Innerhalb von zehn Jahren hat sich die Zahl der Pflegebedürftigen in Schleswig-Holstein mehr als verdoppelt. Laut der amtlichen Pflegestatistik waren Ende 2023 mehr als 175.000 Menschen in Schleswig-Holstein pflegebedürftig, d. h. sie bezogen Leistungen aus der Sozialen Pflegeversicherung (SPV). Davon machen die Personen, die ausschließlich von An- oder Zugehörigen gepflegt, betreut und versorgt werden, mit gut 81.000 oder 46 Prozent die größte Gruppe aus. Hinzu kommen diejenigen, bei denen zusätzlich ein ambulanter Pflegedienst unterstützt.
Bedeutung der häuslichen Pflege wird weiter wachsen
Damit leistet die häusliche Pflege den größten Teil der pflegerischen Versorgung im Norden. „Die Bedeutung der häuslichen Pflege wird in den kommenden Jahren noch weiter zunehmen, weil die Zahl der Pflegebedürftigen durch die demografische Entwicklung noch einmal erheblich zunehmen und gleichzeitig der Fachkräftemangel in der professionellen Pflege größer wird“, betont Nicole Knudsen, von „wir pflegen Schleswig-Holstein e. V.“, der Interessensvertretung und Selbsthilfe pflegender Angehöriger in Schleswig-Holstein.
Die Ausgaben der Pflegeversicherung erreichten 2024 mit bundesweit 68,2 Milliarden Euro einen historischen Höchstwert. Dabei konnten zahlreiche Leistungen und Entlastungsangebote, auf die die Pflegebedürftigen bzw. ihre Angehörigen einen Anspruch haben, noch nicht einmal wahrgenommen werden. Teilweise ist das entsprechende Angebot in der Region nicht verfügbar oder der Leistungskatalog der SPV ist für Laien schwer zu durchschauen. „Das sind nur einige der strukturellen Defizite der Pflegeversicherung, von denen die häuslich Pflegenden überdurchschnittlich stark belastet werden“, erläutert Claudia Straub, Leiterin der Landesvertretung Schleswig-Holstein des Verbandes der Ersatzkassen e. V. (vdek).
Forderung nach grundlegender Reform der Pflegeversicherung
Deshalb fordern vdek und „wir pflegen SH e. V.!“ jetzt in einem Schulterschluss eine grundlegende Reform der Pflegeversicherung, die auch die Situation der pflegenden An- und Zugehörigen verbessert, um den drohenden Pflegekollaps zu verhindern. Zentrale Punkte dabei sind:
Entlastungsbudget einführen: Die finanziellen Leistungsangebote der Pflegeversicherung sind zu unübersichtlich, die Inanspruchnahme häufig zu bürokratisch, u. a. weil sie monatlich erfasst und abgerechnet werden. Einfacher wäre da ein Budget für die Entlastungsleistungen für ein ganzes Kalenderjahr, das den Angehörigen transparent und flexibel zur Verfügung steht.
Entbürokratisierung vorantreiben: Grundsätzlich müssen die Pflege und die Pflegeversicherung entbürokratisiert werden.
Übersicht über freie Pflegekapazitäten schaffen: Pflegende Angehörige müssen sich leichter und schneller einen Überblick verschaffen können, wo es freie Pflegekapazitäten und Beratungsangebote gibt. Ein Onlineportal, das tagesaktuell über freie Kapazitäten vor Ort informiert, kann hier Abhilfe schaffen.
Stärkung von Netzwerken und Selbsthilfe: Die Selbsthilfe und das Netzwerk für häusliche Pflege müssen gestärkt und ausgebaut werden.
Ausbau der Prävention in der Pflege: Bislang führt die Prävention in der Pflege ein Schattendasein. Künftig müssen präventive Maßnahmen viel stärker in den Fokus rücken. Genauso wie in der gesetzlichen Krankenversicherung müssen auch in der Sozialen Pflegeversicherung mehr Präventivangebote aufgebaut werden, um einem Pflegefall vorzubeugen und die Selbstständigkeit von alten oder pflegebedürftigen Menschen möglichst lange zu erhalten.
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