Ein Gewinn für Patienten, Angehörige und Pflegekräfte
2. Preisträger: „Aktives Angehörigengespräch“ auf der Intensivstation am UKE
Patientinnen und Patienten auf Intensivstationen und deren Angehörige haben oftmals viele Fragen rund um die Behandlung oder verspüren existenzielle Ängste. Der regelmäßige Kontakt zum Pflegepersonal hilft, belastende Situationen besser zu bewältigen. In Zeiten der Corona-Pandemie wird der Kontakt erschwert: Auf den Intensivstationen gibt es strenge Besuchsregelungen zum Schutz vor einer lebensbedrohenden Infektion mit dem Virus. Zeitweise ist und war ein Besuch gar nicht möglich. Um den zwischenmenschlichen Kontakt dennoch aufrechtzuerhalten, hat Intensivpflegerin Gunda Hans gemeinsam mit dem Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE) das „Aktive Angehörigengespräch auf der Intensivstation“ auf den Weg gebracht. Die Idee dahinter bewirkt viel: Angehörige von Patientinnen und Patienten auf der Intensivstation werden täglich von der zuständigen Pflegekraft per Telefon kontaktiert, bekommen Informationen über Gesundheits- und Behandlungszustand und können Fragen stellen.
Verbesserung der Versorgung
Davon profitieren alle Beteiligten. Das Informationsbedürfnis der Angehörigen wird gestillt und sie können ihre Beziehung zum Patienten oder zur Patientin aufrechterhalten - insbesondere dann, wenn deren Gesundheitszustand es nicht zulässt, dass sie selbst telefonieren. Innovativ ist besonders die aktive Ansprache der Angehörigen. Dadurch werden diese von der Entscheidung entlastet, ob ein Anruf gerade angemessen ist. Andersherum bieten die Telefonate für die isolierten Patientinnen und Patienten die Möglichkeit, ihre Angehörigen in ihre Behandlung miteinzubeziehen. Im Falle komatöser Patientinnen und Patienten heißt das beispielsweise, dass diese über das Telefon bekannte Stimmen hören können.
Die Telefonate, die täglich zu einem fest vereinbarten Termin stattfinden, unterstützen und entlasten das Pflegepersonal, nicht zuletzt dadurch, dass es sich auf die Gespräche vorbereiten kann. Es wird verhindert, dass Anrufe den Arbeitsablauf unterbrechen oder nicht angenommen werden können. Gleichzeitig verringert sich die Zahl der auf Station eingehenden Anrufe, da die Kontaktpersonen gebeten werden, die Informationen aus dem aktiven Angehörigengespräch selbstständig an weitere Angehörige weiterzugeben. Ein Gesprächsleitfaden sorgt dafür, dass die Pflegekräfte die wichtigsten Punkte gebündelt und strukturiert weitergeben. Das interdisziplinäre Behandlungsteam – z.B. Ärztinnen, Pflegekräfte, Physiotherapeuten – wird darin gestärkt, sich auszutauschen. Denn nur so kann die Pflegekraft alle wichtigen Infos an die Angehörigen weitergeben. Dieser verstärkte Austausch fördert wiederum die Behandlungsqualität.
Täglicher Anruf zu festem Zeitpunkt
Die zuständige Intensivpflegekraft ruft die Angehörigen täglich zu einem fest vereinbarten Zeitpunkt an. Pro Patientin oder Patient gibt es eine vereinbarte Kontaktperson. Diese weiß, dass der Zeitpunkt sich um 30 Minuten nach vorne oder hinten verschieben oder in Notfällen ausfallen kann, je nach Arbeitsbelastung. Die Telefonate orientieren sich an einem eigens erarbeiteten Gesprächsleitfaden. Er gibt beiden Seiten Sicherheit, indem er das Gespräch strukturiert. Die Pflegekraft informiert zum Beispiel über Kreislauf, Atmung/Beatmung und den neurologischen Zustand, berichtet aber auch zur eigenen pflegerischen Wahrnehmung der Patientin oder des Patienten. Außerdem kann über geplante Untersuchungen für den Tag gesprochen werden – das persönliche Arztgespräch kann und soll dadurch jedoch nicht ersetzt werden. Verbleibende Fragen der Angehörigen werden, soweit möglich, beantwortet. Im Gespräch wird Wert gelegt auf eine verständliche Sprache, die ohne Fachjargon und mit möglichst wenigen Fachausdrücken auskommt.
Das Angebot ist freiwillig und richtet sich vor allem an Angehörige von Patientinnen und Patienten, die nicht selbst kommunizieren können, kann aber auch auf Wunsch der zu Behandelnden durchgeführt werden.