Kommentar

Ein glänzendes Geschäft

Es spricht Bände, dass der langjährige Ärztepräsident Jörg-Dietrich Hoppe bei seiner letzten Ansprache an seine Kollegen gerade den IGeL-Angeboten viel Zeit widmete und seinen Kollegen ins Gewissen redete: „Wir sind keine Kaufleute und die Patienten keine Kunden.“ 

Wie groß müssen die Missstände sein, wenn sich ein Ärztefunktionär zu so einer öffentlichen Ermahnung genötigt sieht. Doch die Mediziner haben nicht auf Hoppe gehört, obwohl er seine Bitte sogar als Vermächtnis bezeichnet hatte.


"Zusätzliche Leistungen sind in der Regel unnötig."

Timot Szent-Ivanyi


Immer wieder erleben Patienten, dass ihnen diese Leistungen regelrecht aufgedrängt werden. Das passiert häufig aber auch auf eine ganz perfide Art und Weise. Eher beiläufig werden die Patienten auf die Möglichkeit aufmerksam gemacht. Nein, wirklich notwendig sei es zwar nicht, aber wer alle Eventualitäten ausschließen wolle, sollte doch besser eine Dopplersonografie machen, eine Lungenfunktionsprüfung oder einen Hirnleistungs- Check. Da greift der Patient zu – wer will sich schon vorwerfen, nicht genug für die eigene Gesundheit oder die seiner Kinder getan zu haben. Für die Ärzte ist das ein glänzendes Geschäft. Doch nicht für die Patienten. Statt Gewissheit über ihren Gesundheitszustand zu bekommen, werden sie verunsichert. Mitunter lösen derartige Untersuchungen Fehlalarme aus, die dann zu unnötigen Behandlungen führen. Oder die Patienten wiegen sich in falscher Sicherheit, weil bei IGeL-Untersuchungen Probleme nicht erkannt werden.

Das Niveau der von den gesetzlichen Kassen bezahlten Versorgung ist so hoch, dass zusätzliche Leistungen in der Regel überflüssig sind. Medizinisch Sinnvolles sollte Kassenleistung werden, der Rest gehört aus der Arztpraxis verbannt. Zumindest aber sollte im Patientenrechtegesetz der Vorschlag der Kassen aufgenommen werden, wonach zwischen dem Angebot für eine IGeL-Leistung und der Behandlung eine „Bedenkzeit“ von 24 Stunden liegen muss. Dann kann kein Patient mehr von seinem Arzt überrumpelt werden.

Ziehen Sie den Igeln die Stacheln, hatte Hoppe von seinen Kollegen gefordert. Wenn die Ärzte das nicht selbst tun, muss eben der Gesetzgeber handeln.

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