Stellungnahme zum Gesetz zur Befugniserweiterung und Entbürokratisierung in der Pflege (BEEP)

Kabinettsentwurf eines Gesetzes zur Befugniserweiterung und Entbürokratisierung in der Pflege
Ambulante Pflege: Pflegerin mit älterer Patientin

» Nähere Informationen zum Gesetz zur Befugniserweiterung und Entbürokratisierung in der Pflege (BEEP) finden Sie hier.

Zentrales Anliegen des Gesetzesentwurfs ist es, die Attraktivität des Pflegeberufs zu steigern und die Rolle der Pflegefachpersonen zu stärken. Sie sollen künftig – je nach vorhandener Qualifikation – bestimmte Leistungen eigenverantwortlich in der Versorgung erbringen können, die bisher Ärztinnen und Ärzten vorbehalten waren. Ziel ist es, die Versorgung zu verbessern, zum Beispiel beim Management chronischer Erkrankungen und im Bereich der Prävention und Gesundheitsförderung. Außerdem sollen die pflegerischen Versorgungsstrukturen insgesamt optimiert, Effizienzpotenziale gehoben und die Entbürokratisierung vorangetrieben werden. Vorgesehen ist auch, die Kommunen in ihrer Rolle und Verantwortung für eine bedarfsgerechte und regional abgestimmte Versorgung pflegebedürftiger Menschen zu stärken.

Der vdek begrüßt, dass das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) dieses wichtige Vorhaben in der neuen Legislaturperiode schnell wieder aufgenommen hat. Damit wird die Fachkunde der Mitarbeitenden im Pflegeberuf besser genutzt. Eine optimierte Aufgabenverteilung zwischen Pflegekräften und Ärztinnen und Ärzten ist hilfreich für einen möglichst effizienten Einsatz des knappen Personals im Gesundheitswesen. Wir begrüßen ausdrücklich, dass dafür differenzierte Leistungskataloge in Abhängigkeit vom Qualifikationsniveau der Pflegefachpersonen erstellt werden sollen. Darin muss konkret festgelegt werden, welche ärztlichen Leistungen Pflegefachpersonen eigenverantwortlich erbringen dürfen, welche Leistungen der häuslichen Krankenpflege (HKP) sie verordnen können und wie die Zusammenarbeit mit Ärztinnen und Ärzten ausgestaltet wird. Jedoch bleibt die geplante Regelung hinter dem Anspruch der eigenverantwortlichen Tätigkeit von Pflegefachpersonen zurück. Weiterhin sollen Ärztinnen und Ärzte darüber entscheiden, ob Pflegefachpersonen bestimmte Leistungen übernehmen dürfen. Stattdessen sollte klar geregelt werden, dass Pflegefachpersonen im Rahmen ihrer gesetzlich definierten Kompetenzen eigenständig und regelhaft tätig werden können, um die angestrebte Entlastung im Versorgungsprozess sowie eine zeitnahe Versorgung der Patientinnen und Patienten zu gewährleisten. Ungeklärt bleibt zudem die Haftungsfrage – ein zentraler Aspekt, der für die Sicherheit der beteiligten Berufsgruppen sowie der Patientinnen und Patienten essenziell ist.

Die im Gesetz postulierten Kosteneinsparungen durch die Umsetzung der neuen Regelungen sind aus Sicht des vdek nicht nachvollziehbar. Mit dem Prinzip Hoffnung wird die soziale Pflegeversicherung (SPV) jedoch nicht zukunftsfest. Es braucht schnellstmöglich Maßnahmen zur nachhaltigen finanziellen Stabilisierung der SPV, die der Kabinettsentwurf vermissen lässt.

Das Ziel, den Zugang von Pflegebedürftigen zu Leistungen der Prävention und Gesundheitsförderung und somit deren gesundheitliche Ressourcen zu stärken, wird grundsätzlich positiv bewertet. Nicht nachvollziehbar ist allerdings, dass die Finanzierung über Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) erfolgen soll. Der Zugang zu verhaltensbezogenen Präventionsleistungen sollte über die SPV (§ 5 SGB XI) geregelt und finanziert werden und dementsprechend mit dem Leitfaden Prävention in stationären Pflegeeinrichtungen verknüpft werden.

Positiv wertet der vdek, dass die Frequenz für die Beratungsbesuche für Pflegebedürftige mit Pflegegrad 4 und 5 auf einen halbjährlichen Turnus reduziert wird. Allerdings sollte auch die Frequenz für die Beratungsbesuche der Pflegegrade 2 und 3 von einem halbjährlichen auf einen jährlichen Turnus reduziert werden. Das Nachweisformular für die Beratungsbesuche soll zukünftig elektronisch per Datenaustausch übermittelt werden. Mit dieser Neuregelung wird eine Empfehlung des vdek im Rahmen des Stellungnahmeverfahrens zum Referentenentwurf 2024 aufgegriffen.

Mit den sogenannten gemeinschaftlichen Wohnformen (GeWos) wird ein neuer Versorgungsbereich in der SPV eingeführt und in diesem Zuge sowohl eine neue Leistung als auch eine neue Angebotsform geschaffen. Dies soll den Pflegebedürftigen ermöglichen, länger in der Häuslichkeit zu verbleiben. Neue innovative Versorgungsansätze begrüßt der vdek grundsätzlich. Die geplante Flexibilisierung führt jedoch zu einem sehr komplexen Vertragsgeschäft, was weder den Bedürfnissen der Pflegebedürftigen noch denen der Krankenund Pflegekassen gerecht wird und erhebliche Herausforderungen in der praktischen Umsetzung mit sich bringt. Der vdek sieht daher umfassenden Nachbesserungsbedarf bei diesem Vorhaben. Änderungen sind auch deshalb notwendig, weil die aufwendigen Vertragsregularien sowohl Pflegebedürftige als auch Träger von Pflegeeinrichtungen abschrecken dürften. Es ist zu befürchten, dass es deshalb in der Praxis nur zu wenigen Vertragsabschlüssen kommen wird.

Aus Sicht des vdek wäre stattdessen eine niedrigschwellige Umsetzung zu bevorzugen: Die Anforderungen an GeWos sollten in den Landesrahmenverträgen nach § 75 SGB XI differenziert nach bestimmten Versorgungsschwerpunkten (z. B. Demenz-Wohngemeinschaften) festgelegt und die in den Ländern bestehenden ambulanten Vergütungssystematiken um Pauschalen für die Versorgung in diesen GeWos ergänzt werden.

Zur Evaluation der Neuregelungen sieht der Kabinettsentwurf umfangreiche und für die Pflegekassen aufwendige Dokumentationspflichten und Datenlieferungen vor. Hier wird ein äußerst verwaltungsaufwendiges Verfahren vorgeschrieben, das in keinem Verhältnis zum erwarteten Nutzen steht und dem von der Bundesregierung verfolgten Ziel bürokratiearmer Regelungen widerspricht. Auch bei den Pflegekassen und deren Verbänden müssen sachliche und personelle Ressourcen zielgerichtet eingesetzt werden überbordende Berichtspflichten laufen diesem Anspruch klar entgegen.

Die geplanten Regelungen zur Optimierung der Vertragsund Vergütungsverhandlungen werden ausdrücklich begrüßt. Vorschläge der Ersatzkassen werden hier aufgegriffen. Das Pflegesatzverfahren ist durch gesetzliche Vorgaben wie die Tariftreue-Regelungen immer aufwendiger und komplexer geworden. Daher ist es zielführend, dass es der Pflegeselbstverwaltung überlassen wird, weitere Rahmenvorgaben auf Bundesebene zu entwickeln, mit denen die Verhandlungen bürokratieärmer stattfinden und die Vergütungsabschlüsse für die Pflegeeinrichtungen zügiger erfolgen können. Allerdings sollten die Vereinbarungspartner im Verfahren nicht mit einrichtungsindividuellen Maßgaben eingeschränkt werden.

Im Sinne einer zielgerichteten kommunalen Pflegeplanung ist es grundsätzlich sinnvoll, dass die Pflegekassen die bei ihnen vorliegenden und dafür nutzbaren Daten den Kommunen zur Verfügung stellen. Hierfür ist aber zwingend ein bundesweites, durch den GKV-Spitzenverband (GKV-SV) und die Kommunalen Spitzenverbände abgestimmtes elektronisches Datenbereitstellungsverfahren zu implementieren. Es ist im digitalen Zeitalter nicht mehr zeitgemäß, wenn Pflegekassen ihre Daten nach den jeweils individuellen Anforderungen der Bundesländer, Kreise oder Kommunen auswerten und die jeweiligen Ergebnisse zur Verfügung stellen sollen. Dies führt nicht nur zu einem unnötig hohen Verwaltungsaufwand, sondern verhindert auch, dass valide und vergleichbare Ergebnisse zustande kommen.

Die Neuentwicklung einer Daten- und Kommunikationsplattform durch den GKV-SV, mit der u. a. Qualitätsprüfungen durch die Landesverbände der Pflegekassen elektronisch beauftragt werden sollen, hält der vdek für nicht erforderlich. Es werden bereits digitale Verfahren durch die Verbände der Pflegekassen entwickelt und in der Fläche implementiert. Zwar wurde hier im Vergleich zum Referentenentwurf 2024 nachgebessert und es kann auf bereits vorhandene digitale Strukturen zurückgegriffen werden. Der vdek bleibt aber bei seiner Einschätzung, dass diese neue Plattform mit erheblichen Aufwänden einhergeht und es sich letztlich um eine Doppelstruktur handelt. Schließlich liegen bei der seit Jahren etablierten DatenClearingStelle (DCS) Pflege die entsprechenden Daten bundesweit vor und können für die angedachten Auswertungen genutzt werden. Hier sind auch Auswertungen zu den abgeschlossenen Qualitätsprüfungen und den registrierten Pflegeeinrichtungen jederzeit abrufbar.

Kritisch ist ebenfalls die enthaltene Festlegung, dass die Prüfaufträge ab dem 01.01.2027 digital über die Plattform erteilt werden sollen. Diese Frist scheint angesichts des bisherigen Entwicklungsstandes, der föderalen Abstimmungsbedarfe und der notwendigen technischen sowie organisatorischen Voraussetzungen unrealistisch. Eine fristgerechte, flächendeckende Umsetzung ist vor dem Hintergrund der bestehenden heterogenen Praxis in den Bundesländern nicht absehbar.