Kommentar von Torsten Barenborg, Leiter der vdek-Landesvertretung Bremen

Einen Kassenarztsitz zu übernehmen bedeutet Verantwortung

Torsten Barenborg, Leiter der vdek-Landesvertretung Bremen

Seit Wochen rufen die Berufsverbände der HNO-Ärztinnen und Ärzte bundesweit - wie auch in Bremen - dazu auf, keine neuen Termine für ambulante Mandel- und Mittelohroperationen bei Kindern zu vergeben, weil die Vergütung nicht angemessen sei.

Mit dieser Begründung verweigern manche HNO-Ärztinnen und Ärzte ihren Versorgungauftrag bei medizinisch indizierten Behandlungen. Das ist ein Vertragsbruch. Um das nachvollziehen zu können, muss man wissen, wie die von den HNO-Ärztinnen und Ärzten nun kritisierten Vergütungen zustande gekommen sind.

Bewertung der Vergütung zwischen KBV und Kassen vereinbart

Die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) als Dachverband der 17 Kassenärztlichen Vereinigungen der Länder ist auf die Kassenverbände auf der Bundesebene zugegangen und hat vorgeschlagen, bei den ambulanten Operationen eine Anpassung der Vergütungen vorzunehmen. Die Kassenverbände haben dieser Vorgehensweise zugestimmt. Zum Jahresbeginn 2023 ist die aktualisierte Bewertung der Vergütung von ambulanten Operationen in Kraft getreten. Diese haben dazu geführt, dass für größere ambulante Operationen bei der Berechnung der Vergütung mehr Aufwand veranschlagt wird, während für kleinere Operationen etwas weniger Aufwand in Rechnung gestellt wird. So erhalten HNO-Ärztinnen und Ärzte zum Beispiel für die strittige Mandelentfernung 107 Euro statt zuvor 111 Euro, also 4 Euro weniger. Gleichzeitig wird aber beispielsweise eine plastische Korrektur der Nasenscheidewand nun mit 43 Euro zusätzlich vergütet, das ergibt 304 Euro statt bislang 261 Euro. Über alle Leistungen betrachtet, hat sich damit die Vergütung jährlich um rund 60 Millionen Euro verbessert. Berücksichtigt man dies und zudem die Tatsache, dass die Vergütungsanpassungen von der Kassenärztlichen Bundesvereinigung selbst bewirkt wurden, ist die Kritik der HNO-Ärztinnen und Ärzte gegenüber den Krankenkassen erst recht nicht nachvollziehbar.

Zu bedenken ist auch, dass die Übernahme eines Kassenarztsitzes auf der einen Seite zwar ein sicheres Einkommen garantiert, andererseits übernehmen die Ärztinnen und Ärzte damit zugleich auch die Verantwortung für die Versorgung der rund 613.000 gesetzlich Versicherten zum Beispiel hier in Bremen. Bestimmte Leistungen eigenmächtig herauszunehmen und aus monetären Gründen nicht mehr zu erbringen, ist vertragswidrig. Vor allem aber handeln Ärzte und Ärztinnen unethisch, wenn sie die Gesundheit von Kindern gefährden, um ihre finanziellen Interessen durchzusetzen.

Protest zulasten der Kinder

Der vorgegebene Weg, um Änderungen bei den Vergütungen zu erreichen, führt über den von Ärzten und Ärztinnen und Krankenkassen paritätisch besetzten Bewertungsausschuss auf der Bundesebene. Dies ist nach wie vor der richtige Ort, an dem solche Vergütungsfragen zu klären sind – nicht die Arztpraxis. Hier könnte die Kassenärztliche Bundesvereinigung bei der nächsten Verhandlung eine andere Gewichtung der Leistungen anstreben. Dazu können sich die betroffenen Kinderärzte und -ärztnnen innerhalb der Kassenärztlichen Bundesvereinigung Gehör verschaffen. Das wäre jedenfalls naheliegender, als notwendige Operationen zu verweigern und damit möglicherweise gesundheitliche Schäden bei Kindern in Kauf zu nehmen.