Pflege - vor großen Herausforderungen

Pflegekraft stützt Seniorin mit Gehstock

Die soziale Pflegeversicherung (SPV) ist das jüngste Element des Sozialversicherungssystems in Deutschland Sie wurde 1995 durch das Pflegeversicherungsgesetz als fünfte Säule der Sozialversicherung eingeführt. Alle wichtigen Regelungen der SPV finden sich im Elften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XI). Alle gesetzlich Krankenversicherten sind automatisch auch in der SPV versichert und erhalten im Pflegefall Leistungen von der Pflegekasse.

Seit 1995 hat sich viel verändert. Die Ausgaben der Pflegeversicherung lagen damals bei (umgerechnet) knapp fünf Milliarden Euro – 2022 waren es über 60 Milliarden Euro. Das liegt einerseits daran, dass das Leistungsspektrum der Pflegeversicherung mehrfach erweitert wurde und dass sich andererseits im Laufe der Jahre auch der Kreis der Anspruchsberechtigten durch die demografische Entwicklung sowie durch mehrere Gesetzesänderungen erheblich vergrößert hat.

Pflegebedürftige und Pflegepersonal in Schleswig-Holstein

Kombiniertes Säulen- und Kurvendiagramm, das die Entwicklung der Anzahl Pflegebedürftiger in Schleswig-Holstein von 2011 bis 2021 zeigt - aufgeteilt auf die verschiedenen Versorgungsformen

Die Grafik zeigt, dass sich die Anzahl der Pflegebedürftigen in Schleswig-Holstein seit 2011 nahezu verdoppelt hat. Allein zwischen 2019 und 2021 gab es einen Zuwachs um mehr als 20 Prozent, während die Zahl der in ambulanten und stationären Pflegeeinrichtungen Beschäftigten im gleichen Zeitraum nach Angaben des Statistikamtes Nord nur um vier Prozent auf rund 47.500 Personen gestiegen ist.

Genau wie in anderen Branchen ist auch in der Pflege der schon jetzt bestehende Fach- und Arbeitskräftemangel ein großes Problem, das sich in den kommenden Jahren voraussichtlich noch weiter verschärfen wird. Deshalb ist es wichtig, die Arbeitsbedingungen in der Pflege attraktiver zu machen. Hier ist schon einiges geschehen: Durch die Einführung der Tarifbindung in der Pflege zum 01.09.2022 stiegen die Gehälter in allen Bereichen der Pflege deutlich. Außerdem wurde zum 01.07.2023 ein neues Personalbemessungssystem für die vollstationäre Pflege eingeführt, die Qualitätsverbesserungen für die Pflegebedürftigen und Entlastung für das Personal bringen soll.

Den „größten Pflegedienst des Landes“ bilden nach wie vor die Angehörigen, denn fast 70.000 Pflegebedürftige in Schleswig-Holstein werden zu Hause ohne die Unterstützung durch einen ambulanten Pflegedienst versorgt.

Finanzierung der Pflegeversicherung

Pflege und Geldscheine

Die Pflegeversicherung hat 2022 zum zweiten Mal in Folge wieder ein Milliardendefizit verzeichnet: Einnahmen von knapp 57,8 Milliarden Euro standen bundesweit Ausgaben in Höhe von gut 60 Milliarden Euro gegenüber. Für 2023 wird sogar ein Defizit von rund drei Milliarden Euro erwartet.

Die Soziale Pflegeversicherung ist vom Grundsatz her anders konzipiert als die gesetzliche Krankenversicherung (GKV). Während die GKV eine Vollversicherung ist, war die SPV von Anfang an so angelegt, dass sich die Pflegebedürftigen bzw. deren Angehörige finanziell an den Kosten beteiligen. Vor allem für die Bewohnerinnen und Bewohner von Pflegeheimen ist der von ihnen selbst zu zahlende Anteil in den vergangenen Jahren erheblich gestiegen. Um eine finanzielle Überlastung zu verhindern, hat der Gesetzgeber zum Jahresbeginn 2022 einen Leistungszuschlag eingeführt, den die Pflegekasse zahlt und der nach der Aufenthaltsdauer des Versicherten im Pflegeheim gestaffelt ist.

Entwicklung der Eigenanteile in der stationären Pflege

In Schleswig-Holstein ist die Gesamtzuzahlung für Bewohnerinnen und Bewohner von stationären Pflegeheimen im ersten Jahr ihres Aufenthalts zwischen dem 01.01.2023 und dem 01.01.2024 auf durchschnittlich 2.452 Euro pro Monat gestiegen. Das ist eine Steigerung um 98 Euro bzw. 4,2 Prozent innerhalb eines Jahres. Damit hat sich der Anstieg gegenüber dem Vorjahr deutlich abgeschwächt, was vor allem auf die Erhöhung des Leistungszuschusses durch die Pflegeversicherung zum 01.01.2024 zurückzuführen ist.

Im ersten Jahr des Aufenthaltes beträgt der Zuschuss zu den pflegebedingten Aufwendungen jetzt 15 statt bisher 5 Prozent. Im zweiten Jahr sind es nun 30 statt 25 Prozent, im dritten Jahr 50 statt 45 Prozent und ab dem vierten Jahr beträgt der Zuschuss jetzt 75 statt 70 Prozent. Ohne diese Zuschüsse läge die finanzielle Belastung eines Pflegebedürftigen in der stationären Pflege in Schleswig-Holstein bei durchschnittlich 2.633 Euro pro Monat.

Säulendiagramm mit acht Säulen, die die durchschnittliche finanzielle Belastung von Pflegeheimbewohnern in Schleswig-Holstein in Abhängigkeit von ihrer Verweildauer im Pflegeheim zum Stichtag 01.01.2024 im Vergleich zum Vorjahr zeigen

Gesetz zur Unterstützung und Entlastung in der Pflege: einige Verbesserungen, aber kein großer Wurf

Am 01.07.2023 ist das sogenannte Pflegeunterstützungs- und Entlastungsgesetz (PUEG) in Kraft getreten. Ein zentraler Punkt ist die Umsetzung eines Urteils des Bundesverfassungsgerichts, wonach der Beitrag zu Pflegeversicherung den Erziehungsaufwand von Eltern berücksichtigen muss. Vom zweiten bis zum fünften Kind gibt es einen Abschlag auf den Beitragssatz von jeweils 0,25 Prozentpunkten. Gleichzeitig wurde der allgemeine Beitragssatz von 3,05 auf 3,40 Prozent des Bruttoeinkommens erhöht, um die Einnahmen der Pflegeversicherung angesichts der stark steigenden Ausgaben zu erhöhen. Den Zuschlag für Kinderlose gibt es weiterhin, er beträgt nun 0,60 statt zuvor 0,35 Prozentpunkte.

Die aktuellen, nach Anzahl der Kinder gestaffelten Beitragssätze zur Pflegeversicherung finden Sie hier:

Für Kinderlose:                                                4,00 Prozent

Für Eltern mit einem Kind:                              3,40 Prozent

Für Eltern mit zwei Kindern:                           3,15 Prozent

Für Eltern mit drei Kindern:                            2,90 Prozent

Für Eltern mit vier Kindern:                            2,65 Prozent

Für Eltern mit fünf oder mehr Kindern:          2,40 Prozent

Auf der anderen Seite werden verschiedene Leistungen für Pflegebedürftige verbessert. So wird beispielsweise die Pflege zu Hause durch die Erhöhung des Pflegegeldes gestärkt und andererseits erhöht sich der Leistungszuschuss der Pflegekassen für Bewohnerinnen und Bewohner von Pflegeheimen, um den stark steigenden Eigenanteilen etwas entgegenzusetzen. Details zu den Leistungsverbesserungen durch das PUEG, von denen die meisten zum 01.01.2024 wirksam wurden, finden Sie hier.

Insgesamt greift das PUEG aus Sicht des vdek aber trotz der begrüßenswerten Verbesserungen für die Pflegebedürftigen zu kurz. Das Gesetz mag kurzfristig Entlastung bringen, es ist aber keine nachhaltige Reform, weil es keine nachhaltigen Antworten auf zentrale Fragen zur Versorgung und Finanzierung gibt.

Zur Finanzierung der bestehenden Defizite und der zusätzlichen Leistungen werden allein die Beitragszahlenden herangezogen. Pflege ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Zumindest die versicherungsfremden Leistungen – wie etwa die Rentenbeiträge pflegender Angehörige – müssten aus Steuermitteln finanziert werden. Zum solidarischen Ansatz der Pflegeversicherung würde auch gehören, dass sich die Private Pflegeversicherung (PPV) am Finanzausgleich der SPV beteiligt. Angesichts der hohen finanziellen Belastung von Pflegeheim-Bewohnern, die absehbar weiter steigen wird, wäre es mehr denn je angezeigt, dass die Länder die Investitionskosten der stationären Altenpflege übernehmen, die bislang auf die Bewohnenden umgelegt werden.

vdek-Pflegelotse

Startseite der Webseite pflegelotse.de

Wenn Sie mehr über die Kosten sowie über die Qualität von ambulanten Pflegediensten oder stationären Pflegeeinrichtungen in Ihrer Region erfahren möchte, finden Sie diese Informationen über den Pflegelotsen, das unabhängige und kostenlose Informationsportal des vdek. Die Qualität der Einrichtungen wird auf Grundlage objektiver Prüfergebnisse dargestellt.

Zudem besteht die Möglichkeit, verschiedene stationäre Pflegeeinrichtungen und Pflegedienste zu vergleichen. Der Pflegelotse bietet die Darstellung der Informationen auch in Leichter Sprache und in Gebärdensprache an: https://www.pflegelotse.de/presentation/pl_startseite.aspx