Warum setzt sich aber plötzlich eine neue Mutationsvariante des Corona-Virus (wie B117) durch, auch wenn es keinen Anpassungsdruck gibt, da sicherlich noch ausreichend „Wirte“ für das Virus vorhanden sind?
Das Virus will in seinem Sinne „besser“ werden. Es möchte möglichst viele Wirte von einer Person ausgehend infizieren, um die kontinuierlich sich vervielfältigende Kette aufrecht zu erhalten. Ein Anpassungsdruck besteht schon. Denn das Virus muss auf andere Wirte gelangen. Und wir hatten ja auch Kontaktbeschränkungsmaßnahmen, die das Virus registriert hat. Der Anpassungsdruck ist also, wegen der Kontaktbeschränkungen schneller zu sein. Dann konzentriert es sich in seiner Weiterentwicklung auf die Situationen, in denen die Beschränkungen nicht eingehalten werden, mit einer Anpassung auf eine besonders schnelle Ansteckung. Daher sind solche Einschränkungsmaßnahmen, wenn sie nicht strikt genug sind, eine Gelegenheit für die schnellere Mutation des Virus, sich besser durchzusetzen. Deshalb bin ich kein Freund des „Lockdown light“ – aus Sicht des Virologen ist dies brandgefährlich.
Wenn wir durch die Impfung eine ausreichende Herdenimmunität erreicht haben, wird sich der Umgang mit dem Coronavirus dann - wie mit dem Grippevirus – auf die Beobachtung und eine jährliche Impfung einspielen, oder unterscheiden sich Grippe- und Coronavirus?
Die Überwachungsmaßnahmen wie beim Grippevirus und das Nachregulieren des Impfstoffs bieten sich auch für das Coronavirus an. Die Überwachung müsste allerdings anders erfolgen, als beim Grippevirus. Da sich das Coronavirus länger im Körper – in den unterschiedlichen Geweben – aufhält, als das Grippevirus. Dieses infiziert den Körper und die Krankheit ist etwa nach sechs Tagen überstanden. Das sieht beim Coronavirus anders aus. Der Krankheitsverlauf ist viel länger und bei etwa jedem zwanzigsten Patienten hält sich das Virus viel länger oder reaktiviert später wieder. Das kann durchaus dazu führen, dass die Tests negativ sind, das Virus sich aber noch im Körper befindet und zu einem späteren Zeitpunkt wieder anfängt sich auszubreiten. Diese Gefahr haben wir bei der Grippe nicht. Deshalb ist hier ist die Beobachtung über die nächsten Jahre sehr wichtig. Dieses Virus wird bleiben und es hat das Potential sich exponentiell weltweit auszubreiten.
Können wir beim Coronavirus denn dahin kommen, dass wir es, so wie zum Beispiel das Poliovirus, in den Griff bekommen?
Dass das Coronavirus eher träge ist, könnte natürlich helfen. Die Voraussetzung ist aber, nur noch sehr wenige Infektionen zu haben, da diese zu aggressiveren Varianten führen. Wenn durch die Impfmaßnahmen die Infektionen stark reduziert werden, könnte es sein, dass dieses Virus relativ stabil bleibt. Verschwinden wird das Virus nicht, aber es wird möglicher Weise in den Griff zu bekommen sein.