Interview mit Torsten Barenborg, Leiter der vdek-Landesvertretung Bremen

Bremer Gesundheitspolitik nach der Bürgerschaftswahl 2023

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Am 14. Mai 2023 wurde die Bürgerschaft im Land Bremen neu gewählt. In der 21. Legislaturperiode haben SPD, DIE LINKE und Bündnis 90/Die Grünen erneut eine Koalition vereinbart. Was bedeutet das für die Gesundheitspolitik im kleinsten Bundesland? Torsten Barenborg, Leiter der vdek-Landesvertretung, hat den Koalitionsvertrag genauer unter die Lupe genommen und mit den vdek-Positionen verglichen.

Torsten Barenborg, Leiter der vdek-Landesvertretung Bremen

Frage: Welche Erwartungen haben Sie an die neue Regierung, bezogen auf das Gesundheitswesen?

Torsten Barenborg: Ich freue mich, dass Frau Senatorin Bernhard das Vertrauen bekommen hat, ihre Arbeit fortzusetzen, denn es verdient Anerkennung und Respekt, wie sie das Gesundheitswesen unter Pandemiebedingungen zum Wohle der Bremerinnen und Bremer durch eine schwierige Zeit geführt hat. Gegen Ende ihrer ersten Amtszeit hat Frau Bernhard wichtige Initiativen auf dem stationären und dem ambulanten Sektor gestartet, die Frau Bernhard nun konsequent weiterverfolgen muss, weil sie keinen Aufschub dulden. Auf diesem Weg werden die Ersatzkassen und ich Frau Senatorin Bernhard begleiten und gerne unterstützen.

Frage: Was ist aus Sicht des vdek speziell bei der Krankenhaus-Planung zu bedenken?

Torsten Barenborg: Die Regierung darf sich jetzt auf keinen Fall von der Opposition vom unlängst eingeschlagenen Weg der Konzentration stationärer Leistungen abbringen lassen. Ich - ebenso wie übrigens  schon meine Vorgänger:innen - habe der Politik immer wieder erklärt, dass die Vorhaltung gleicher Leistungen an mehreren Krankenhäusern, wie sie seit Jahrzehnten im kleinen Bremen trotz seiner kurzen Wege praktiziert wird, der Qualität abträglich ist und unnötig Personal bindet. Das ergibt keinen Sinn und ist in Zeiten eines stetig zunehmenden Fachkräftemangels unverantwortlich, denn dieses Personal fehlt bereits heute an anderen Stellen. Dieses Problem wird unbeherrschbar, wenn  jetzt nicht gehandelt wird. Die dafür nötigen Veränderungen werden in den Stadtteilen und von dem Personal zunächst als Einschnitte wahrgenommen und erfordern deshalb von der Politik nicht nur Mut und Durchhaltevermögen, sondern eine verständliche und zugewandte Kommunikation gegenüber den Bremer:innen und dem betroffenen Personal. Das traue ich Frau Senatorin Bernhard absolut zu. Zugleich wünsche ich mir von der Opposition, dass sie diese dringend notwendige Reform konstruktiv begleitet, statt sie aus politischem Kalkül in Verruf zu bringen, ohne Alternativen aufzuzeigen. Ebenso wichtig sind eine sektorenübergreifende Versorgungsplanung und trägerübergreifende Kooperationen, wie sie im Koalitionsvertrag festgehalten sind. Auch diese Ziele darf Frau Senatorin Bernhard nicht aus den Augen verlieren. Und um notwendige bauliche Veränderungen zu finanzieren, ist es außerdem nötig, dass das Bundesland endlich die Investitionsmittel im erforderlichen Umfang übernimmt. Auch das steht im Koalitionsvertrag und ist zu begrüßen.

"Ob MVZ oder RGZ - Funktion und Finanzierung müssen rechtskonform sein"

Frage: Die ambulante Gesundheitsversorgung ist ein weiteres wichtiges Politikfeld. Was sagen Sie zu den Plänen der Senatorin für kommunale MVZs, die bereits in der vergangenen Legislaturperiode angestoßen wurden?

Torsten Barenborg: Der vdek plädiert in diesem Zusammenhang für regionale Gesundheitszentren (RGZ) auf Initiative des Landes, in denen Haus- und Fachärzt:innen unter einem Dach miteinander und mit anderen Dienstleistern, wie z. B. Physiotherapeut:innen und Pflegefachkräften kooperieren. Aber egal ob man es nun MVZ oder RGZ nennt: letztlich müssen die Funktion und die Finanzierung rechtskonform geregelt sein, denn Krankenkassen können nur für medizinische, therapeutische und pflegerische Leistungen zahlen, alles andere ist eine Form der Daseinsfürsorge, die von der Kommune übernommen werden muss.

"Pflegebedürftige müssen entlastet werden"

Frage: Die Koalition hat sich im Pflegesektor einiges vorgenommen, z.B. verschiedene Modellprojekte zu präventiven Hausbesuchen und Beratung vor Ort, um die Pflege in den Quartieren zu verbessern. Sie will den Ausbau von Kurzzeitpflegeplätzen und die personelle Verstärkung der Wohn- und Betreuungsaufsicht vorantreiben.

Torsten Barenborg: Das sind einige gute Ideen. Wir müssen schauen, was die Kranken- und Pflegekassen mitfinanzieren können, da uns der gesetzliche Rahmen hier Grenzen setzt. Wir erwarten aber, dass die Bremer Regierung die Pflegebedürftigen in stationären Einrichtungen entlastet, indem sie die Investitionskosten übernimmt, und dies nicht nur bedarfsabhängig, wie im Koalitionsvertrag vereinbart. Angesichts dieser vielfältigen Herausforderungen und der thematischen Nähe von Gesundheitsversorgung und Pflege ist es sicher hilfreich, dass das Thema Pflege, das bislang beim Sozialressort verortet war, nun dem Gesundheitsressort zugeordnet wurde.

Frage: Um den Fachkräftemangel vor allem in der Pflege zu beheben, will die Koalition mehr ausbilden, in die Pflegeschulen investieren und die Anerkennung ausländischer Qualifikationen beschleunigen.

Torsten Barenborg: Genau das hat der vdek in seinem Positionspapier auch empfohlen und wir begrüßen das natürlich sehr. Ob die Regierung all das umsetzen wird, muss sich zeigen.

vdek-Positionspapier 2023

Cover der Gesundheitspolitischen Positionen der Ersatzkassen zur Bürgerschaftswahl 2023 in Bremen

Stand: 01.03.2023 Gesundheitspolitische Positionen der Ersatzkassen zur Bürgerschaftswahl 2023 in Bremen

für die 21. Legislaturperiode der Bremischen Bürgerschaft