Kartellrecht

Ausweitung weder geeignet noch erforderlich

Ein Vorschlag der Monopolkommission ist es, die gesetzlichen Krankenkassen für den Regelfall als Unternehmen im Sinne des Kartellrechts zu definieren. Eine Ausnahme soll dort sein, wo die Krankenkassen im Bereich von Kollektivverträgen aufgrund gesetzlich zwingender Pflichten tätig sind. Eine solche regelhafte Gleichstellung der gesetzlichen Krankenkassen mit privatwirtschaftlich handelnden Unternehmen wird der besonderen Bedeutung der gesetzlichen Krankenkassen als einer unverzichtbaren Säule im System der sozialen Sicherung indessen nicht gerecht.

Das Kartellrecht beruht auf drei Säulen: nämlich dem Kartellverbot, der Missbrauchsaufsicht und der Zusammenschlusskontrolle. Ziel ist die Sicherstellung eines freien und fairen Wettbewerbs unter den am Markt teilnehmenden Wirtschaftsunternehmen. Für das so gekennzeichnete Kartellrecht hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) mit Urteil vom 16. 3. 2004 – C 264/01 (AOK-BV) – klargestellt, dass die gesetzlichen Krankenkassen im Regelfall nicht als Wirtschaftsunternehmen anzusehen sind. Sie nehmen rein soziale Aufgaben wahr und verfolgen dabei keine Gewinnerzielungsabsicht. Außerdem sind sie gesetzlich verpflichtet, im Wesentlichen gleiche Pflichtleistungen für die Versicherten zu erbringen. Daher handele es sich im Kernbereich der gesetzlichen Aufgabenerfüllung um Tätigkeiten nichtwirtschaftlicher Art. Sie fallen damit im Regelfall nicht unter den gesetzlichen kartellrechtlichen Unternehmensbegriff.

Vor dem Hintergrund der Ziele des Kartellrechts ist eine Ausweitung seines Anwendungsbereiches auf das Handeln der gesetzlichen Krankenkassen nicht geboten. Diese sind keine am Markt agierenden Wirtschaftsunternehmen, sondern öffentlich-rechtliche Körperschaften, die überwiegend aus gesetzlichen Pflichtbeiträgen finanziert werden und einen gesetzlichen Versorgungsauftrag im Rahmen der sozialen Daseinsvorsorge erfüllen. Im Übrigen sind Teile des Kartellrechts bereits anwendbar. § 9 Abs. 2 Satz 1 SGB V regelt die Anwendbarkeit von Teilen des im Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) geregelten Kartellrechts auf die Rechtsbeziehungen zwischen Krankenkassen und ihren Verbänden einerseits und den Leistungserbringern andererseits, soweit es sich um nicht verpflichtende Verträge handelt. Außerhalb des Kartellrechts im engeren Sinne, im sogenannten Lauterkeitsrecht, gelten die gesetzlichen Krankenkassen als Unternehmen, soweit es um die Sicherstellung des Verbraucherschutzes geht und sie dem Verbraucher außerhalb der Erfüllung ihres gesetzlichen Versorgungsauftrages wie ein Wirtschaftsunternehmen gegenübertreten (EuGH, Urteil vom 10. 3. 2013 – C 59/12, BKK Mobil Oil).

Die Beispiele zeigen, dass das bestehende Recht den Besonderheiten der gesetzlichen Krankenkassen einerseits ausreichend Rechnung trägt und sie andererseits dort, wo diese nicht zum Tragen kommen, keine Besserstellung erfahren. Dies gilt auch für die Fusionskontrolle, die bereits durch das aufsichtsrechtliche Genehmigungserfordernis sichergestellt ist. Auch das Verhältnis der Krankenkassen untereinander erfordert keine Ausdehnung des kartellrechtlichen Unternehmensbegriffs. Die Gefahr der Absprache über die Beitragshöhe ist theoretischer Natur, da die Attraktivität einer Krankenkasse maßgeblich durch einen möglichst niedrigen Zusatzbeitrag gekennzeichnet ist. Hohe Beiträge führen zu einem Rückgang der Versichertenzahl und damit zu geringeren Zuweisungen aus dem Gesundheitsfonds. Für eine Stärkung des Wettbewerbs der Krankenkassen untereinander ist eine Ausweitung des kartellrechtlichen Unternehmensbegriffes deshalb weder geeignet noch erforderlich.

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