Stellungnahme zum Zweiten COVID-19-Bevölkerungsschutzgesetz

Entwurf eines Zweiten Gesetzes zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite
3D Illustration - Corona Virus

» Nähere Informationen zum Zweiten Gesetz zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite (Zweites COVID-19-Bevölkerungsschutzgesetz) finden Sie hier.

Das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) hatte mit Datum vom 20.04.2020 die Formulierungshilfe für die Fraktionen der CDU/CSU und SPD für einen aus der Mitte des Deutschen Bundestages einzubringenden Entwurf eines Zweiten Gesetzes zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite versandt und um Stellungnahme gebeten.

Mit dem Entwurf sollen das erste Gesetz zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite sowie das Gesetz zum Ausgleich COVID-19-bedingter finanzieller Belastungen der Krankenhäuser und weiterer Gesundheitseinrichtungen (COVID-19-Krankenhausentlastungsgesetz) weiterentwickelt und ergänzt werden. Die Regelungen sind teilweise zeitlich begrenzt im Hinblick auf die epidemische Lage von nationaler Tragweite. Nachfolgend nimmt der Verband der Ersatzkassen e. V. (vdek) Stellung zum Entwurf und schlägt weitere, ergänzende Regelungen vor.

Zu Artikel 1 Nr. 15 und Artikel 4 Nr. 4b

Dem Öffentlichen Gesundheitsdienst (ÖGD) soll ermöglicht werden, von ihm durchgeführte Testungen auf COVID-19 bei Gesetzliche-Krankenversicherungs(GKV)-Versicherten der jeweiligen Krankenkasse in Rechnung zu stellen.

Das BMG wird zudem ermächtigt, mittels Verordnung festzulegen, dass bei übertragbaren Krankheiten eine Testung auf Infektion oder Immunität auch bei symptomfreien Versicherten zulasten der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) möglich ist. In der Begründung wird beispielhaft auf repräsentative bevölkerungsmedizinische Tests im Zusammenhang mit COVID-19 Bezug genommen. Außerdem wird darauf verwiesen, dass symptomunabhängige Testungen Teil einer Strategie zu einer stufenweisen Rückkehr zum normalen Wirtschaftsleben sein könnten.

Stellungnahme

Die Bekämpfung der aktuellen COVID-19-Pandemie stellt eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe dar. Die GKV hat frühzeitig Verantwortung übernommen und bereits Anfang Februar 2020 gemeinsam mit der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) Regelungen zur Vergütung der Labortests getroffen. Grundlage für die Abrechnungsfähigkeit dieser Tests sind die medizinischen Kriterien des Robert Koch-Instituts (RKI), die insbesondere das Vorliegen einer entsprechenden Symptomatik voraussetzen. Damit erfüllt die GKV die ihr zugewiesene Aufgabe und hat gemeinsam mit den anderen Akteuren des Gesundheitswesens dazu beigetragen, COVID-19-Erkrankungen frühzeitig zu erkennen und ihren Versicherten eine schnelle Behandlung zu ermöglichen.

Der populationsbezogene Infektionsschutz ist Aufgabe des ÖGD. Dies betrifft im konkreten Fall die Identifikation und Nachverfolgung von Kontaktpersonen von COVID-19-Infizierten. Wird bei symptomlosen Kontaktpersonen eine Labortestung durchgeführt, so dient dies epidemiologischen Studien und Maßnahmen zur Zurückführung des Pandemiegeschehens und ist daher aus den öffentlichen Haushalten zu finanzieren.

Dies gilt in gleicher Form für die vorgesehene Ermächtigungsbefugnis des BMG, Testungen auch bei symptomfreien Versicherten in den Leistungskatalog der GKV aufzunehmen. Das Ziel des Gesetzgebers, mit geeigneten Maßnahmen zu einem normalen Wirtschaftsleben zurückzukehren, wird selbstverständlich unterstützt. Hierzu können, wenn wissenschaftlich nachgewiesen, auch flächendeckendere Labortestungen sinnvoll sein. Für eine Finanzierung dieser gemeinwohlorientierten Maßnahmen müssen ebenfalls die öffentlichen Haushalte aufkommen.

Außerdem würden die in der Formulierungshilfe angedeuteten Maßnahmen in ihrer Finanzwirkung die GKV überfordern. Käme es zu einer Umsetzung der Testung in der beschriebenen Form, werden monatliche Mehrkosten von 1 bis 1,5 Milliarden Euro geschätzt. Im Verhältnis zu einer auf einen Monatswert berechneten Gesamtvergütung im vertragsärztlichen Bereich von ca. 3,4 Milliarden Euro würde dies zu einer Ausgabensteigerung von 30 bis 45 Prozent führen. Dies hätte gravierende Folgen für die finanzielle Leistungsfähigkeit der GKV. Wären tatsächlich Testungen in dem beschriebenen Umfang erforderlich, müssten deutlich stärkere Eingriffe des Gesetzgebers in die Preisbildung der Tests und die damit verbundenen Prozesse erfolgen. Im Ergebnis sind die vorgesehenen Regelungen abzulehnen.

Krankenhausbereich

Die Verschiebung der Prüfquotensystematik um ein Jahr ist aus Sicht des vdek sachgerecht. Die festgelegte Höhe der Prüfquote von 12,5 % für das Jahr 2021 ist zu begrüßen. Im Weiteren wird auf die Stellungnahme des GKV-Spitzenverbands zu den Regelungen im Krankenhausbereich verwiesen, dem sich der vdek anschließt.

Zu Artikel 5 Nr. 1

Die gesetzliche Formulierung, dass stationäre Pflegeeinrichtungen auch Leistungen nach § 39a Absatz 1 SGB V anbieten können, kann zu Missverständnissen führen. Gemäß der Rahmenvereinbarung nach § 39a Absatz 1 Satz 4 SGB V sind stationäre Kinder- und Erwachsenenhospize aufgrund ihres Versorgungsauftrages baulich, organisatorisch und wirtschaftlich selbstständige Einrichtungen mit separatem Personal und Konzept. Deshalb ist ausgeschlossen, dass stationäre Hospize Bestandteil einer stationären Pflegeeinrichtung oder eines Krankenhauses sind. Dadurch soll eben vermieden werden, dass stationäre Pflegeeinrichtungen oder Krankenhäuser einzelne Hospizplätze anbieten. Grundsätzlich sind stationäre Hospize kleine Einrichtungen, die maximal 16 Plätze haben sollen.

Nach § 39a Absatz 1 Satz 2 SGB V trägt die Krankenkasse die zuschussfähigen Kosten in stationären Hospizen unter Anrechnung der Leistungen nach dem SGB XI zu 95 Prozent. Daher ist es möglich, dass stationäre Hospize gemäß § 72 SGB XI als stationäre Pflegeeinrichtungen zugelassen sind.

Im Gesetzeswortlaut sollte nicht zum Ausdruck gebracht werden, dass stationäre Pflegeeinrichtungen auch Hospizleistungen erbringen, sondern dass stationäre Kinderhospize und Erwachsenenhospize auch eine Zulassung als stationäre Pflegeeinrichtungen haben können.

Zu § 150 Absatz 5b - Vereinfachung und Ausweitung des Entlastungsbetrages nach § 45b SGB XI

Die Regelung schließt an die Kostenerstattungsregelung nach § 150 Absatz 5 SGB XI bei Versorgungsengpässen in der häuslichen Versorgung durch Pflegedienste an und schließt die Lücke für Personen mit Pflegegrad 1. Dies ist zu begrüßen. Im Unterschied zum § 150 Absatz 5 SGB XI ist jedoch keine Kaskade vorangestellt, ob die Leistung durch andere Anbieter (AUA, Pflegedienste) sichergestellt werden kann. Es können direkt professionelle Anbieter oder Hilfen aus der Nachbarschaft beauftragt werden, sofern coronabedingte Versorgungsausfälle vorliegen. Der Einsatz des Entlastungsbetrages wird damit stark ausgeweitet.

Im Unterschied zu der Regelung in § 150 Absatz 5 SGB XI ist keine Konkretisierung für die Umsetzungspraxis durch Empfehlungen des GKV-SV vorgesehen. Außerdem ist keine Widerrufsmöglichkeit durch die Pflegekasse vorgesehen wie im § 150 Absatz 5 SGB XI.

Zudem macht der vdek weitere Vorschläge für ergänzende Regelungen (siehe nachfolgende vollständige Stellungnahme).

Vollständige Stellungnahme zum Download vdek-Stellungnahme zum Formulierungshilfeentwurf für den Gesetzentwurf

22.04.2020

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