Braucht die gesetzliche Krankenversicherung neue Konzepte?

Ersatzkassenforum in Bremen zu Finanzierungsmodellen

„Die gesetzliche Krankenversicherung braucht eine nachhaltige Finanzierung“, stellte Thomas Ballast, Vorstandsvorsitzender des vdek, Berlin, heute beim Ersatzkassenforum in Bremen fest. Kostensteigerungen bei den Ärzten, im Krankenhausbereich und bei den Arzneimitteln auf der einen Seite stehen Einnahmendefizite auf der anderen Seite gegenüber.

„Die Einnahmeseite muss auf eine breitere Finanzierungsbasis gestellt werden. Dabei ziehen wir natürlich ein einkommensbezogenes Beitragssystem vor, da hier die Strukturen und Verfahren eingeübt sind, die Berücksichtigung der Leistungsfähigkeit der einzelnen Versicherten und ein sozialer Ausgleich immanent sind.“, so Ballast.

Seit 2009 gibt es in der gesetzlichen Krankenversicherung keine unterschiedlichen Krankenkassenbeiträge mehr, sondern einen Gesundheitsfonds, aus dem jede Kasse einen Beitrag für ihre Versicherten bekommt. Festgelegt ist, dass dieser Fonds 95 Prozent der Ausgaben decken soll – der Rest, und das ist politisch einkalkuliert und beabsichtigt gewesen, muss über Zusatzbeiträge von den Versicherten abgefordert werden.

Die konjunkturelle Entwicklung schmälert durch Arbeitslosigkeit und Kurzarbeit derzeit die Einnahmen. Auf der anderen Seite hat es auf der Ausgabenseite in den vergangenen Jahren hohe Steigerungsraten gegeben: Die Vergütungsreform der Ärzte hat hier in Bremen beispielsweise zu einem Einnahmenplus von 7,6 Prozent in niedergelassenen Bereich geführt, im Bereich der Krankenhäuser gab es ebenfalls hohe Zuwachsraten.

So muss die gesetzliche Krankenversicherung in diesem Jahr ein Defizit von rund 4 Milliarden Euro verzeichnen, das im nächsten Jahr voraussichtlich noch wesentlich höher ausfallen wird.

Jens Spahn, gesundheitspolitischer Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion sagte zur Frage der Finanzierung: „Das Ziel ist ein Umstieg von den heutigen prozentualen einkommensabhängigen Beitragsätzen zu einkommensunabhängigen Beiträgen verbunden mit einem automatischen Sozialausgleich“.

Dr. Thomas Spies, stellvertretender Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft Sozialdemokraten im Gesundheitswesen, sieht hingegen große Probleme im Falle der Einführung einer neuen Finanzierungssystematik: „Durch verschärfte Umverteilung von unten nach oben sind Kopfpauschalen ungerecht und volkswirtschaftlich unsinnig, da sie - gerade in der Krise – Nachfragepotentiale abbauen. Auch bei einer Teilpauschale zahlen sowohl junge Familien als auch der Durchschnittsrentner schnell mehrere Hundert Euro pro Jahr zusätzlichen Beitrag.“

Aus Sicht von Verbraucherschützer Dr. Thomas Etgeton, vom Bundesverband Verbraucherzentrale, müssen zunächst einmal die Ausgaben auf den Prüfstand: „In den großen Ausgabeposten Krankenhaus, Arzneimittel und ärztliche Versorgung schlummern erhebliche Wirtschaftlichkeitsreserven.“

Wichtig ist, fasste Thomas Ballast zusammen, dass die Politik vor einer Veränderung des bisherigen Finanzierungssystems der gesetzlichen Krankenversicherung die offenen Fragen beantwortet:

  • Auf welcher Basis soll zukünftig ein nachhaltiges Finanzierungssystem organisiert werden?
  • Welche Vorteile besitzt ein schrittweiser Einstieg in die Kopfprämie gegenüber dem bisherigen   Beitragssystem?
  • Wie sieht ein einfaches unbürokratisches Verfahren für einen Sozialausgleich über Steuern aus?
  • Kommen ausreichend Steuermittel für diesen Ausgleich ins System?
  • Werden die Arbeitgeber trotz Festschreibung nicht aus der Verantwortung entlassen?
  • Ist die Regierung bereit, einen kostendeckenden Beitrag für ALG II Empfänger zu zahlen?

 


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