Die NäPA auf Hausbesuch

Interview mit Dr. med. Kristina Weiss

Dr. med. Kristina Weiss, Fachärztin für Allgemeinmedizin, Neuraltherapie und Akupunktur in Dresden, erläutert ihre Motivation für die Delegation gewisser ärztlicher Leistungen an eine NäPA.

 

Dr med Kristina Weiß Fachärztin für Allgemeinmedizin Dresden

Frau Dr. Weiss, es gibt es ja die Möglichkeit, hochqualifizierte Unterstützungsleistungen durch speziell weitergebildete Medizinische Fachangestellte zu delegieren. Inwiefern entlastet Sie Ihre Nicht-ärztliche Praxisassistentin (NäPA) Frau Brauner?

Frau Brauner fährt Hausbesuche, macht dort Blutabnahmen, Verbandswechsel, schaut nach den Medikamenten und ebenso nach der sozialen Situation der Patient:innen. Sie führt z. B. auch Gespräche mit Angehörigen und ist sozusagen mein verlängerter Arm, der sich letztlich ein Stück weit der sozialen Betreuung der älteren Menschen widmet. Sie fährt auch ins Pflegeheim, kümmert sich dort um Blutabnahmen, Verbände usw.

Wann und woher ist bei Ihnen die Idee entstanden?

Es liegt an der Größe meiner Praxis und vielleicht auch an der Philosophie. Ich habe eine große Praxis und würde gern jeden Monat zu den älteren Menschen fahren, das schaffe ich zeitlich aber gar nicht, da ich dafür zu viele Patient:innen habe. Daraus ist bei mir in den 90er Jahren der Gedanke entstanden: Wenn die Arzthelferin meine rechte Hand ist, dann können wir die Patient:innen viel besser betreuen. Sodass ich von Anfang an, da gab es die NäPA noch gar nicht, meine Arzthelferinnen ausgebildet habe, um Hausbesuche zu fahren und die alten Menschen mit zu betreuen. Als die Kurse angeboten wurden, hat Frau Brauner sich erst zur VERAH, dann zur NäPA ausbilden lassen. Sie nimmt jedes Jahr an Refresher-Kursen teil und bildet sich weiter.

Und dass es Frau Brauner geworden ist, liegt u. a. daran, dass sie eine hohe Affinität für ältere Menschen hat. Sie genießt ein großes Ansehen bei den Patient:innen. Zu Beginn habe ich sie zu den Hausbesuchen mitgenommen. Aber Hausbesuche inkl. Blutabnahmen, Verbände usw. übernimmt sie mittlerweile. Darüber hinaus schaut sie dort: Was machen die Medikamente? Kommen die Patient:innen noch zurecht? Dann auch das geriatrische Basisassessment: Sie kann im häuslichen Umfeld z. B. einen Mini-Mental-Test machen, ob die Demenz fortschreitet. Ist das Stadium noch so, dass die Patient:innen allein leben können? Das alles macht sie im Hausbesuch. Wir können dadurch alten Menschen das mühevolle Ausharren im Wartezimmer ersparen.

Es gibt ja ein gewisses Investment, was Sie erst einmal als Praxis aufbringen müssen. Zum einen ist das die Kraft (zeitlich gebunden in der Ausbildung) und zum anderen kostet es.

Wir haben ein Praxisauto sowie einen Handy-Verbund, mit welchem wir uns über Nachrichtendienste, bspw. bei einer Wundbesichtigung, verständigen können. Das ist schon wichtig, auch für die zeitliche Komponente. Die Ausbildung war nicht billig, das geht ins Vierstellige. Aber auch der monetäre Aspekt hat sich über die Jahre definitiv amortisiert. Ich möchte die Entlastung durch meine NäPA nicht mehr missen.

Kann man sagen, wie Sie die für sich frei gewordene Zeit nutzen?

Wenn Frau Brauner auf Hausbesuch fährt, bin ich in der Praxis und immer für sie per Handy erreichbar. Insgesamt haben wir durch die ganze Struktur mehr Patient:innen, die wir betreuen. U. a. haben wir vor zwei Jahren in Kooperation noch ein Pflegeheim mit übernommen, da kamen noch einmal 80 Patient:innen dazu. Ich habe mittlerweile auch eine angestellte Ärztin, weil ich es allein nicht mehr schultern kann.

Was glauben Sie braucht es, um die Attraktivität zu steigern und oder Hürden abzubauen, dass mehr Hausärzte NäPAs für sich nutzen und einsetzen?

Wenn der Arzt oder die Ärztin nicht unbedingt eine Affinität zu Hausbesuchen und zur Betreuung älterer Menschen hat, dann braucht er keine NäPA und wird auch kein Interesse demgegenüber haben. Auch ist die mehrwöchige Ausbildung durchaus aufwändig – zeitlich wie von den Kosten her. Die NäPA muss jedes Jahr viele Stunden der Weiterbildung ableisten und sich (weiter-)qualifizieren. Kurzum: Es muss inhaltlich stimmen, damit sich eine NäPA lohnt: Es braucht ausreichend ältere Menschen in der Betreuung, die dann auch die Wertschätzung der NäPA miterleben.

Was denken Sie: Wo und wie könnten Anreize geschaffen werden, um die Möglichkeiten des NäPA-Einsatzes noch auszuweiten?

Ich würde die Beschäftigung einer qualifizierten Arzthelferin nicht nur schwerpunktmäßig in ländlichen Gebieten sehen, sondern für alle Ärzte und Ärztinnen empfehlen. Denn auch in der Stadt wird die Bevölkerung immer älter. Und gerade dort gibt es besonders viele Hausärzte, die inzwischen keine oder nur wenige Hausbesuche fahren. Dabei sieht man im Häuslichen viel mehr und kann Patient:innen viel besser behandeln und betreuen. Zusätzlich kann der Arzt bzw. die Ärztin, während die NäPA Hausbesuche fährt, in dieser Zeit in der Praxis behandeln.