2. Stellungnahme zum Krankenhauspflegeentlastungsgesetz (KHPflEG)

Kabinettsentwurf eines Gesetzes zur Pflegepersonalbemessung im Krankenhaus sowie zur Anpassung weiterer Regelungen im Krankenhauswesen und in der Digitalisierung
pflegen und hegen

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Mit dem am 14.09.2022 vom Bundeskabinett beschlossenen Entwurf eines Gesetzes zur Pflegepersonalbemessung im Krankenhaus sowie zur Anpassung weiterer Regelungen im Krankenhauswesen und in der Digitalisierung (KHPflEG) soll das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) ermächtigt werden, per Rechtsverordnung ohne Zustimmung des Bundesrates Vorgaben zur Ermittlung des Pflegepersonalbedarfs und zur Festlegung der Personalbesetzung in der unmittelbaren Patientenversorgung in den Krankenhäusern zu erlassen (PPR2.0). In der Kabinettsfassung wird die Ermächtigungsgrundlage zum Erlassen der Verordnungen zur Einführung der PPR 2.0 modifiziert. Das Einvernehmen mit dem Bundesministerium der Finanzen (BMF) ist Bedingung für das Erlassen einer Rechtsverordnung durch das BMG mit Vorgaben zur Ermittlung des Pflegepersonalbedarfes und zur Festlegung der Personalbesetzung auf bettenführenden Stationen der Somatik. Eine Begründung für diese ungewöhnliche Einvernehmensregelung liefert der Gesetzentwurf nicht. Die Beteiligung des Finanzministeriums an der Rechtsverordnung stellt grundsätzlich einen erneuten Systembruch dar. Damit besteht die Gefahr, dass sich zukünftig der Personalbedarf nach den Interessen des Finanzministeriums orientieren muss.

Der vdek sieht die Einführung der PPR 2.0 grundsätzlich kritisch. Es ist nicht nachvollziehbar, warum ein nicht ausreichend evaluiertes Instrument implementiert werden soll. Die kurzfristige Einführung als weiteres Interimsinstrument neben den Pflegepersonaluntergrenzen mit einer zusätzlichen und erneuten Evaluationsphase bleibt unverständlich. Die politische Zielsetzung durch die Einführung der PPR 2.0 die Rahmenbedingungen für die Pflege zu verbessern, kann nicht erreicht werden. Die Arbeitssituation der Pflegekräfte wird hierdurch nicht verbessert werden. Vielmehr werden diese mit neuen bürokratischen Prozessen belastet.

Die vorgesehene Erprobungs- und Evaluationsphase bietet eine Vielzahl von Anreizen zur Falschdokumentation. Nach der Konvergenzphase käme es erfahrungsgemäß zu einem deutlichen Anstieg der dokumentierten Pflegeintensitäten. Eine Sollbedarfsfinanzierung würde erhebliche finanzielle Konsequenzen für die Krankenversicherung haben, ohne dass sich die Situation der Pflege am Bett für die Patienten verbessert.

Statt der Einführung der PPR 2.0 wäre es zielführender, wenn der Gesetzgeber die rasche Weiterentwicklung eines wissenschaftlich fundierten Personalbemessungsinstruments zur einheitlichen Bemessung des Pflegepersonalbedarfs vorantreiben würde, um dieses dann zu implementieren. Aus Sicht des vdek böte dies die Chance, mehr Transparenz über das tatsächliche Leistungsgeschehen zu erreichen. Auch würde eine digitale Erfassung der Pflegeleistungen in der Regeldokumentation zur Entbürokratisierung der Pflege und zur Entlastung der Pflegekräfte beitragen. Die Selbstverwaltungspartner haben ein Konzept zum § 137k SGB V vorgelegt, das die benannten Eckpunkte aufnimmt. Die Implementierung eines solchen wissenschaftlich fundierten Personalbemessungsinstrumentes sollte von Seiten des BMG aktiv angegangen und forciert werden.

Der Entwurf sieht außerdem vor, dass die Budgetverhandlungen der Krankenhäuser insbesondere auf Ortsebene gestrafft und besser strukturiert werden. Damit soll der Verhandlungsstau der letzten Jahre aufgelöst werden. Zusätzlich soll ein Rechnungsabschlag für den Fall eingeführt werden, dass die Krankenhäuser ihren Pflichten zur Unterlagenübermittlung nicht nachkommen. Im Falle,dass die Vertragsparteien auf Ortsebene keine Einigung erzielen, soll in Zukunft automatisch die Schiedsstelle aktiv werden.

Das Ziel, den Stau der Budgetverhandlungen aufzulösen und zur prospektiven Budgetverhandlung zurückzukehren, ist aus Sicht des vdek zu unterstützen. Allerdings ist dies innerhalb des im Gesetzentwurf vorgesehenen Zeitrahmens auf der Ortsebene aufgrund der großen Anzahl noch zu schließender Budgetvereinbarungen nicht umsetzbar. Die Frist für den Budgetabschluss sollte erst ab 2027 gelten und zudem verlängert werden, um den Vertragsparteien eine realistische Chance auf den Abbau des Verhandlungsstaus und einen fristgerechten Budgetabschluss zu geben. Die gestaffelten Fristen für „Altvereinbarungen“ sollten bis 2026 ausgedehnt werden. Andernfalls führt die geplante Regelung zu einer Überlastung der Schiedsstellen, ohne dass damit die Verhandlungen schneller abgeschlossen wären. Es ist aus Sicht des vdek darüber hinaus fraglich, ob die geplante Regelung zu einer tatsächlichen Beschleunigung der Verhandlungen führt. Der große Zeitbedarf bei den Verhandlungen ergibt sich heute in der Regel aus der Vielzahl neuer und kurzfristig zu berücksichtigender Verhandlungstatbestände durch neue gesetzliche Regelungen. Es werden daher Vereinfachungen für streitbehaftete Themen wie das Pflegebudget benötigt.

Kritisch sieht der vdek auch die in der Kabinettsfassung enthaltene Ermächtigung der Apotheken, die erforderliche Identifizierung der Versicherten vor Authentifizierung und Nutzung der Anwendungen der Telematikinfrastruktur (TI) durchzuführen. Nach bisherigen Schätzungen erfolgt ein Großteil der Identifizierungen zur Nutzung der elektronischen Patientenakte (ePA) über das Video-Ident-Verfahren, das die Kassen derzeit nicht nutzen dürfen. Daher haben die Ersatzkassen ein hohes Interesse daran, dieses oder vergleichbare Verfahren auf einem hohen Sicherheitsniveau schnell wieder verfügbar zu machen. Die Ersatzkassen sprechen sich dafür aus, moderne und einfache Identifizierungsverfahren zügig für alle Versicherten zu implementieren. Daher sollten auch alle Anstrengungen unternommen werden, das Video-Ident-Verfahren auf einem hohen Sicherheitsniveau wieder verfügbar zu machen.

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