Der Rettungsdienst hat als primäre Aufgabe, Notfallpatientinnen und -patienten zu stabilisieren und in ein geeignetes Krankenhaus zu transportieren. Doch mit Blick auf aktuelle (und künftige) Problemlagen könnte die Notfallversorgung in Sachsen und deutschlandweit bald selbst zum „Patient“ werden: Die steigende Notrufzahl und die vermehrte Inanspruchnahme notfallmedizinischer Versorgungsstrukturen sowie die Zunahme systemfremder Einsätze belasten das System der Notfallversorgung zunehmend. Diese Rahmenbedingungen blockieren Kapazitäten in Notaufnahmen und steigern das Frustpotenzial bei den Rettungskräften. Denn wenn der Rettungswagen wegen eines Bagatelleinsatzes unterwegs ist, kann er einem Herzinfarkt- oder Schlaganfallpatienten nicht helfen. Der Rettungsdienst wird hierdurch gewissermaßen seiner eigentlichen Aufgabe – nämlich der Versorgung von lebensbedrohlichen Notfällen – entzogen.
Insgesamt hat das Einsatzaufkommen in den vergangenen zehn Jahren in Sachsen um rund 20 Prozent zugenommen. Entsprechend mehr Rettungsdienst-Fahrzeuge werden auch vorgehalten. Und was vielen Menschen wahrscheinlich so nicht bewusst ist: Für einen durchschnittlichen Notfalleinsatz belaufen sich die Kosten in Sachsen im Jahr 2023 auf 1.185,24 Euro.
Insbesondere durch die Leistungsausweitung entsteht insgesamt das Bild eines mindestens be-, wenn nicht sogar bereits überlasteten prästationären Notfallversorgungs-Systems. Hinzukommen z. T. ineffiziente und ineffektive Parallelstrukturen: Der Rettungsdienst hält ein flächendeckendes Netz an Rettungswachen mit einer engmaschigen Versorgungsstruktur vor. Dem gegenüber steht das System des Kassenärztlichen Bereitschaftsdienstes (KBD). Ein Grund ist die in weiten Regionen bereits auftretende bzw. drohende Unterversorgung insbesondere im hausärztlichen Bereich – mit einer Ausdünnung der Arztdichte bzw. einer fehlenden Nachbesetzung von Arztsitzen. Hierdurch werden die jeweils durch einen Arzt abzudeckenden Versorgungsgebiete immer größer. Es entstehen längere Fahrtwege, damit auch längere Wartezeiten. Aufgrund von Ungeduld oder Angstempfinden der Patient:innen wird die lange Wartezeit dann mit der Wahl des Notrufes kompensiert. Außerdem bleibt oft für die Patient:innen bei selbsterklärter Unzuständigkeit des kassenärztlichen Bereitschaftsdienstes nur der Rettungsdienst als Versorgungsmöglichkeit übrig. Dieser muss dadurch bestehende Versorgungsmängel kompensieren.