Beim den Bad Boller Hebammentagen am 17. April 2016 in Bad Boll warb der Verband der Ersatzkassen in Baden-Württemberg (vdek) vor über 100 Hebammen für die Stärkung der natürlichen Geburt und ging hier mit dem Hebammenverband und seinen Mitgliedern, aber auch mit dem Podium konform. Frank Winkler vom Verband der Ersatzkassen: „Das Thema beschäftigt die Krankenkassen schon seit vielen Jahren. Wir haben in der Vergangenheit hierzu immer wieder informiert und Politik und Öffentlichkeit auf die derzeitige Situation hingewiesen. Der hohe Anteil der Kaiserschnitte muss unserer Meinung nach gesenkt werden. Schließlich ist der Eingriff mit gravierenden gesundheitlichen Risiken verbunden, auch die Bindung zwischen Mutter und Kind wird erschwert. Die Schwangerschaft und Geburt muss wieder als etwas Natürliches und Normales angesehen werden.“ Mit dieser Sichtweise war Frank Winkler auch mit der Bremer Landesbeauftragten für Frauen und Leiterin der Bremischen Zentralstelle für die Gleichberechtigung der Frau, Ulrike Hauffe, einig.
„Weil inzwischen jedes dritte Kind in Deutschland per Kaiserschnitt auf die Welt kommt, in Baden-Württemberg sind es aktuell 32,3 Prozent, müssen wir hier näher hinschauen.“
Das Problem ist der Blick auf die Schwangerschaft als ein risikobehaftetes Ereignis. Ärzte etwa achteten vor allem auf mögliche Gefahren. Viele Frauen bekommen dadurch Angst und verlieren das Vertrauen in ihre Körperkompetenz. Hebammen hingegen setzen bei den Ressourcen der Schwangeren an und konzentrieren sich auf deren Kompetenzen. Denn nur etwa 15 der über 30 Prozent der Kaiserschnitte seien medizinisch notwendig.
Die Kliniken in Baden-Württemberg rechnen ihre Kaiserschnitt-Geburten immer häufiger als ungeplante Operationen ab. Im Jahr 2009 waren von 100 Kaiserschnitten 52 ungeplant, fünf Jahre später bereits 57. Dies entspricht einer Zunahme von fast zehn Prozent. War 2005 bis 2008 das Verhältnis noch recht ausgeglichen, veränderte sich die Situation seit 2009 erheblich zugunsten der ungeplanten Kaiserschnitte. In diesen Zeitraum fiel im Übrigen auch, dass Kliniken für einen ungeplanten Kaiserschnitt mehr abrechnen können als für einen geplanten Kaiserschnitt. Aktuell erhalten die Kliniken in Baden-Württemberg ca. 3.250 Euro für eine ungeplante Kaiserschnittgeburt ohne komplizierte Diagnosen. Für eine vergleichbare geplante Operation dagegen nur 2.750 Euro. Der ökonomische Anreiz scheint offensichtlich für die Zunahme der ungeplanten Kaiserschnitte mit verantwortlich zu sein. Das wissenschaftliche Institut für Nutzen und Effizienz im Gesundheitswesen der TK hat hierzu für die gesamte gesetzliche Krankenversicherung errechnet, dass dadurch in Deutschland für den Zeitraum 2010 bis 2014 zusätzliche Ausgaben in Höhe von 31,5 Millionen Euro entstanden sind. Die Zahlen sind ein weiteres Anzeichen dafür, dass nicht nur medizinische Gründe eine Rolle spielen, ob ein Kind auf natürlichem Weg das Licht der Welt erblickt oder über eine Operation. Wie erklärt sich beispielsweise die Kaiserschnittquote in Dresden mit 17 Prozent und in Landau in der Pfalz mit 51 Prozent? In Baden-Württemberg sind es aktuell 32,3 Prozent.
Die Kaiserschnittrate ist in Deutschland damit derzeit etwa doppelt so hoch wie es die Weltgesundheitsorganisation (WHO) für notwendig erachtet. Der moderne Medizinbetrieb sollte das Vertrauen in eine natürliche Geburt stärken und nicht schwächen, zumal Studien zufolge Kaiserschnittgeborene später anfälliger für bestimmte Erkrankungen sind. So ist es für den vdek nicht mehr zeitgemäß, Frauen ab 35 Jahren kategorisch als Risikoschwangere zu behandeln. In Baden-Württemberg hat fast jedes vierte Baby eine Mutter, die bereits 35 oder älter ist.
Zum Hintergrund: Baden-Württemberg startete im Jahr 2014 eine Kampagne zur natürlichen Geburt. Deutschlandweit sind die Kaiserschnittzahlen zu hoch. Um die Rate von über 30 Prozent in Baden-Württemberg zu senken, setzten sich der Verband der Ersatzkassen (vdek) mit seinen Mitgliedskassen und das Sozialministerium für eine Aufklärungskampagne ein. Kaiserschnitt ist keine „Geburt light“. Aufklärung tut Not, denn laut WHO ist eine Sectio nur in 15 Prozent aller Fälle medizinisch notwendig. Informationsdefizite sollten und sollen mit der Kampagne abgebaut und die Entscheidung für oder gegen Kaiserschnitt gestützt werden. Die Initiative zur Stärkung der natürlichen Geburt wurde außerdem vom Sozialausschuss des Landtages initiiert.
Die Bad Boller Hebammentage 2016. Unser Foto zeigt die Diskutanten des Podiums (von li. nach re.): Dr. rer. medic. Christiane Schwarz, Hebamme/Gesundheitswissenschaftlerin, MSc, Schellerten, Jutta Eichenauer, Hebamme, 1. Vorsitzende, Hebammenverband Baden-Württemberg e. V., Backnang, Dr. Ulrich Clever, Präsident der Landesärztekammer Baden-Württemberg, Bärbl Mielich MdL, Vorsitzende des Sozialausschusses und gesundheitspolitische Sprecherin der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Landtag von Baden-Württemberg, Dr. Irmgard Ehlers, Studienleiterin, Evangelische Akademie Bad Boll, Monika Findeis, Leitung Fundraising und Recherche, Mother Hood e. V. Bundeselterninitiative zum Schutz von Mutter und Kind während der Schwangerschaft, Geburt und 1. Lebensjahr, Frank Winkler, stellvertretender Leiter der Landesvertretung des Verbands der Ersatzkassen (vdek), Stuttgart, Ulrike Hauffe, Bremer Landesbeauftragte für Frauen, Leiterin der Bremischen Zentralstelle für die Verwirklichung der Gleichberechtigung der Frau. Foto: Elke Schönherr
Die Bad Boller Hebammentage 2016. Unser Foto zeigt die Diskutanten des Podiums am Ende der Veranstaltung (von li. nach re.): Dr. rer. medic. Christiane Schwarz, Hebamme/Gesundheitswissenschaftlerin, MSc, Schellerten, Jutta Eichenauer, Hebamme, 1. Vorsitzende, Hebammenverband Baden-Württemberg e. V., Backnang, Dr. Ulrich Clever, Präsident der Landesärztekammer Baden-Württemberg, Bärbl Mielich MdL, Vorsitzende des Sozialausschusses und gesundheitspolitische Sprecherin der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Landtag von Baden-Württemberg, Dr. Irmgard Ehlers, Studienleiterin, Evangelische Akademie Bad Boll, Monika Findeis, Leitung Fundraising und Recherche, Mother Hood e. V. Bundeselterninitiative zum Schutz von Mutter und Kind während der Schwangerschaft, Geburt und 1. Lebensjahr, Frank Winkler, stellvertretender Leiter der Landesvertretung des Verbands der Ersatzkassen (vdek), Stuttgart, Ulrike Hauffe, Bremer Landesbeauftragte für Frauen, Leiterin der Bremischen Zentralstelle für die Verwirklichung der Gleichberechtigung der Frau. Foto: Elke Schönherr
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