GKV-Finanzlage

Konjunkturelle Eintrübung drückt Einnahmepotenzial

Der GKV-Schätzerkreis prognostiziert, dass sich die Zuweisungen 2015 auf 198,266 Milliarden Euro belaufen werden, die Ausgaben auf 209,5 Milliarden Euro. Hieraus resultiert in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) eine Unterfinanzierung in Höhe von -11,2 Milliarden Euro. Diese Mittel sind über Zusatzbeiträge der Kassen aufzubringen. Der durchschnittliche GKV-Zusatzbeitragssatz beläuft sich damit rein rechnerisch auf etwa 0,9 Prozent.

Die jährliche Schätzung dient als Grundlage für die Veröffentlichung des durchschnittlichen Zusatzbeitragssatzes nach § 242a SGB V sowie der durchschnittlichen beitragspflichtigen Einnahmen (BpE) je GKV-Mitglied. Die Zuweisungen ergeben sich aus den geschätzten Beitragseinnahmen (aus einem abgesenkten Beitragssatz von 14,6 Prozent), den Steuermitteln und einer Zuführung aus der Liquiditätsreserve des Gesundheitsfonds zur Kompensation der Kürzung der Steuermittel in Höhe von 2,5 Milliarden Euro.

Die Einnahmen des Gesundheitsfonds entwickelten sich im Laufe des Jahres deutlich dynamischer als ursprünglich im Oktober 2013 geschätzt. Dies ist auf die gute Einkommens- und Beschäftigungsentwicklung zurückzuführen. Die Versicherten- und Mitgliederzahlen der GKV haben durch die hohen Zuwanderungen insbesondere aus Südosteuropa zugenommen. Ein Großteil konnte sich erfolgreich in den Arbeitsmarkt eingliedern. Bezüglich der Versichertenzahl wird von einer Zunahme um 0,7 Prozent ausgegangen. Diese Zunahme resultiert aus einem unerwartet hohen, deutlich positiven Wanderungssaldo. Dies schlägt sich auch in einer positiven Beschäftigungs- und Mitgliederentwicklung nieder. Der Mitgliederzuwachs wird auf +1,1 Prozent geschätzt. Die hiervon abhängigen BpE werden aus heutiger Sicht um 3,9 Prozent steigen, pro Mitglied ein Anstieg um 2,8 Prozent. Entsprechend steigen die Beitragseinnahmen; die erwarteten Gesamteinnahmen des Gesundheitsfonds liegen bei 198,6 Milliarden Euro.

Unterdeckung der Ausgaben

Im Gegensatz zur Einnahmeentwicklung wird die Ausgabenentwicklung 2014 heute jedoch ungünstiger bewertet als noch im Oktober des vergangenen Jahres. Aktuell geht der GKV-Schätzerkreis von Ausgaben in Höhe von 200,4 Milliarden Euro aus. Im Oktober 2013 wurden die Zuweisungen aber auf Basis von geschätzten Ausgaben in Höhe von 199,6 Milliarden Euro festgelegt. Dies führt zu einer Unterdeckung der Ausgaben bei den Krankenkassen durch Zuweisungen des Gesundheitsfonds in Höhe von -771 Millionen Euro. Seitens der GKV werden weitere Ausgabenrisiken gesehen, die nicht in die gemeinsame Schätzung eingeflossen sind, sodass sich die Unterfinanzierung der GKV noch merklich erhöhen kann und als „Hypothek“ in das Jahr 2015 hineingetragen wird. Dazu zählen Ausgabenrisiken in der extrabudgetären Vergütung der Ärzte, bei der Mengenentwicklung im Krankenhausbereich und bei der weiteren Entwicklung der Strukturkomponente im Arzneimittelbereich bei besonders teuren Medikamenten. Die Erwartungen zur Entwicklung der Einnahmen decken sich im Großen und Ganzen.

Die aktuellen Konjunkturprognosen malen ein deutlich pessimistischeres Bild der weiteren wirtschaftlichen Entwicklung als noch im Frühjahr 2014; sie sind geprägt von einer merklich abgesenkten Entwicklungsprognose zum Bruttoinlandsprodukt. Auch die Beschäftigungsentwicklung wird deutlich zurückhaltender betrachtet als noch im Sommer dieses Jahres. Effekte aus der Einführung des Mindestlohns, der vorgezogenen Rente mit 63 Jahren und aus der Einführung der Mütterrente werden bei den Prognosen berücksichtigt. Die ersteren werden jedoch eher als Wachstumsbremse denn als  Motor der Entwicklung gewertet.

Der GKV-Schätzerkreis allerdings geht auch für 2015 von einem weiteren Anstieg der Arbeitnehmer und einer positiven Lohnentwicklung aus. Aufgrund der Absenkung des allgemeinen Beitragssatzes gehen die Einnahmen der GKV jedoch insgesamt zurück (-1,4 Prozent). Die geschätzten Einnahmen des Gesundheitsfonds liegen somit bei 195,8 Milliarden Euro, also per Saldo etwa drei Milliarden Euro niedriger als 2014. Die Zuweisungen wer- den in Höhe von 198,3 Milliarden Euro festgelegt, da die laufenden Einnahmen noch durch Kompensation der gekürzten Bundesmittel in Höhe von 2,5 Milliarden Euro aufgestockt werden können. Bezüglich der Versichertenzahl wird auch für 2015 erneut von einer Zunahme um 0,4 Prozent ausgegangen, da weiterhin erhöhte, sich aber abflachende Zuwanderungen zu beobachten sein werden. Die Mitgliederzahl wird nach Einschätzung des GKV-Schätzerkreises immerhin noch um 0,9 Prozent zu- nehmen.

Weitere Ausgabenrisiken

Die Ausgaben der GKV steigen voraussichtlich um 4,1 Prozent je Versicherten; das Ausgabevolumen wird auf 209,5 Milliarden Euro geschätzt. Die GKV, nicht aber das Bundesgesundheitsministerium (BMG), sieht weitere Ausgabenrisiken – für 2015 in Höhe von bis zu 400 Millionen Euro, die nicht in der Gemeinschaftsprognose berücksichtigt sind. Hierzu zählt die drohende Nachvergütung der Psychotherapeuten für die letzten drei Jahre, eine Unterschätzung des Krankengeldausgabenrisikos und Finanzrisiken aus dem GKV-Versorgungsstärkungsgesetz. Dieses Ergebnis ist im Großen und Ganzen keine Überraschung und deckt sich mit den bisherigen Annahmen und Aussagen zur mutmaßlichen finanziellen Entwicklung in der GKV. Was bedeutet das nun aber für den Start in den Wettbewerb mit kassenindividuellen Zusatzbeitragssätzen? Letztlich ist der offiziell bekannt zu gebende Zusatzbeitragssatz von 0,9 Prozent aus Sicht der GKV knapp kalkuliert. Er dient als Benchmark, auf den die Krankenkassen bei  Bekanntgabe ihres Zusatzbeitrages in einem Schreiben an alle Mitglieder hinzuweisen haben. Die neue Finanzarchitektur ist also durch einen hohen Wettbewerbsdruck geprägt. Da zudem bestimmte Ausgabenrisiken in der Gemeinschaftsschätzung nicht berücksichtigt wurden, sind die Kalkulationsrisiken für die Krankenkassen erheblich. Erst am Jahresende nach Abschluss der Haushaltsplanungen wird sich zeigen, welche Zusatzbeiträge ab 2015 von den Krankenkassen erhoben werden. Dabei spielt sicherlich eine große Rolle, dass die Rücklagen der Krankenkassen ungleich verteilt sind. Hiervon hängt ab, ob sich die schon früher öffentlich geäußerte Erwartung des BMG, dass die Beiträge für etwa 20 Millionen Mitglieder gesenkt werden können, bewahrheiten wird.

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