Der Sachverständigenrat zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen hat ein neues Gutachten 2014 vorgelegt. Darin haben sich die Wissenschaftler vor allem der medizinischen Versorgung auf dem Land gewidmet.
Fast 15 Jahre ist es her, dass der Sachverständigenrat auf das Problem der „Über-, Unter- und Fehlversorgung“ im Gesundheitswesen hingewiesen hat. Die Begriffe sind jetzt fest im Vokabular eines jeden Gesundheitspolitikers verankert – die Probleme aber längst nicht gelöst. Damals bezog sich die Analyse auf einzelne Erkrankungen. In diesem Jahr untersuchte der Rat vor allem regionale Aspekte der Versorgung – mit dem nicht gerade überraschenden Befund: In Städten nimmt die Überversorgung mit Ärzten und Krankenhäusern zu, in ländlichen Regionen droht teilweise Unterversorgung. Die Gründe sind vielfältig. In Zeiten wachsender Mobilität zieht es Ärzte in die Städte mit besserer Infrastruktur auch für die Familie. Viele Ärzte wollen nicht mehr Hausarzt werden und/oder die Verantwortung für eine Einzelpraxis übernehmen. Was also tun?
Freiwilligkeit verbunden mit entsprechenden Anreizen, das ist die Zauberformel.
Auf Gegenliebe bei den Ersatzkassen stößt der Vorschlag des Sachverständigenrates, einen „Landarztzuschlag“ in (drohend) unterversorgten Regionen einzuführen und diesen durch entsprechende Abzüge in überversorgten Regionen zu bezahlen. Wenn es gelingt, dieses System der „kommunizierenden Röhren“ praktisch umzusetzen, wären wir dem Ziel, Über- und Fehlversorgung abzubauen und Unterversorgung zu vermeiden, nähergekommen. Angesichts der notwendigen Umverteilungen zwischen den Kassenärztlichen Vereinigungen (KVen) ist dies eine innerärztliche Herausforderung, der sich die KVen aber dringend stellen müssen – denn schließlich haben sie den Auftrag, die medizinische Versorgung für die Patienten überall im Lande sicherzustellen. Da reicht es auch nicht aus, reflexartig mehr Geld zu fordern, ohne die Verteilungsstrukturen insgesamt auf den Prüfstand zu stellen. Wir begrüßen daher auch die Empfehlung des Rates, die KVen ab einem bestimmten Grad der Überversorgung zum Aufkauf von Arztsitzen zu verpflichten. Dieses Instrument des Praxisaufkaufs wird bislang viel zu selten genutzt.
Richtig ist auch, Maßnahmen zu ergreifen, die das Ansehen des Hausarztes verbessern: Dies fängt bei der Hochschulzulassung und dem Medizinstudium an, geht über die Weiterbildung und bezieht natürlich auch Vergütungsfragen mit ein. Allerdings ist hier schon seit Längerem eine positive Entwicklung im Gange, was die kontinuierlichen Honorarzuwächse im hausärztlichen Bereich der letzten Jahre belegen. Vorschläge des Rates zur Einführung eines verpflichtenden Hausarztsystems lehnen die Ersatzkassen jedoch ab. Die Versicherten sollten weiterhin die Möglichkeit behalten, bei Bedarf frei wählen und ohne finanzielle Belastung wie Selbstbeteiligungen einen Hausarzt aufsuchen zu können. Freiwilligkeit verbunden mit entsprechenden Anreizen, das ist die Zauberformel – auch wenn es darum geht, Ärzte aufs Land zu lotsen.
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