vdek: Versorgungsprobleme zielgerichteter angehen

8-Punkte zur Verbesserung der ambulanten Versorgung Versorgungsstrukturgesetz I hat Versorgungsprobleme nicht gelöst

Das vor drei Jahren in Kraft getretene Versorgungsstrukturgesetz I hat die Probleme in der vertragsärztlichen Versorgung nicht hinreichend gelöst. Dieses Fazit zog Ulrike Elsner, Vorstandsvorsitzende des Verbandes der Ersatzkassen e. V. (vdek), auf einem Presseworkshop in Berlin. „Die ärztliche Versorgung ist deutlich teurer geworden, aber nach wie vor bestehen große Verteilungsprobleme: Zu viele Ärzte in Ballungsräumen, zu wenig Hausärzte in ländlichen Regionen.“ Das von der Großen Koalition geplante Versorgungsstrukturgesetz II müsse daher verbindlichere Regelungen und Instrumente zum Abbau von Überversorgung vorgeben und gleichzeitig konsequent die Versorgungsengpässe im hausärztlichen Bereich in ländlichen Regionen in den Fokus stellen. „Wir brauchen keine Förderung mit der Gießkanne, sondern passgenaue regionale Lösungen“, so Elsner. Mit Blick auf das anstehende Versorgungsstrukturgesetz II sollten aus Sicht des vdek die folgenden 8-Punkte besonders beachtet werden:

  1. Nach wie vor besteht die Hauptaufgabe im Abbau der Überversorgung. Nach der neuen Bedarfsplanung fehlen - gemessen an einem Versorgungsgrad von 100 Prozent - in Deutschland 1.303 Ärzte, davon 749 Hausärzte; dem steht die Zahl von 32.375 überzähligen Ärzten (davon 5.515 Hausärzte) vor allem in den Ballungsräumen gegenüber. Versorgungsengpässe gibt es derzeit nur punktuell vor allem bei den Hausärzten in ländlichen Regionen. Perspektivisch wird sich die Versorgungssituation hier verschärfen. Erhebliche Verteilungsprobleme gibt es auch bei den Psychotherapeuten. Allein in der Universitätsstadt Tübingen liegt der Versorgungsgrad bei 588,7 Prozent.
  2. Der Praxisaufkauf hat sich in der jetzigen Ausgestaltung als stumpfes Schwert erwiesen. Bislang hat nur die Kassenärztliche Vereinigung (KV) Nordrhein einen überflüssigen Praxissitz aufgekauft. Der Gesetzgeber muss deshalb im Rahmen der Bedarfsplanung verbindliche Regelungen zum Aufkauf von Arztpraxen und damit zum Abbau von Überversorgung vorgeben. Deshalb muss das Letztentscheidungsrecht der KVen abgeschafft werden
  3. Die im Rahmen des Versorgungsstrukturgesetzes I erfolgte Regionalisierung des Vergütungssystems hat nicht zu einer gezielten Förderung von (Haus-)Ärzten in ländlichen Regionen geführt. Vielmehr profitierten die Ärzte flächendeckend und fachgebietsübergreifend von der Honorarreform. Allein 2013 ist die Gesamtvergütung der Ärzte um rund 1,5 Milliarden Euro gestiegen, davon wurden lediglich 300.000 Euro für Zuschläge für besondere Leistungserbringer ausgegeben. Finanzielle Anreize für Ärzte müssen jedoch zielgerichteter erfolgen, etwa in Form eines vom Gesetzgeber festgelegten regionalen Preiszuschlags für Leistungserbringer in unterversorgten bzw. von Unterversorgung bedrohten Regionen.
  4. Geld allein wird die Probleme dennoch nicht lösen. Obwohl die Ärzte in den östlichen Bundesländern pro Kopf am meisten verdienten (Gesamtvergütung je Arzt in 2013 in den östlichen Bundesländern > 250.000 Euro, in den westlichen Bundesländern < 250.000 EUR), führte dies nicht zu einer größeren Niederlassungsbereitschaft. Ein Honorarzuschlag wirkt deshalb nur in Kombination mit anderen gesetzgeberischen Maßnahmen, wie beispielsweise durch Flexibilisierung der Zulassung, Reduzierung von Bereitschaftsdiensten durch gemeinsame Notfallversorgung, Gewährung von günstigeren Krediten, Förderung von mobilen Praxen und Telemedizin, Gemeinschaftspraxen und Medizinischen Versorgungszentren (MVZ) bis hin zur Öffnung von Krankenhäusern.
  5. Um den ärztlichen Nachwuchs zu fördern, müssen die Allgemeinmedizin aufgewertet und zum Beispiel durch Stipendien Anreize für eine ärztliche Tätigkeit in strukturschwachen Regionen gesetzt werden. Zur Förderung des ärztlichen Nachwuchses bedarf es daher einer Bund-Länder-Initiative, denn die ärztliche Ausbildung ist Sache der Länder. Die finanzielle Förderung der allgemeinmedizinischen Weiterbildung durch die Krankenkassen reicht allein nicht aus, um mehr Mediziner für die Allgemeinmedizin zu begeistern. Im Rahmen von dreiseitigen Verträgen mit der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG) und Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) haben die Krankenkassen allein in 2012 56,7 Millionen Euro dafür ausgegeben, ohne dass ein Trend hin zu mehr Weiterbildungen im Fach Allgemeinmedizin festgestellt werden konnte.
  6. Selektivverträge oder Integrierte Versorgungsverträge der Krankenkassen haben sich bewährt. Insgesamt gibt es seit 2012 rund 6.300 IV-Verträge. Sie stellen eine sinnvolle Ergänzung zu den Kollektivverträgen von Krankenkassen und KVen dar und bieten auch die Chance einer gezielten Förderung von Leistungen/Ärzten in strukturschwachen Regionen. Allerdings brauchen die Krankenkassen mehr vertragliche Freiräume. Insbesondere müssen die hohen
    bürokratischen Aufwände (Vorlagepflichten) beim Bundesversicherungsamt (BVA) entfallen und die widersprüchliche Aufsichtspraxis von BVA (bundesunmittelbare Krankenkassen) und Länderaufsichten (Regionalkassen) beendet werden.
  7. Der vdek unterstützt die Schaffung eines Innovationsfonds zur Förderung neuer sektorübergreifender Versorgungsformen, die über die Regelversorgung hinausgehen. Damit die Beitragsgelder zielgerichtet eingesetzt werden und kein Wildwuchs entsteht, sollten die Förderkriterien, Zeitraum und Evaluation der Verträge genau festgelegt werden. Im Mittelpunkt sollte u. a. die Verbesserung der Qualität, die Optimierung der Zusammenarbeit und Übertragbarkeit der Erkenntnisse auf andere Regionen stehen. Generell muss gelten: Kein Antrag ohne Beteiligung der Kassen! Sie müssen dafür sorgen, dass die Innovationen auch beim Versicherten ankommen!
  8. Die psychotherapeutische Versorgung in Deutschland ist ein wertvolles Gut. Mittlerweile lassen sich jährlich eine Million Patienten psychotherapeutisch behandeln, die Kosten sind deutlich angestiegen. Dennoch ist die Versorgung suboptimal und muss reformiert werden. Im Mittelpunkt muss eine zielgenauere Versorgung der Patienten ohne längere Wartezeiten stehen. Hierzu müssen Kurzzeit- und Gruppentherapien gefördert und auch das Antrags- und Gutachterverfahren vereinfacht werden. Der vdek schlägt zudem die Vorschaltung einer psychotherapeutischen Sprechstunde und die modellhafte Erprobung einer intelligenten Koordinierungsstelle vor, um Patienten bei der Auswahl einer geeigneten Therapie zu unterstützen.
Wohin steuert die ambulante Versorgung?

Ulrike Elsner, Vorstandsvorsitzende des Verbandes der Ersatzkassen e. V.

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Henning Horst, Abteilungsleiter „Ambulante Versorgung“, Verband der Ersatzkassen e. V.

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Henning Horst, Abteilungsleiter „Ambulante Versorgung“, Verband der Ersatzkassen e. V.

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