Anpassung von klassischen Elementen
Die klassischen Resilienz-Übungen, die im Berufsleben eine große Rolle spielen, sind allerdings für das spezielle Klientel in der Tagespflege nicht geeignet. „Elemente aus dem Yoga, dem autogenem Training oder der Selbstreflexion gehen beispielsweise bei kognitiv eingeschränkten Menschen mit Demenz nicht.“ Also begann er zusammen mit der Resilienz-Trainerin Anne-Kathrin Godt typische Übungen zu adaptieren. „Von Vorteil war, dass Frau Godt schon in der Altenpflege arbeitet, so hat sie ein gutes Verständnis dafür.“ Darüber hinaus sei es aber ein ständiges Ausprobieren, was tatsächlich mit den Gästen der Tagespflege funktioniert und was nicht.
Musikalische Übungen kommen bei allen gut an, so ihre Erfahrung nach den ersten Wochen des Projektes. Auch Farben spielen eine große Rolle, eigentlich alles was die emotionale Ebene anspricht. Ruhige Meditationen sind für Schwerhörige eher schwierig, Entspannungsübungen für Menschen mit großer Unruhe auch. Zwei Mal in der Woche finden die Gruppen statt, aufgeteilt nach Krankheitsbildern. So sucht sich jeder aus, was ihm gerade gut tut. Und am Nachmittag werden kleine Übungen noch einmal aufgegriffen und durch die Mitarbeiter:innen der Tagespflege in den Alltag integriert, je nach persönlicher Vorliebe. Das dient auch der Weiterbildung des Teams.
Dabei wird ständig reflektiert, wie eine Übung bei den Gästen ankommt, und dann angepasst, berichtet Weemeyer. Nach jeder Sitzung gibt es ein Gruppenfeedback durch die Trainerin bzw. den ebenfalls eingesetzten Musikpädagogen. Außerdem ist bei den Gruppentreffen stets ein Mitglied aus dem üblichen Team der Tagespflege dabei, die die Gäste kennt und beurteilen kann. „So fiel auf, dass neulich eine dementiell erkrankte Dame bei einer Übung plötzlich sprach, was sie sonst nie tat“, erzählt Weemeyer.
Wie kann man Präventionserfolg messen?
Außerdem werden alle drei Monate die Fortschritte der Gäste mit einem standardisierten Fragebogen beurteilt. Dabei sei es, wie oft in der Prävention, schwierig, den Erfolg messbar auszuwerten, ist sich Jürgen Weemeyer bewusst: „Dank der Fragebogen ermitteln wir den Resilienzfaktor über die drei Jahre des Projektes, also ob zum Beispiel Optimismus, Selbstvertrauen und Handlungsfähigkeit zugenommen haben. Andererseits werden diese Menschen ja auch immer älter und kranker.“ Man müsse daher den Fortschritt im Kontext sehen: Ist die Resilienz weniger gesunken, als man bei der allgemeinen Verschlechterung des Gesundheitszustandes annehmen könnte?
Als zweiten Strang des Projektes hat Weemeyer in der vacances Tagespflege Lesum nun eine weitere Resilienzgruppe angeregt: Nach den Gästen und den Mitarbeiter:innen der Tagespflege sollen auch pflegende Angehörige von dem Angebot profitieren. Einmal in der Woche können sie gezielt mit Anne-Kathrin Godt üben, wie sie Stress, Überforderung und Belastung im Alltag besser bewältigen können. Ihre pflegebedürftigen Angehörigen sind derweil in der Tagespflege zu Gast. Hier kommen eher die klassischen Übungen aus der Resilienz zum Tragen. Aber wie wichtig auch diese Zielgruppe ist, zeigte sich bereits beim ersten Treffen. Weemeyer war erstaunt über die große Nachfrage. „Da saßen Ehefrauen, Ehemänner, Kinder von Pflegebedürftigen, die alle sagten: Ich kann manchmal nicht mehr! Und immer hatten sie das Gefühl, nicht genug zu tun. Dabei haben sie ihre persönlichen Bedürfnisse lange vernachlässigt. Das geht auf die eigene Gesundheit.“
Methodenkoffer für andere Einrichtungen
Das Ziel des Projektes in der vacances Tagespflege Lesum ist es, einen Methodenkoffer zu entwickeln mit Materialien und verschiedensten Übungen für die jeweilige Gästestruktur, Gruppengröße und die vorhandene Zeit. Das Ganze müsse jeweils heruntergebrochen werden auf die Mitarbeiter:innen in der Pflege mit ihren jeweiligen Kompetenzen und Vorlieben. Jürgen Weemeyer freut sich bereits jetzt über Anfragen, die Ergebnisse des Projektes zu nutzen. „Stationäre Pflegeeinrichtungen, in der offenen Altenarbeit und auch in der aufsuchenden Altenarbeit sind sie sehr neugierig und wollen die Ideen aufgreifen. Und auch aus Berlin und Paderborn wurde ich bereits kontaktiert.“