Aufsicht

Unterschiedliches Handeln gefährdet Wettbewerbsneutralität

Illustration: Die verschiedenen Kassenarten im Wettbewerb

Die gesetzlichen Krankenkassen unterliegen einer aufsichtsbehördlichen Kontrolle,  die jedoch in unterschiedlicher Weise und Ausprägung ausgeübt wird. Dies spielt  insbesondere mit Blick auf das Ziel eines fairen Wettbewerbs eine bedeutende Rolle.

Die gesetzlichen Krankenkassen sind rechtsfähige Körperschaften des öffentlichen Rechts mit Selbstverwaltung, unterliegen aber staatlicher Aufsicht. Die Aufsicht erstreckt sich auf die Beachtung von Gesetz und sonstigem Recht, das für sie maßgeblich ist (§ 87 Abs. 1 SGB IV). Dabei verwalten sich die gesetzlichen Krankenkassen selbst. Sie sind damit finanziell und organisatorisch eigenständig. Jede Krankenkasse hat eine Aufsichtsbehörde. Das ist entweder die für Sozialversicherung zuständige oberste Verwaltungsbehörde des Landes, in dem die Krankenkasse ihren Sitz hat, oder das Bundesversicherungsamt (BVA). Aufsicht bedeutet hier Rechtsaufsicht, also (nur) die Kontrolle darüber, ob die Krankenkasse sich an Gesetz und sonstiges Recht hält. Darin nicht enthalten ist die Möglichkeit, den Krankenkassen vorzuschreiben, wie sie in bestimmten Situationen ihr Ermessen ausüben sollen. Die Aufsicht über die bundesunmittelbaren Krankenkassen führt das BVA (§ 90 Abs. 1 Satz 1, § 94 SGB IV). Bundesunmittelbar sind die Krankenkassen, deren Zuständigkeitsbereich sich über mehr als drei Bundesländer erstreckt. Die Ersatzkassen, die überwiegende Zahl der Betriebs- und Innungskrankenkassen, die Bundesknappschaft und die Sozialversicherung für Landwirtschaft, Forsten und Gartenbau (SVLFG) unterliegen der Bundesaufsicht.

Vor 1994 galt, dass Krankenkassen, deren Zuständigkeit sich nicht über das Gebiet eines Landes hinaus erstreckte, regelmäßig der Landesaufsicht unterlagen. Um die Aufsichtskompetenzen der Landesbehörden auszuweiten, wurde durch eine Grundgesetzänderung 1994 beschlossen, dass Krankenkassen, deren Tätigkeitsgebiet auf bis zu drei Bundesländer beschränkt ist, der Landesaufsicht unterliegen. Bei diesen Krankenkassen führt dann das Land die Aufsicht, in dem die Krankenkasse ihren Sitz hat (§ 90 Abs. 2 und 3 SGB IV). Dies betrifft z. B. im Regelfall die AOK, einige Betriebskrankenkassen, die geschlossen oder für bis zu drei Länder geöffnet sind, sowie mittlerweile nur noch zwei Innungskrankenkassen. Umfang und Ausmaß der Aufsichtstätigkeiten haben sich seit den 90er Jahren massiv verändert. Die Zahl der Krankenkassen sank von 1.147 im Jahr 1990 rapide ab auf 113 Krankenkassen Anfang des Jahres 2017. Durch den zunehmenden Wettbewerb, insbesondere ausgelöst durch das Gesundheitsstrukturgesetz (GSG) von 1992 und die Wahlfreiheit der Versicherten, fusionierten in den Folgejahren viele AOK, Betriebs- und Innungskrankenkassen. Dadurch veränderten sich die Anforderungen an das BVA und die Landesbehörden. Mittlerweile haben bereits vier Bundesländer (Berlin, Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern und Schleswig-Holstein) keine Aufsichtszuständigkeit mehr. In vielen Bundesländern ging die Aufsicht durch Fusionen auf die Bundesaufsicht über, der heute deutlich mehr als die Hälfte der Krankenkassen als bundesunmittelbare Krankenkassen untersteht. In Länderaufsicht bleiben zunächst die AOK, die sich aber seit dem 30. Juni 2006 ebenfalls länderübergreifend organisieren. So verlor als fünftes Land das Saarland die Aufsichtszuständigkeit für eine AOK. Viele unternehmensnahe geschlossene Betriebskrankenkassen unterstehen der Länderaufsicht, viele geöffnete Betriebskrankenkassen haben ihren Geschäftsbereich mittlerweile auf drei und mehr Länder erstreckt.

Auswirkungen der geteilten Aufsicht

Die Debatte über die Auswirkungen unterschiedlichen Aufsichtshandelns (geteilte Aufsicht gem. Art. 87 Abs. 1-3 GG) wird seit vielen Jahren geführt. Als Felder, in denen Bundes- und Landesaufsicht unterschiedlich handeln, werden oft bzw. auch im Sondergutachten „Stand und Perspektiven des Wettbewerbs im deutschen Krankenversicherungssystem“ der Monopolkommission genannt:

  • Rücklagen für die Altersversorgung
  • Mitgliederwerbung
  • Wahltarife und der Nachweis der Wirtschaftlichkeit
  • (unzulässige) Werbeaussagen
  • Outsourcing von Geschäftsbereichen (ins- besondere IT)
  • Kodierung ambulanter Diagnosen

Die wettbewerblichen Verzerrungen aufgrund der geteilten Aufsicht sind vor allem für bundesunmittelbare Krankenkassen problematisch. Deshalb besteht aus Sicht der Ersatzkassen in der nächsten Legislaturperiode dringender Handlungsbedarf, um zu einem einheitlichen und konsistenten Aufsichtshandeln auf Bundes- und Landesebene zu kommen.

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