Pflegende Angehörige sind oft einer hohen Belastung ausgesetzt, die ihnen auch gesundheitlich zu schaffen macht. Ein bundesweites Projekt der Arbeiterwohlfahrt (AWO) zusammen mit dem Verband der Ersatzkassen (vdek) im Rahmen der Gesunden Lebenswelten der Ersatzkassen versucht nun Möglichkeit zu finden, die pflegenden Angehörigen durch vermehrte Unterstützung im Quartier zu entlasten. In Gröpelingen gibt es seit Mai 2024 einen von bundesweit fünf Standorten des Projektes.
Pflegende An- und Zugehörige im Quartier – Gesundheit fördern, Prävention stärken (PflAQ)
„Es ist ja kein Geheimnis, welche Doppelbelastungen pflegende Angehörige haben“, weiß Thalea Myrus, Pflegedienstleitung bei der Tagespflege im Ella-Ehlers-Haus. „Oft haben sie selber Kinder, sind berufstätig. Und obwohl es einige Möglichkeiten zur Entlastung gibt, hapert es daran, dass sie an den Aktivitäten gar nicht teilnehmen können, weil beispielsweise die zu pflegenden Angehörigen dauerhaft zuhause betreut werden müssen. Die Angebote sind nicht niedrigschwellig genug.“
Hier will das Projekt ansetzen. Zusammen mit Ina Esders, Fachbereichsleiterin ambulante Pflege, möchte Thalea Myrus sich mit Akteuren aus dem Quartier zusammensetzen, die Zugang zu pflegenden An- und Zugehörigen haben. „Das Besondere an unserem Quartier ist, dass wir schon viele verschiedene Akteure haben, die wir vernetzen können. Zum Beispiel den Quartiersmanager und die Gesundheitsfachkraft für Gröpelingen, das Dienstleistungszentrum, das Gesundheitszentrum LIGA oder Selbsthilfegruppen für pflegende Angehörige. Außerdem haben wir einen hohen Migrationsanteil, dort wird kulturell bedingt vermutlich anders gepflegt.“
Fokusgruppe über Belastung und Unterstützung
Über einen Steuerungskreis mit diesen Einrichtungen sollen fünf bis acht Betroffene erreicht werden, die sich mit Myrus in einer Fokusgruppe zu einem ausführlicheren Gespräch treffen. Gesucht sind Menschen aus möglichst vielen verschiedenen Bereichen, beispielsweise jemand, der seinen Angehörigen in die Tagespflege bringt ebenso wie jemand, der in Vollzeit pflegt oder ambulante Hilfe in Anspruch nimmt. „In dieser Fokusgruppe wollen wir klären, was die größten Belastungen sind, welches Unterstützernetz es vor Ort gibt, welche Informationen bekannt sind und warum es so schwierig für sie ist, an gesundheitsfördernden Maßnahmen teilzunehmen“, erklärt Thalea Myrus. „Es geht also um konkrete Bedarfe, Probleme und Wünsche der pflegenden An- und Zugehörigen im Quartier.“
Anschließend soll im Steuerungskreis überlegt werden, wie diese Probleme gelöst werden könnten. „Abgestimmt auf unsere Fokusgruppe, wollen wir passende Präventionsmaßnahmen anbieten. Das kann Resilienztraining sein oder eine Ernährungsberatung.“ Das Besondere: Die Teilnehmenden des Steuerungskreises und auch die Tagespflege der AWO verbinden ihre gegenseitigen Kompetenzen. „Die Räume der Tagespflege sind nach 16 Uhr ungenutzt, und wir haben große Räume zum Beispiel für einen Yoga-Kurs. Da wäre es eine Option, unsere Räumlichkeiten zur Verfügung zu stellen, wenn jemand aus dem Quartier einen zertifizierten Kurs anbieten möchte, während die pflegebedürftige Person mitgebracht und nebenan betreut werden kann. So versuchen wir über die Akteure, unsere Möglichkeiten zusammenzufassen und kostengünstige niedrigschwellige Angebote zu entwickeln.“
Ziel: Umsetzungsleitfäden
Auch die Verstetigung wird von Anfang an mitgedacht: „Wir wollen nur Maßnahmen anbieten, die wir auch nach der Projektlaufzeit im Quartier finanzieren können.“ Von den entwickelten Maßnahmen und Methoden sollen auch andere Quartiere profitieren. So entsteht auf Bundesebene ein Umsetzungsleitfaden aus den Lösungen der verschiedenen Standorten mit ihren jeweiligen andersartigen Schwierigkeiten, der für Interessierte im Internet zur Verfügung gestellt wird.
Solche Umsetzungsleitfäden gibt es bereits aus Vorläuferprojekten, die allerdings den Fokus auf Senioren ab 65 Jahre im ländlichen Bereich gelegt hatten. Außerdem läuft parallel ein Tandemprojekt der TU München, das durch breit angelegte Befragungen in teilstationären Pflegeeinrichtungen und Audio-Tagebüchern von pflegenden An- und Zugehörigen die Belastungen in städtischen und ländlichen Quartieren erfasst und Handlungsempfehlungen formuliert.
Denkt Thalea Myrus an ihr Projekt in Gröpelingen, so wünscht sie sich eine größere Sichtbarkeit der Tagespflege im Ella-Ehlers-Haus im Quartier, maßgeschneiderte, niedrigschwellige Angebote und dadurch eine bessere Entlastung der pflegenden Angehörigen sowie eine nachhaltige Vernetzung der verschiedenen Akteure im Bremer Westen. „Aus den Herausforderungen können wir lernen für die Zukunft, für die Verbesserung der Pflege und für die Verbesserung des Gesundheitszustandes der pflegenden Angehörigen.“
Hier finden Sie mehr zum Projekt der AWO "Gesund im Quartier":
- https://awo.org/artikel/gesund-im-quartier/
- https://www.gesunde-lebenswelten.com/gesund-vor-ort/aeltere-menschen/gesund-altern-und-pflegen-im-quartier-67/