2022 den Gesetzgeber auf, Korrekturen in der Beitragsgestaltung der sozialen Pflegeversicherung zugunsten von Eltern vorzunehmen. Durch das Pflegeunterstützungs- und -entlastungsgesetz wurde jüngst die bisher bestehende „Statusunterscheidung“ zwischen Eltern und kinderlosen Versicherten um eine für zeitlich befristete (jeweils 25 Jahre) Differenzierung nach 2 bis 5 Kindern ergänzt. Nach Ulrich Becker werfe diese Umsetzung jedoch Fragen auf. Becker: „Auch soweit immer noch Korrekturbedarf beim Belastungsausgleich für Eltern besteht, berührt er nur zum Teil die Zuordnung der Ausgleichslast. Das könnte der Pflegeversicherung einige Steuermittel bringen. Ein Familienlastenausgleich ist aber nicht das Mittel, um die Finanzierungsprobleme der sozialen Pflegeversicherung zu lösen“.

Andreas Storm sagte zur Zukunft der Pflegeversicherung: „Die Pflegeversicherung droht in wenigen Jahren ihre Funktionsfähigkeit zu verlieren. Die steigenden Kosten drohen insbesondere im Bereich der stationären Pflege die Pflegebedürftigen finanziell zu überfordern. Darüber hinaus zeichnen sich auch im Bereich der ambulanten Pflege zunehmend regionale Versorgungsengpässe ab“. Der Fachkräftemangel würde die Situation noch verschärfen. Um die Pflegeversicherung generationengerecht für die Zukunft aufzustellen, fordert Storm die Weiterentwicklung kollektiver Vorsorgesysteme und die Wiedereinführung des Bundeszuschusses für versicherungsfremde Leistungen in der Pflegeversicherung.

Der Generationenvertrag und der Reformbedarf der Pflegeversicherung in der politischen Diskussion

In der nachfolgenden Podiumsdiskussion mit den politischen Vertreterinnen und Vertretern wurden ausführlich die zentralen Fragen des Abends erörtert. Thematisiert wurde die Einhaltung des Generationenvertrags, insbesondere ob die Versorgung von Pflegebedürftigen durch Pflegekräfte in Zukunft gewährleistet werden kann und ob Bürgerinnen und Bürger angesichts schrumpfender Generationen wieder verstärkt selbst ihre private Altersvorsorge verantworten sollten. Darüber hinaus wurde debattiert, ob privat versorgte Pflegebedürftige in der Leistungsausgestaltung der Pflegeversicherung im Vergleich zu professionell versorgten Pflegebedürftigen benachteiligt sind. Abschließend stand der internationale Vergleich im Raum, wobei überlegt wurde, ob Deutschland aus den Erfahrungen anderer Länder im Bereich der Pflege lernen kann.

In Bezug auf einen Reformansatz für die Pflegeversicherung offenbarte sich unter den politischen Parteien ein divergentes Bild: Die CDU und die FDP sehen neben anderen Maßnahmen auch Arbeitgeber:innen und Arbeitnehmer:innen in der Verantwortung. Tino Sorge (CDU) äußert sich dazu: „Statt immer neuer Beitragserhöhungen braucht die Pflege ein neues Modell, das auf mehrere Säulen der Vorsorge setzt: die Pflegeversicherung, wie wir sie heute kennen; zusätzlich aber auch deutlich mehr betriebliche Vorsorgeangebote gemeinsam mit den Arbeitgebern – und mehr private Vorsorge, soweit man sie sich leisten kann“. Konstantin Pott von der FDP teilt eine ähnliche Ansicht: „Wir kommen um eine echte Reform der Pflegeversicherung nicht umher. Dafür empfehle ich ein 3-Säulenmodell wie bei der Krankenversicherung mit starker privater Vorsorge. Zudem müssen die Auswirkungen des demografischen Wandels abgemildert werden“.

Dagegen betrachten Vertreter:innen der SPD, der LINKEN und von Bündnis 90/Die Grünen eine solidarische Pflegeversicherung als Lösungsweg. Wolfgang Beck (SPD) betont: „Wir brauchen eine grundsätzliche Reform der Pflegeversicherung, denn die steigenden Kosten können mit der bisher als Teilleistungsversicherung gestalteten Pflegeversicherung langfristig nicht gedeckt werden. Die durch Pflegebedürftige zu leistenden Eigenanteile, die zuletzt immer mehr gestiegen sind, müssen begrenzt werden. Wir dürfen dabei aber auch nicht die Menschen vergessen, die ihre Angehörigen zu Hause pflegen. Wer sich für eine Versorgung zu Hause entscheidet, benötigt auch finanzielle Unterstützung. Zudem darf dies für die pflegenden Angehörigen, die häufig im eigenen Beruf kürzer treten müssen, später nicht zu Nachteilen bei der Berechnung der Rentenansprüche führen“, sagt Wolfgang Beck (SPD). Susan Sziborra-Seidlitz (Bündnis 90/Die Grünen) fordert darüber hinaus eine „solidarische Pflege-Bürgerversicherung, in die alle einzahlen und alle profitieren. Profitieren durch mehr Entscheidungsmöglichkeiten auf Grund besserer Lohnersatzleistungen in Pflegezeiten und etwa der Deckelung des Eigenanteils bei stationärer Unterbringung“. Nicole Anger (Die LINKE) geht noch einen Schritt weiter: „Die marode Pflegeversicherung kann nicht durch kleine Reparaturen gerettet werden. Die Eigenanteile der Bewohner:innen steigen stetig. Die Arbeitsbedingungen werden schlechter. Die Linke fordert daher einen Systemwechsel durch eine solidarische Pflege-Vollversicherung.“

Die verschiedenen Standpunkte verdeutlichen jedoch insgesamt die Notwendigkeit einer umfassenden Reform der Pflegeversicherung, um eine nachhaltige und gerechte Lösung für die aktuellen Herausforderungen zu finden.

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