Stellungnahme zum NotfallGesetz (NotfallG)
Referentenentwurf eines Gesetzes zur Reform der Notfallversorgung » Lesen
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Mit dem am 17. Juli 2024 vom Kabinett beschlossenen Entwurf für eine Reform der Notfallversorgung, kurz NotfallGesetz, soll die aus Sicht der Ersatzkassen dringend notwendige Reform der Notfallversorgung in Deutschland endlich angegangen werden. Der vdek unterstützt ausdrücklich das Ziel einer schnelleren und besseren Steuerung von Hilfesuchenden in die richtige Versorgungsebene. Der Gesetzentwurf beinhaltet wichtige Veränderungen des Versorgungsangebots, die der vdek begrüßt. Jedoch sind die Maßnahmen noch nicht ausreichend.
Positiv bewerten die Ersatzkassen insbesondere die geplanten Integrierten Notfallzentren (INZ). Sie haben aus Sicht des vdek das Potenzial, Patient:innen und Patienten effizienter in die richtige Versorgungsebene zu leiten und die Notaufnahmen der Krankenhäuser erheblich zu entlasten. Auch den Aufbau spezieller INZ für Kinder und Jugendliche begrüßt der vdek. Es ist zudem richtig, die Gestaltung der Grundstrukturen und die Festlegung der INZ-Standorte im Kompetenzbereich der Selbstverwaltung im Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) zu belassen sowie auf Landesebene den erweiterten Landesausschuss einzubeziehen. Das Mitspracherecht der Kostenträger für den Umbau der Strukturen in der Notfallversorgung muss jedoch über die Festlegung der Standorte hinaus auch auf die Ausgestaltung der INZ erweitert werden.
Laut NotfallG werden INZ flächendeckend etabliert. Nachbesserungsbedarf wird jedoch dahingehend gesehen, dass Betroffenen künftig ganz offenbar trotz der neuen INZ-Regelungen – neben Rettungsdienst (112) und Akutleitstelle (116117) – auch der eigenständige Weg in ein Krankenhaus ohne INZ, d. h. über die Notaufnahme, offensteht. Die steht der Vermeidung von Effizienzverlusten der Notfallversorgung durch eine bedarfsgerechte Patientensteuerung entgegen.
Die Einrichtung gemeinsamer Gesundheitsleitsysteme wird ebenfalls befürwortet. Sie sind eine Kernvoraussetzung für eine bedarfsgerechte und vor allem ressourcenschonende Gestaltung der Notfallversorgung. Die Ersatzkassen unterstützen die geplante Vernetzung der Akutleitstellen mit den Rettungsleitstellen. Jedoch reicht es nicht aus, die Einrichtung eines gemeinsamen Gesundheitsleitsystems im Ermessen der Träger zu belassen. Diese Einführung muss seitens des Gesetzgebers verpflichtend für alle Beteiligten vorgegeben werden.
Mit der Vorlage eines Änderungsantrags im Gesundheitsausschuss des Bundestags (Drucksachennummer 20(14)231.1 vom 01.11.2024) plant die Koalition, den Gesetzentwurf um Regelungen zur rettungsdienstlichen Versorgung zu ergänzen. Diese Leistungen sollen als eigenständiger Leistungsbereich im Regelungsrahmen des SGB V kodifiziert werden. Der vdek nimmt im Folgenden eine erste Einschätzung der geplanten Änderungen vor. Es besteht aus Sicht des vdek ein dringendes Interesse für bundeseinheitliche Qualitätsstandards zu sorgen und einen ressourcenschonenderen Einsatz von Personal und Finanzmitteln zu erreichen. Hierzu sind klare und verbindliche Qualitätskriterien und Versorgungspfade zu definieren sowie Transparenz bei der Kostentragung herzustellen. Der vdek begrüßt deshalb, dass sich der Gesetzgeber des Themas im Rahmen des vorliegenden Gesetzentwurfs annimmt. Die Umsetzung wirft jedoch einige Fragen auf. So bestehen mit den Paragrafen 133 und 133a SGB V weiterhin parallele Strukturen und kein ganzheitlicher Ansatz für die Organisation der Notfallrettung. Dies bedeutet, dass ein Gesundheitsleitsystem nur entstehen kann, wenn die Träger der Rettungsleitstellen (d.h. die Kommunen) dies unterstützen.
Der neue, jetzt verbindliche Auftrag an die Krankenkassen, Festbeträgen nach § 133 Abs. 3 SGB V festzusetzen, kann zu einer hohen Eigenbeteiligung der Versicherten führen, die keinen Impuls für die Beseitigung bestehender Unwirtschaftlichkeit im Rettungsdienst setzen. Zudem werden neue bürokratische Aufwände verursacht und die bereits bestehende Möglichkeit der Länder, Investitionskosten beim Rettungsdienst auf die GKV oder direkt per Eigenbeteiligung auf die Versicherten zu verlagern, werden erweitert.
Der vdek empfiehlt, die Definition der Qualitätsanforderungen entsprechend der Kompetenzordnung der GKV durch den Gemeinsamen Bundesausschuss vornehmen zu lassen, der hierfür die Expertise vorhält und mit der Notfallstufenreform bereits wegweisende Strukturvorgaben erreicht hat. Mit dem Qualitätsausschusses Notfallrettung nach § 133b SGB V wird demgegenüber im Änderungsantrag ein neues Gremium geschaffen, obwohl bewährte Strukturen der Selbstverwaltung existieren. Eine stärkere Einbindung der Länder wäre auch bei einer Zuordnung der Aufgaben an den GBA möglich. Hierfür schlägt der vdek die dieser Stellungnahme angefügte ergänzende Änderung des Gesetzentwurfs vor.
Die im Kabinettsentwurf geschätzten Einsparpotentiale von einer Milliarde Euro jährlich sind aus Sicht des vdek nicht realistisch. Der Aufbau der INZ über den Struktur- und möglicherweise auch über den geplanten Transformationsfonds führt zu erheblichen Mehrausgaben, die von der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) zur Hälfte getragen werden sollen. Es handelt sich hierbei jedoch auch um Investitionskosten im gesamtgesellschaftlichen Interesse, für die die öffentliche Hand mit einzustehen hat. Ebenso wird der Aufbau von Akutleitstellen und der aufsuchenden Versorgung erhebliches Investitions- bzw. Startkapital erfordern. Einsparungen bei den Rettungsdiensten und in der Notfallversorgung durch eine geringere Leistungsinanspruchnahme werden sich nur dann einstellen, wenn die neuen INZ und das Ersteinschätzungsverfahren für die Bevölkerung verbindlich sind, deren Akzeptanz finden und keine Doppelstrukturen über den Rettungsdienst oder die Notaufnahmen der Krankenhäuser ohne INZ bereitgestellt werden. Hierfür wäre eine Gesamtlösung, die auch die erheblichen Ausgaben der GKV bei den Fahrkosten einbezieht, erforderlich.
04.11.2024
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