Gesundheitsfinanzierungsgesetz:

Vorzug der PKV schadet dem gesamten System

Mit dem am 22. September vom Bundeskabinett verabschiedeten Entwurf zum Gesundheitsfinanzierungsgesetz, das gestern in der ersten Lesung im Bundestag beraten wurde, wird die private Krankenversicherung (PKV) bevorzugt behandelt und die gesetzliche Krankenversicherung im gleichen Zug belastet. Es ist vorgesehen, dass Versicherte bereits nach dem ersten Jahr in die PKV wechseln können, in dem ihr Jahreseinkommen die Jahresarbeitsentgeltgrenze für den freiwilligen Versichertenstatus erreicht. Damit wurde die erst 2007 auf drei Jahre verlängerte Wartefrist für den Ausstieg aus der gesetzlichen Krankenversicherung zurückgenommen.

Da die PKV für kranke und ältere Versicherte höhere Prämien verlangt und Familienmitglieder nicht mitversichert sind, wählen erwartungsgemäß junge, gesunde Menschen ohne Familie den privaten Versicherungsschutz. Sie kehren damit der solidarischen gesetzlichen Versicherung den Rücken. Diese ist aber auf eine gute Durchmischung der Versichertenstruktur angewiesen, damit der sozial wichtige Anspruch der Solidarität auch gelebt werden kann.

„Der Einwand der freien Wahl der Versicherten und eines notwendigen Wettbewerbs unter den Krankenkassen ist hier zu kurz gegriffen“, sagt Karl Nagel, Leiter der vdek-Landesvertretung Bremen. „Kaum jemandem ist bewusst, dass es die gesetzliche Krankenversicherung ist, die sämtliche Strukturen unseres Gesundheitssystems gestaltet und die finanziell auch für Bereiche sorgt, um die sich die private Krankenversicherung nicht kümmert.“

Es sind die gesetzlichen Krankenkassen, die mit den Vertretern der Ärzte, Zahnärzte sowie der Heil- und Hilfsmittelerbringer und weiteren Akteuren die Preise verhandeln, an denen sich nachträglich auch die Vergütung der privaten Versicherer orientiert. Zudem gestalten und optimieren die gesetzlichen Krankenkassen Versorgungsstrukturen und Behandlungsabläufe vor Ort – eine große und aufwändige Aufgabe, für die ein beträchtlicher Anteil der (im Gegensatz zur PKV niedrigen)  Verwaltungsausgaben aufgebracht wird. Diese Aufgabe nehmen in den Ländern die gesetzlichen Kassen mit ihren Verbänden wahr und sorgen somit für das reibungslose Funktionieren eines wichtigen Teils des öffentlichen Lebens.

Die privaten Kassen halten sich aus diesem Prozess völlig heraus. Sie nutzen lediglich die Strukturen und Verträge, die die gesetzliche Krankenversicherung gestaltet und treten „großzügig“ mit höheren Vergütungen für die Leistungserbringer in einen unfairen Wettbewerb mit den gesetzlichen Kassen. „Sich in fragwürdigen Werbekampagnen dann als aktiver Gestalter im Gegensatz zur gesetzlichen Krankenversicherung darzustellen ist perfide, wenn man sich am Aufbau und der kontinuierlichen Weiterentwicklung des Systems nicht beteiligt“, so Nagel.

Ein weiterer Bereich, der von den privaten Versicherern völlig ignoriert wird, ist die Übernahme von Verantwortung für ehrenamtliches Engagement und breit angelegte Präventionsmaßnahmen. In Bremen geben die gesetzlichen Krankenkassen in diesem Jahr mehr als 1,3 Millionen Euro für solche Zwecke aus:

Zweck Betrag
Unterstützung der Selbsthilfe 270.000 Euro
Unterstützung der ehrenamtlichen Sterbebegleitung (Hospizbewegung) 280.000 Euro
Landes Kinder- und Jugendzahnpflege 780.000 Euro

 

Darin sind noch nicht die Präventionsaktivitäten einzelner Krankenkassen beispielsweise in Schulen oder Kindergärten enthalten oder andere sozial-gesundheitliche Aktivitäten, die von den gesetzlichen Kassen unterstützt werden und die dem sozialen Gefüge einer Stadt/einer Region zugute kommen. Die privaten Versicherer haben hierfür nicht einmal Ansprechpartner vor Ort.

Wenn jetzt mit dem Arzneimittelsparpaket auch noch die von den gesetzlichen Kassen ausgehandelten Rabattverträge für Arzneimittel von den privaten Versicherern übernommen werden sollen, wird der PKV noch weiter geholfen, ihre Ausgabenentwicklung auf den Schultern der gesetzlichen Versicherer zu entlasten. „Diese privilegierte Behandlung der PKV ist reine Klientelpolitik, die dem Gemeinwohl schadet“, beschreibt Karl Nagel die Situation.

 


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Christiane Sudeck

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