„Stellen Sie sich vor, Sie gehen zum Arzt und er ist nicht mehr da.“ Die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) macht Stimmung gegen das GKV-Versorgungsstärkungsgesetz (GKV-VSG). Kritisiert werden vor allem die Terminservicestellen und der Praxisaufkauf zum Abbau von Überversorgung. Die Termingarantie sei ein „politisches Placebo“, man riskiere den Wegfall von Tausenden von Praxen. Das GKV-VSG werde sich als ein Trojanisches Pferd entpuppen. Doch liegen die Probleme nicht tatsächlich ganz woanders?
Terminservicestellen: In der Wahrnehmung der Versicherten scheint es zunehmend schwierig, zeitnah einen Termin vor allem beim Facharzt zu bekommen. Darauf haben die Krankenkassen reagiert und helfen den Versicherten bei der Terminvermittlung. Doch der Sicherstellungsauftrag liegt nun mal bei den Kassenärztlichen Vereinigungen (KVen). Deshalb will die Politik genau diese in die Pflicht nehmen. Zu Recht, denn Jahr für Jahr steigt die Zahl der Ärzte und mit ihr auch das Honorarvolumen. Die Errichtung von Terminservicestellen ist den KVen also durchaus zuzumuten.
Jahr für Jahr steigt die Zahl der Ärzte und mit ihr auch das Honorarvolumen.
Praxisaufkauf: Das GKV-VSG sieht eine Vielzahl von Regelungen zur Stärkung der regionalen Versorgung vor, doch Maßnahmen zum Abbau von Überversorgung sind eher rar gesät. Eine Maßnahme ist, dass KVen Arztsitze in überversorgten Regionen aufkaufen sollen, wenn der Praxisinhaber seine Tätigkeit beenden will. Aus einer Kann-Regelung wird eine Soll-Regelung. Doch es gibt so viele Ausnahmebedingungen, welche die Wirksamkeit dieses Instrumentes erneut infrage stellen. Zur Erinnerung: Mit der bisherigen Kann-Regelung wurde gerade mal eine Psychotherapeuten-Praxis im überversorgten Bremen geschlossen.
Reicht das, um den Niedergang der ambulanten Versorgung zu beschwören? Wohl kaum. Denn unerwähnt bleibt, dass die niedergelassenen Ärzte von vielen Maßnahmen des Gesetzes (finanziell) profitieren. Man denke an die Förderung der Weiterbildung in der Allgemeinmedizin, an den Innovationsfonds zur Förderung neuer Versorgungsformen und an die Ausweitung der Strukturfonds in nunmehr allen 17 KV-Bezirken, welche u. a. Zuschüsse bei Neuniederlassungen oder bei der Gründung von Zweigpraxen vorsehen. Und die millionenschwere Konvergenzregelung sorgt für eine Erhöhung des ärztlichen Honorars zumindest in einigen Bundesländern. Einen Mehrwert für die Patienten bringt sie allerdings nicht. Und genau da liegt das Problem: Die Reform darf jedoch nicht nur mehr kosten, sie muss die Versorgung der Versicherten auch verbessern. Um das zu erreichen, muss das Gesetz an einigen Stellen noch nachgebessert werden. Sonst erweist sich das GKV- VSG vielleicht wirklich als Trojanisches Pferd – für die Beitragszahler.
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