112 vs. 116117: Für alle Fälle die richtige Nummer

Fahrender Krankenwagen

Jeder Mensch ist in akuten Notsituationen schnell überfordert. Insbesondere, wenn medizinische Notfälle bei sich selbst oder Angehörigen befürchtet werden, muss einerseits schnell gehandelt werden, andererseits führt der hohe Stress u.U. zu falschen Reaktionen. Gut ist, dass die meisten Menschen in Deutschland wissen, dass bei einem medizinischen Notfall unter der einheitlichen Notrufnummer 112 schnell Hilfe durch den Rettungsdienst alarmiert werden kann.

Deutlich weniger bekannt ist jedoch, dass der Rettungsdienst eigentlich nur für sehr schwere oder lebensbedrohliche Notfälle vorgehalten wird. Für alle anderen Notfallsituationen ist der Kassenärztliche Bereitschaftsdienst (KBD) zuständig. Er ist unter der Nummer 116117 erreichbar und vermittelt im Bedarfsfall einen Hausbesuch oder informiert über die nächste Bereitschaftsdienstpraxis. Dadurch dass der Rettungsdienst mit Bagatellen beschäftigt ist und keine Kapazitäten mehr für lebensbedrohliche Fälle hat, ist dieser Unterschied für das Überleben von Notfallpatientinnen und -patienten entscheidend. Aktuell fährt der Rettungsdienst unter der 112 seine Einsätze in der Reihenfolge des Meldungseingangs und nicht nach Schwere des Notfalls. Die Entscheidung, welcher Erstkontakt zur medizinischen Versorgung gewählt wird, liegt in Deutschland beim Anrufer selbst, der dies in einer Ausnahmesituation und als medizinischer Laie alleine entscheiden muss. Umso wichtiger, dass im Ernstfall die passende Telefonnummer (Rettungsdienst oder KBD) bekannt und präsent ist.

Notfall vs. Bagatellverletzung

Die folgende Entscheidungshilfe unterstützt bei der Abgrenzung: Was ist ein echter Notfall? Und was tun bei Bagatellverletzungen?

  • SOFORT = bei lebensbedrohlichen Beschwerden/ Fällen => Notruf 112 absetzen
  • HEUTE = bei gesundheitlichen Beschwerden/ Erkrankungen, mit denen eine Praxis konsultiert werden würde und deren Behandlung nicht bis zum nächsten Tag warten kann => Arzt oder Psychotherapeut bzw. – außerhalb der Sprechstundenzeiten – Bereitschaftspraxis des KBD aufsuchen
  • BALD = bei Gelegenheit Arzt oder Psychotherapeut aufsuchen

Das wohldurchdachte System aus Kassenärztlichem Bereitschaftsdienst mit eigenen Bereitschaftspraxen, klinischer Notaufnahme und Rettungsdienst ist dem Hilfesuchenden oftmals nicht hinreichend bekannt und in der Notsituation – unabhängig davon, ob objektiv betrachtet ein tatsächlicher Notfall vorliegt oder ob das subjektive Notempfinden das Hilfeersuchen begründet – meist zu komplex. Die Folge: Hilfesuchende sind in der Notsituation überfordert und wählen nicht selten den falschen Versorgungsweg. Obwohl der Notruf 112 nur bei lebensbedrohlichen Zuständen gewählt werden sollte, ist dieser mangels fehlender Versorgungsalternativen oft der letzte Ausweg.

Auswirkungen der (Über-)Beanspruchung des Rettungsdienstes

Das System der präklinischen Akut- und Notfallversorgung ist in den vergangenen Jahren stetig gewachsen, die Einsätze für den Rettungsdienst nehmen beständig zu. Durch die steigende Anzahl an Bagatelleinsätzen wird der Rettungsdienst der eigentlichen Aufgabe – nämlich der Versorgung von lebensbedrohlichen Notfällen – entzogen. Entsprechend muss als Reaktion auf die sinkende Verfügbarkeit der Rettungsmittel die Vorhaltung von rettungsdienstlichen Ressourcen erhöht werden.

Eine wesentliche Ursache für die Einsatzsteigerung sind hierbei systemfremde Einsätze, die aufgrund der Stellung des Rettungsdienstes als Ultimo-Ratio-Mittel in der Notfallversorgung von diesem gepuffert werden. Die Erwartungshaltung auf schnelle Hilfe nimmt zu, während gleichzeitig das Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten im Umgang mit medizinischen Problemen abnimmt. Das stetig steigende Einsatzaufkommen führt vielerorts zu einem höheren Transportaufkommen. Außerdem führt die zunehmende Entsendung der Rettungsmittel zu Bagatelleinsätzen zu einem höheren Ausbildungsbedarf für das rettungsdienstliche Personal, da aufgrund rückläufiger „echter“ Notfälle bei gleichzeitig steigender Einsatzzahl die Einsatzroutine für lebensbedrohliche Einsätze fehlt und mit entsprechendem Training kompensiert werden muss.