Stellungnahme zum Medizinforschungsgesetz (MFG)

Referentenentwurf eines Medizinforschungsgesetzes
Medizinische Assistentin im Labor

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Das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) hat am 26.1.2024 einen Referentenentwurf für ein Medizinforschungsgesetz (MFG) veröffentlicht. Der Entwurf wurde gemeinsam vom BMG und dem Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz (BMUV) erarbeitet. Der Verband der Ersatzkassen (vdek) nimmt nachfolgend Stellung zu diesem Entwurf.

Ziel des Gesetzes ist es, die Rahmenbedingungen für die Entwicklung, Zulassung und Herstellung von Arzneimitteln und Medizinprodukten in Deutschland zu verbessern und damit Deutschland als Standort für die medizinische Forschung attraktiver zu machen. Zentrale Regelungen des Gesetzentwurfs wurden zuvor bereits in der im Dezember 2023 vom Bundeskabinett beschlossenen Pharmastrategie skizziert und sollen mit dem vorliegenden Entwurf gesetzgeberisch umgesetzt werden.

Der Entwurf sieht eine Vielzahl von Regelungen vor, mit denen die Genehmigungsverfahren für klinische Prüfungen sowie die Zulassungsverfahren für Arzneimittel und Medizinprodukte vereinfacht, entbürokratisiert und beschleunigt werden sollen. Dazu gehören u. a. die Einrichtung einer Bundes-Ethikkommission, die Einführung gemeinsamer elektronischer Antragswege für verschiedene Prüf- und Genehmigungsverfahren sowie eine bessere Koordinierung der Verfahrensabläufe bei der Zulassung von Arzneimitteln durch das Paul-Ehrlich-Institut (PEI) und das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM). Das Ziel dieser Maßnahmen, Forschung und Innovation zu fördern und den Forschungsstandort zu stärken, wird vom vdek grundsätzlich positiv bewertet.

Mit dem Gesetzentwurf soll des Weiteren die bisher geltende Praxis der öffentlich einsehbaren Erstattungsbeträge für patentgeschützte Arzneimittel beendet werden. Als Begründung hierfür wird angeführt, die bisherige Transparenz schränke den Spielraum der Verhandlungspartner bei der Verhandlung von Erstattungsbeträgen ein, da die im deutschen System verhandelten Erstattungsbeträge international eine Wirkung als Referenzpreis entfalteten und somit die Ertragsaussichten pharmazeutischer Unternehmerinnen und Unternehmer (pU) außerhalb Deutschlands schmälerten. Als Lösung sieht der Gesetzentwurf die Neufassung des § 130b SGB V vor, welche die Möglichkeit eröffnet, für patentgeschützte Arzneimittel mit einem neuen Wirkstoff bis zum Ablauf des Unterlagenschutzes beim erstmaligen Inverkehrbringen vertrauliche Erstattungsbeträge zu vereinbaren. In der Umsetzung sollen die pU verpflichtet werden, den Krankenkassen den verhandelten vertraulichen Erstattungsbetrag mitzuteilen und die Differenz zum tatsächlich in der Apotheke gezahlten, von den Herstellern zuvor bestimmten Abgabepreis inklusive der überhöhten Handelsaufschläge und der Umsatzsteuer nachträglich auszugleichen. Vorgesehen ist außerdem, dass die bisherige Verpflichtung der pU, dem GKV-Spitzenverband (GKV-SV) die Höhe der tatsächlichen Abgabepreise in anderen europäischen Ländern zu Verhandlungszwecken mitzuteilen, entfallen soll. In der Folge sollen Arzneimittel mit vertraulichem Erstattungsbetrag außerdem von der Verpflichtung der Apotheken ausgenommen werden, preisgünstige Importe abzugeben, da künftig kein Preisvergleich mehr möglich sein wird.

Die Möglichkeit zur Vereinbarung vertraulicher Erstattungsbeträge lehnt der vdek ab. Während die Annahme, dass sich der Spielraum der pU für Rabatte in Deutschland durch die Vertraulichkeit vergrößert nicht belegbar ist, werden durch die Regelung bewährte Instrumente der Preisregulierung, beispielsweise die Wirtschaftlichkeitsprüfung oder die Verpflichtung der Apotheken, Einsparungen durch die Abgabe von preisgünstigeren Importarzneimitteln zu erzielen, für bestimmte Marktsegmente in ihrer Wirkung eingeschränkt oder komplett aufgegeben. Vertrauliche Erstattungsbeträge garantieren somit keine Einsparungen, bergen jedoch die Gefahr für Mehrausgaben der gesetzlichen Krankenkassen im Arzneimittelbereich. Kritisch ist auch, dass die bisher geltende Verpflichtung der pU, dem GKV-SV die Höhe der tatsächlichen Abgabepreise in anderen europäischen Ländern zu Verhandlungszwecken mitzuteilen, entfallen soll. Mit der geplanten Regelung können die bereits in anderen europäischen Ländern verhandelten Preise vom GKV-SV im Rahmen von Erstattungsbetragsverhandlungen somit nicht mehr zu Vergleichszwecken herangezogen werden. Gleiches gilt umgekehrt für andere europäische Länder. Mit dieser Regelung ginge wichtige Markttransparenz verloren und die Verhandlungsposition der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) würde sich im Vergleich zu der der pU verschlechtern.

Abzulehnen sind vertrauliche Erstattungsbeträge auch deshalb, weil sie den Bürokratie- und Transaktionsaufwand erheblich erhöhen würden. Diese Kosten dürfen keinesfalls zulasten der Beitragszahlenden gehen, sondern müssen in vollem Umfang von den pU getragen werden. Bereits heute ist die Umsetzung von gesetzlichen Rabattregeln konfliktbehaftet, die Rückforderungen laufen keineswegs reibungslos ab. Mit der geplanten Regelung werden Krankenkassen dazu verpflichtet, in die (gegebenenfalls gerichtliche) Auseinandersetzung mit den pU über die Höhe des Differenzbetrages zu gehen, obwohl sie keine Kenntnis über die konkreten Vertragsinhalte haben. Dieser Umstand erweist sich bereits heute als problematisch, wenn von den Krankenkassen die Differenz zwischen rückwirkend geltendem Erstattungsbetrag und tatsächlich gezahltem Preis eingefordert wird. Die angesetzten Mehrausgaben für die diesbezüglichen Aufwände erscheinen im Entwurf entschieden zu niedrig kalkuliert und wachsen im Zeitverlauf erheblich auf. Da vertrauliche Erstattungsbeträge nachträglich mit entsprechendem Zeitverzug von den Krankenkassen bei den pU eingefordert werden müssen, entsteht für die gesetzlichen Krankenkassen somit ein erhebliches Inkasso-Risiko. Unklar ist auch, wie die Meldung der pU über den vertraulichen Erstattungsbetrag an die Krankenkassen zu erfolgen hat. Dies wäre dringend zu konkretisieren und es muss klargestellt werden, dass der GKV-SV berechtigt ist, seinerseits den vertraulichen Erstattungsbetrag an die Kassen mitzuteilen, um eventuelle Differenzen zu den Angaben der Hersteller zu korrigieren. Bereits heute liegen selbst bei transparenten Erstattungsbeträgen teils unterschiedliche Auffassungen zwischen den pU und dem GKV-SV über die Höhe der Herstellerabschläge nach § 130a SGB V vor.

Abgelehnt wird jedoch die Rolle des GKV-SV als Auskunftsstelle für Privatversicherte und Beihilfeempfangende, die einen Ausgleich zwischen dem tatsächlich bezahlten Abgabepreis und dem vertraulichen Erstattungsbetrag vom pU verlangen. Die Übertragung dieser Aufgabe an den GKV-SV würde eine Zweckentfremdung von Beitragsgeldern der GKV bedeuten.

Weiterer bürokratischer Aufwand ist auch im stationären Bereich zu erwarten. Bereits die aktuellen Regelungen sind bürokratieintensiv, da bei der Vereinbarung eines Erstattungsbetrages die davon betroffenen Entgelte für neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden (NUB) bzw. Arzneimittel-Zusatzentgelte mit den einzelnen Krankenhäusern neu vereinbart werden müssen (§ 6 Abs. 2 Satz 11 KHEntgG). Bei einem vertraulichen Erstattungsbetrag wird die Neuvereinbarung dieser Entgelte zusätzlich erschwert, da unklar ist, wie die Vertragsparteien die Preisinformation erhalten sollen. Es ist zu befürchten, dass die Kassen Überzahlungen nicht zurückerhalten. Die pU, die am Ende von der Vertraulichkeit der Erstattungsbeträge profitieren sollen, sollten verpflichtet werden, den durch die Regularien entstehenden bürokratischen Aufwand finanziell auszugleichen. Der bürokratische Aufwand könnte auch verhindert werden, indem der Erstattungsbetrag gesetzlich als maximal abzurechnender Betrag für das betroffene NUB-Entgelt vorgeschrieben wird.

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19.02.2024