Kommentar von Torsten Barenborg, Leiter der vdek-Landesvertretung Bremen

Ärztehonorare sind deutlich gestiegen

Torsten Barenborg, Leiter der vdek-Landesvertretung Bremen

Mit Aktionen wie dem „Streik“ der niedergelassenen Ärzt:innen am 2. Oktober wollen deren Berufsverbände unter anderem auf eine unzureichende Finanzierung durch die Krankenkassen aufmerksam machen. Auch in Bremen wurden die Ärzt:innen aufgerufen, für diesen Tag ihre Praxis zu schließen.

Ob der Vorwurf einer unzureichenden Finanzierung gerechtfertigt ist, lässt sich anhand einiger Zahlen und Fakten überprüfen. Aber zunächst einmal zu den Hintergründen und der „Verhandlungslogik“ der ärztlichen Honorare:

Die bundesweiten Ausgaben für die ärztliche Behandlung sind allein von 2018 bis 2022 von knapp 40 auf über 46 Milliarden Euro pro Jahr angestiegen - das sind mehr als 17 Prozent (siehe Grafik unten). Auch für 2024 wurde bereits eine Anpassung des so genannten Orientierungswerts in Höhe von 3,85 Prozent beschlossen. Dieser Orientierungswert bildet die Grundlage für die Bemessung des ärztlichen Honorars. Er wird jährlich angepasst, um die Entwicklung der Kosten in den Arztpraxen auszugleichen. Dies geschieht auf der Grundlage von Daten zur Praxiskostenentwicklung, die von einem unabhängigen Institut erhoben und ausgewertet werden.

Grafik Ärztliche Behandlungen 2017-2022

Ärztliche Behandlungen 2017-2022

nach Daten des Bundesministeriums für Gesundheit.

Steigerung: Keine Festsetzung, sondern Vereinbarung

Diese Steigerung wird keinesfalls einseitig von den Krankenkassen festgesetzt – wie es die Kritik der ärztlichen Berufsverbände vermuten lässt. Tatsächlich wird sie zwischen dem GKV-Spitzenverband und der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) im paritätisch besetzten Bewertungsausschuss – gegebenenfalls unter Mitwirkung eines unabhängigen Vorsitzenden - vereinbart. Die Entscheidung über die Erhöhung um 3,85 Prozent für 2024 erfolgte allerdings einvernehmlich, d. h. mit den Stimmen der Kassenärztlichen Bundesvereinigung, ohne dass es einer Entscheidung des unabhängigen Vorsitzenden bedurft hätte. Bedenkt man dies, ist die Kritik der Berufsverbände der Ärzt:innen an den Krankenkassen ungerechtfertigt – der richtige Adressat wäre der eigene Dachverband, nämlich die KBV.

Dessen ungeachtet ist die Kritik auch nicht nachvollziehbar, wenn man die finanzielle Situation der Ärzteschaft in Bremen betrachtet: Ärzt:innen in Bremen erzielen laut Honorarbericht 2021 der KBV einen jährlichen Honorarumsatz von durchschnittlich rund 250.000 Euro – damit verdienen Ärzt:innen in Bremen rund 3,3 Prozent mehr als ihre Kolleg:innen im Bundesdurchschnitt (rund 242.000 Euro). Je Versicherten erhält die Bremer Ärzteschaft laut ihres eigenen Dachverbandes sogar etwa 8 Prozent mehr Honorar als im Bundesdurchschnitt.

Budgetierung spielt nur untergeordnete Rolle in Bremen

Auch die von der Ärzteschaft häufig kritisierte „Budgetierung“ ärztlicher Leistungen spielt in Bremen nur eine untergeordnete Rolle: das Budget gilt in Bremen nur noch für 56,9 % (Bundesdurchschnitt 58,3 %) der ärztlichen Leistungen und es werden in Bremen rund
99 % der erbrachten Leistungen vergütet, während dies im Bundesdurchschnitt rund 96 % sind. Zugleich sind die Praxiskosten in Bremen im Bundesvergleich unterdurchschnittlich. Einzige Ausnahme bilden die Personalkosten für Medizinische Fachangestellte, die in Bremen etwa 2,75 % mehr verdienen als ihre Kolleg:innen im Bundesdurchschnitt, während die Lebenshaltungskosten in der Stadt Bremen rund 12 Prozent und in Bremerhaven sogar rund 23 Prozent unter dem Bundesdurchschnitt liegen.

Zusammenfassend ist festzustellen, dass den vergleichsweise hohen Einnahmen der Ärzteschaft in Bremen vergleichsweise geringe Kosten gegenüberstehen. Das macht das Land Bremen zu einem attraktiven Standort für Ärzt:innen. Deshalb ist es nicht nachvollziehbar, wenn von den Berufsverbänden zu Praxisschließungen aufgerufen wird, um auf angebliche Missstände aufmerksam zu machen.

Besser Attraktivität des Standortes Bremen betonen

Vielmehr sollten die Bremer Berufsverbände auf die Attraktivität des Standorts Bremen hinweisen, damit sich Mediziner:innen entscheiden, sich im Bundesland niederzulassen und die Versorgungssituation in Bremen zu erhalten bzw. zu verbessern. Denn durch die veränderten Erwartungen an die Work-Live-Balance sind längst nicht mehr alle Absolvent:innen eines Medizinstudiums bereit, einen vollen Arztsitz auszufüllen oder eine eigene Praxis zu übernehmen. Diese sollte man versuchen, durch objektive Informationen und geeignete Angebote (wie z. B. kommunale MVZ) für eine Niederlassung in Bremen zu gewinnen statt sie mit solchen Aktionen abzuschrecken.