Stellungnahme zum Gesundheitsversorgungsstärkungsgesetz (GVSG)

Referentenentwurf eines Gesetzes zur Stärkung der Gesundheitsversorgung in der Kommune
Hausarzt hört Lunge ab

» Nähere Informationen zum Gesundheitsversorgungsstärkungsgesetz finden Sie hier.

Am 12. April 2024 hat das Bundesgesundheitsministerium (BMG) den Referentenentwurf für ein Gesundheitsversorgungsstärkungsgesetz (GVSG) versandt. Im Vergleich zum vorher bekannten, nicht ressortabgestimmten Entwurf (Stand 21. März 2024) sind wesentliche Teile nicht mehr enthalten. Gestrichen wurden die Schaffung von Rechtsgrundlagen für Gesundheitskioske und Primärversorgungszentren sowie für Verträge zur regionalen Versorgung. Auch eine Teilfinanzierung von Medizinstudienplätzen durch die gesetzliche Krankenversicherung (GKV) findet sich nicht mehr in dem Entwurf.

Unverändert geblieben ist die Reform der hausärztlichen Vergütung (Entbudgetierung, Versorgungs- und Vorhaltepauschale) sowie die Bonifizierung der hausarztzentrierten Versorgung (HZV), die Einschränkung der Wirtschaftlichkeitsprüfungen, die Veröffentlichung von einheitlichen Kennzahlen zur Service- und Leistungsqualität der GKV, die Veränderung der Beteiligungsregelungen beim Gemeinsamen Bundesauschuss (G-BA) sowie weitere Regelungen.

Der vdek begrüßt den Verzicht auf neue Angebote, deren Mehrwert in keinem Verhältnis zu den Kosten steht. Sachlich richtig ist auch, dass die Finanzierung weiterer staatlicher Ausgaben durch die GKV-Mitglieder und ihre Arbeitgeber abgewendet wurde. Mit Blick auf die entfallene Regelung zu sogenannten Primärversorgungszentren merkt der vdek jedoch an, dass eine bessere Vernetzung bei Versorgungsproblemen positiv wirken würde. Die Ersatzkassen verfolgen deshalb das Konzept der Regionalen Gesundheitszentren (RGZ), das demselben Ziel dient, hierzu jedoch konkrete, bedarfsgerechte Strukturvorgaben vorsieht.

Der vdek sieht für den Referentenentwurf weiteren Korrekturbedarf. Insbesondere die Reform hausärztlicher Honorierungen bewertet der vdek kritisch. Die geplante Entbudgetierung wird für die Versicherten zu keiner spürbaren Verbesserung in der hausärztlichen Versorgung führen. In den meisten Regionen werden die erbrachten Leistungen bereits nahezu vollständig und unquotiert vergütet, zum Teil werden die zur Verfügung gestellten Mittel auch gar nicht ausgeschöpft. Finanzielle Anreize haben in diesen Regionen nicht zu einem erhöhten Niederlassungsverhalten geführt. Derzeit kommt eine Budgetierung vorwiegend in Ballungsgebieten zur Anwendung. Der Sinn, gerade dort, wo bereits eine Überversorgung besteht, für Vergütungsverbesserungen zu sorgen, kann nicht nachvollzogen werden. Vielmehr wird ein kontraproduktiver Anreiz gesetzt, sich in diesen überversorgten Gebieten zu betätigen und nicht dort, wo jetzt Versorgungsengpässe bestehen und zukünftig wachsen werden.

Die jahresbezogene Chronikerpauschale ist sinnvoll, wenn medizinisch nicht notwendige Arztbesuche vermieden werden können. Der vdek mahnt jedoch eine kostenneutrale Umsetzung an. Dies gilt auch für die Vorhaltepauschale. Durch die Festlegung klarer Standards bei der Auszahlung der Pauschale können Anreize für Leistungserbringende geschaffen werden, eine hochwertige und leistungsfähige hausärztliche Versorgung anzubieten. Es sollte jedoch sichergestellt werden, dass dadurch keine Mehrkosten für die GKV anfallen.

Der ebenfalls vorgesehene Bonus für die Teilnahme an der HZV wird abgelehnt. Derzeitige Auswertungen der Wirkung bestehender HZV-Verträge ergeben keine Hinweise auf Einsparungen und signifikante Effizienzsteigerungen. Die Verträge verursachen sogar höhere Kosten als die Regelversorgung. Zielsetzung der Teilnahme an der HZV soll in erster Linie ein reell erlebter Versorgungsmehrwert für die Versicherten sein. Ergänzende finanzielle Anreize hält der vdek für nicht erforderlich. Legt man allein die aktuellen Teilnehmerzahlen in Höhe von über 6 Millionen Versicherten für die Berechnung zugrunde, entstünden der GKV jährliche Mehrkosten von über 180 Millionen Euro.

Durch die Erhöhung der Mindestgrenze auf 300 Euro pro Betriebsstättennummer, Krankenkasse und Quartal werden die Wirtschaftlichkeitsprüfungen von ärztlichen Leistungen weitgehend eingeschränkt. Dies lehnt der vdek strikt ab. Wirtschaftlichkeits- und Abrechnungsprüfungen erfüllen einen wichtigen Zweck. Sie überprüfen, ob ärztlich verordnete Leistungen ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sind. Sie schützen damit die Mitglieder der GKV vor Überforderung. Derzeit befasst sich die Mehrheit der Prüfaufträge mit Verordnungen, deren Wert unter 300 Euro liegen. Zukünftig würden daher viele Verordnungen ungeprüft bleiben. Der GKV wird die Möglichkeit genommen, ihren gesetzlichen Auftrag wahrzunehmen.

Die Vereinfachung der Gründung von Medizinischen Versorgungszentren (MVZ) unter kommunaler Leitung wird positiv bewertet. Die Bildung einer eigenen bedarfsplanerischen Arztgruppe der Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten wird ebenfalls begrüßt. Durch die Schaffung einer eigenen Arztgruppe wird auch in der Bedarfsplanung transparent, wo und wie viele Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten erforderlich sind.

Die Ausweitung der Antrags- und Beratungsrechte auf Berufsorganisationen der Pflegeberufe durch den G-BA sowie die erweiterten Befugnisse der Patientenvertretung und die ausgedehnten Stellungnahmerechte der wissenschaftlichen Fachgesellschaften können die Legitimität der Entscheidungen des G-BA erhöhen. Jedoch führen sie auch zu einer Steigerung der Komplexität und verlängern die Verfahren. Angesichts bereits bestehender Fristen im Bereich der Methodenbewertung und der politischen Kritik an den langen Entscheidungszeiträumen des G-BA könnte die beschriebene Ausweitung auch kontraproduktiv wirken.

Die Erweiterung der Beteiligungsmöglichkeiten der für die Sozialversicherung zuständigen obersten Landesbehörden in den Zulassungsausschüssen sieht der vdek als nicht notwendig an. Das bestehende Mitberatungsrecht ist ausreichend, um vollständig die versorgungsrelevanten Erkenntnisse einbringen zu können. Es lässt sich nicht nachvollziehen, warum die obersten Landesbehörden mehr Informationen einbringen könnten, die den ehrenamtlichen Vertretern der Krankenkassen und der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) nicht vorliegen.

Finanzwirkung (laut Angaben im Entwurf)

  • Entbudgetierung der hausärztlichen Leistungen: jährlichen Mehrausgaben der GKV in einem unteren dreistelligen Millionenbetrag
  • Erhöhung der Geringfügigkeitsgrenze bei Wirtschaftlichkeitsprüfungen: jährlichen Kosten von 3 Millionen Euro
  • separate Bedarfsplanung von Ärzt:innen sowie Psychotherapeut:innen, die Kinder und Jugendliche behandeln (zusätzliche ambulante Niederlassungsmöglichkeiten): jährliche Mehrausgaben in Höhe eines niedrigen bis mittleren zweistelligen Millionenbetrags ab 2026
  • Streichung des Zusatzentgelts für Coronavirus-Tests im Krankenhaus: Ab 2025 jährliche Einsparungen in Höhe eines niedrigen dreistelligen Millionenbetrags.
  • Die Einführung eines Bonus für die Teilnahme an der HZV sieht das BMG als nicht bezifferbar an. Auch der Wegfall des Kontrolleffekt bei weitgehender Einschränkung der Wirtschaftlichkeitsprüfungen bleibt außen vor.