Die Bündnis 52-Verbändekooperation Baden-Württemberg hat in ihrer gestrigen gesundheitspolitischen Veranstaltung im Stuttgarter GENO-Haus die Gesundheitskompetenz zum zentralen Thema gemacht. Unter dem Titel „Prävention im Fokus – wie können wir Gesundheitskompetenz stärken?“ diskutierten Vertreterinnen und Vertreter der Landesregierung sowie aus Wissenschaft, Verwaltung und Krankenkassen vor über 150 Gästen, wie die Gesundheitsvorsorge der Menschen im Land in allen Lebensbereichen der Gesellschaft ausgebaut werden kann.
Gesundheitsförderung und Prävention sind zentrale Aufgaben der gesetzlichen Krankenkassen. Gesundheitskurse, Informationen über Krankheiten und deren Behandlungen sowie Vorsorgeuntersuchungen sind als wichtige Angebote für die Versicherten nicht mehr wegzudenken und in der Breite etabliert. Gleichzeitig müssen die Menschen befähigt werden, relevante Informationen über Gesundheit zu finden, zu verstehen und auf das eigene Leben anzuwenden. Diese Gesundheitskompetenz der Bevölkerung gilt es in einer zunehmend digitalen Welt zu stärken.
„Dies kann nicht alleinige Aufgabe der gesetzlichen Krankenkassen sein. Es bedarf der Beteiligung und der Einbindung der gesamten Gesellschaft und ihrer Institutionen“, so Jacqueline Kühne von der Bündnis 52-Verbändekooperation in ihrer Begrüßung. „Alle Verantwortlichen in Staat, Politik und Gesellschaft müssen ihren Beitrag für gesunde Lebensverhältnisse und Rahmenbedingungen leisten, um den Ansatz „Health in All Policies“, das heißt Gesundheit in allen Politikfeldern, zu verwirklichen.“
Im Kindesalter die Weichen stellen
Der Bündnis 52-Verbändekooperation Baden-Württemberg war es in diesem Kontext daher wichtig, das Kultusministerium des Landes in die Veranstaltung mit einzubinden. Denn in Kitas und Schulen kann in frühen Jahren gerade bei Kindern und Jugendlichen viel erreicht werden.
In ihrer Keynote wies Staatssekretärin Sandra Boser MdL vom Ministerium für Kultus, Jugend und Sport Baden-Württemberg darauf hin, dass „die Entwicklung von Gesundheitskompetenzen eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe ist und die Bildungseinrichtungen hierbei eine besondere Bedeutung haben. Bewegungsmangel, Übergewicht, Adipositas, übermäßige Mediennutzung und psychische Belastungen können die Gesundheit junger Menschen massiv beeinträchtigen. Bereits im Kindesalter werden die Weichen für die Entwicklung einer guten körperlichen und psychischen Gesundheit gestellt. Daher stärken wir mit zahlreichen Bildungsmaßnahmen in Kita und Schule gezielt die Gesundheitskompetenz der Kinder und Jugendlichen. Diese reichen von der Behandlung im (Fach-)Unterricht, über Bewegungsangebote, gesunde Verpflegung und Ernährungsbildung bis hin zu verschiedenen Präventionsprogrammen oder den Angeboten der Schulsozialarbeit und der Schulpsychologie.“
Kritik am Gesundes-Herz-Gesetz
Vor dem Hintergrund der kontinuierlich steigenden Kosten für die Behandlung von Krankheiten, die durch ungesunde Lebensführung verursacht werden, ist der ganzheitliche Ansatz zur Stärkung der Gesundheitskompetenz von besonderer Bedeutung. Allein durch Tabak, Alkohol und Zucker entstehen dem Gesundheitswesen in Deutschland Kosten in Höhe von rund 60 Mrd. Euro.
Jacqueline Kühne übte daher auch Kritik am aktuellen Entwurf der Bundesregierung für das „Gesundes-Herz-Gesetz“: „Es steht außer Zweifel, dass wir als gesetzliche Krankenkassen die Bekämpfung von Herz-Kreislauferkrankung befürworten. Allerdings sollten wir damit nicht die bestehenden Angebote auf dem Feld der Primärprävention einschränken, sondern vielmehr weiterentwickeln. Daher lehnen wir die Absicht, die finanziellen Mittel für Angebote im Bereich der Primärprävention - beispielsweise für Gesundheitskurse - zu kürzen, ganz klar ab.“
In der Diskussionsrunde wurde deutlich, dass die Kommune für die Umsetzung von Prävention und Gesundheitsförderung eine wichtige Drehscheibe darstellt. „Weil die Menschen dort leben und arbeiten und zudem dort professionalisierte Vernetzungsstrukturen vorhanden sind. Es ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe!“, so Michael Mruck für die Bündnis 52-Verbändekooperation. Das gelte besonders in Zeiten knapper Kassen. „Wir brauchen daher versorgungspolitisch gut gemachte Gesetze, die für die Krankenkassen zudem auch finanzierbar sind. Dem werde das Gesundes-Herz-Gesetz“ nicht gerecht, so Michael Mruck.
Geringe Gesundheitskompetenz in Deutschland
Aus wissenschaftlicher Sicht ordnete eine der bundesweit führenden Wissenschaftlerinnen auf dem Gebiet der Gesundheitskompetenz, Frau Prof. Dr. Doris Schaeffer von der Universität Bielefeld, die aktuellen Entwicklungen ein. Gesundheitskompetenz basiere auf der Fähigkeit der Menschen, Gesundheitsinformationen in unterschiedlicher Form zu finden, zu verstehen, zu beurteilen und anzuwenden. Während die gesellschaftliche Bedeutung von Gesundheitskompetenz weiter steige, habe diese sich in den letzten Jahren in Deutschland verschlechtert. Das zeigen aktuelle Studien. Insbesondere die digitale Gesundheitskompetenz sei niedriger als die allgemeine Gesundheitskompetenz und auch geringer als in anderen Ländern. Zudem sei die Gesundheitskompetenz ungleich verteilt. Besonders Personen mit niedriger Bildung, niedrigem Sozialstatus und im höheren Alter würden über eine geringe Gesundheitskompetenz verfügen. Prof. Dr. Schaeffer stellte verschiedene Maßnahmen zur Stärkung der Gesundheitskompetenz vor und appellierte: „Angesichts der neuen Informationswirklichkeit, die geprägt ist von einer neuen Geschwindigkeit, Ungewissheit und Unübersichtlichkeit, stellt die Förderung der (digitalen) Gesundheitskompetenz eine gesellschaftliche Daueraufgabe dar, die durch neue Technologien wie KI noch bedeutender wird und ein breites Vorgehen erfordert.“
In der anschließenden Paneldiskussion wurden Lösungsansätze auch vor dem Hintergrund technischer Möglichkeiten durch KI aufgegriffen. Für Kai Swoboda von der Bündnis 52-Verbändekooperation ist „die Gesundheitskompetenz eine Schlüsselqualifikation. Wir Krankenkassen sind einer von vielen Akteuren, die die Gesundheitskompetenz stärken können und müssen. Wir unterstützen mit einem Mix aus analogen und digitalen Angeboten, um möglichst viele Versicherte zu erreichen.“
In seinem Schlusswort zur Veranstaltung wies Anton Haupenthal für die Bündnis 52-Verbändekooperation darauf hin, dass die prognostizierte Entwicklung für viele Volkskrankheiten, wie zum Beispiel Diabetes, aufgehalten werden muss. Es ginge darum, Bewegungsmangel, Alkohol- und Tabakkonsum sowie ungesunde Ernährung in den Griff zu bekommen. „Die klare Botschaft unserer heutigen gesundheitspolitischen Veranstaltung lautet: Prävention muss deutlich gestärkt und im Gesundheitssystem neu verankert werden“, so Haupenthal.
Kontakt
Frank Winkler
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