Kleinräumige Bedarfsplanung führt nicht zum Ziel
Vor etwas mehr als einem Jahr wurde die neue rot-grün-rote Regierung im Land Bremen gewählt. In ihrer Koalitionsvereinbarung sprachen sich die drei Regierungsparteien für eine „ausgeglichenere und gerechtere Verteilung von niedergelassenen Ärzten“ aus.
Der Plan: eine kleinräumigere Bedarfsplanung. Dieses Thema treibt vor allem die Gesundheitssenatorin Claudia Bernhard (Die Linke) voran. Doch die gesetzlichen Krankenversicherungen (GKV) und die Kassenärztliche Vereinigung Bremen (KVHB) sehen diesen Plan kritisch. Ein Blick auf die Zahlen hinter der derzeitigen Bedarfsplanung zeigt, dass dies keine Option ist, betont der Leiter der vdek-Landesvertretung, Torsten Barenborg: „In Bremen und Bremerhaven haben 13 von 14 Arztgruppen eine Überversorgung, das heißt einen Versorgungsgrad von mehr als 110 %. Bei Psychotherapeuten wird in Bremen eine Versorgung von 174,9 % und von 132,7 % in Bremerhaven erreicht.“ Daher gelten in diesen 13 Arztgruppen Zulassungsbeschränkungen, die von der KVHB und den Krankenkassen zu beachten sind.
Strukturschwäche ist schwieriger Maßstab
Durch das neue Terminservice- und Versorgungsgesetz (TSVG) können Zulassungsbeschränkungen in ländlichen oder strukturschwachen Gebieten aufgehoben werden. „Da es im Land Bremen keine ländlichen Gebiete gibt, könnten nur strukturschwache Gebiete in Frage kommen“, so Barenborg. Doch woran kann Strukturschwäche in Hinblick auf ärztliche Versorgung gemessen werden? Einkommen, Arbeitslosenquote oder Anteil der Menschen mit Migrationshintergrund sind Indikatoren, die durch eine höhere Arztquote nicht beeinflusst werden. Bleibt die Morbidität, also die Quote der Erkrankungen in der Bevölkerung.
Aufhebung von Beschränkung führt nicht zu mehr Ärzten
Doch auch hier ist die Argumentation nicht mit Zahlen zu belegen, wie Torsten Barenborg erklärt: Der Anteil der Patienten mit erhöhter Morbidität liegt in ganz Bremen bei 28%, in Oberneuland, einem eher wohlhabenden Stadtteil bei 32%, im sozial benachteiligten Gröpelingen bei 25%. Dagegen liegt der Versorgungsgrad von Hausärzten in Oberneuland bei 60%, in Gröpelingen allerdings bei 110%. „Folgt man der Argumentation der Koalition, müsste man also eher über eine Aufhebung der Zulassungsbeschränkung für Oberneuland nachdenken.“
Die Zulassungsbeschränkungen aufzuheben bedeutet nicht unbedingt, dass neue Arztsitze besetzt werden können, denn derzeit mangelt es an niederlassungswilligen Vertragsärzten. Hinzu kommt: Jeder zusätzliche Arzt im überversorgten Bremen fehlt im unterversorgten ländlichen Umland. Der vdek-Leiter warnt weiter: „Insgesamt können neue Arztsitze dazu führen, dass die ‚Tortenstücke‘ für alle Ärzte kleiner werden und Bremen damit unattraktiver wird.“ Hintergrund: Die Finanzierung durch die GKV richtet nicht nach Arztsitzen, sondern nach Morbidität und Demographie.
GKV hilft mit Strukturfördermitteln
Um die gute ärztliche Versorgung in Bremen auch künftig zu sichern, haben GKV und KVHB im vergangenen Jahr 580.000 Euro für die Strukturförderung zur Verfügung gestellt (2018: 450.000 Euro). In diesem Jahr werden die Mittel nochmals aufgestockt. Diese Fördermittel wurden verwendet für Weiterbildungsassistenten, Sonderbedarfszulassung von Rheumatologen und die Finanzierung der Terminservicestelle, die für eine schnellere Vermittlung von Facharzt-Terminen sorgen soll.
Letztlich, so Torsten Barenborg, ist die ärztliche Versorgung im Land Bremen flächendeckend – und damit auch in sozial benachteiligten Gebieten – gesichert: „Die richtigen Bemessungskriterien für Arztsitze sind die Häufigkeit von Erkrankungen sowie die Entwicklung der Bevölkerungszahlen und nicht der Anteil von Sozialleistungsempfängern.“
(erschienen im ersatzkasse report.Bremen Juni 2020)