Asylverfahrensbeschleunigungsgesetz

Gesundheitliche Versorgung von Asylbewerbern

Die anhaltende Zahl von Asyl- und Schutzsuchenden, die vor Krieg, Verfolgung und Not aus ihrer Heimat fliehen, stellen Europa bzw. Deutschland vor große gesellschaftliche und sozialpolitische Herausforderungen. Dabei gilt grundsätzlich: Politisch Verfolgte besitzen nach Artikel 16 unseres Grundgesetzes ein Recht auf Asyl. Dies entspricht unserem humanistischen Weltbild, in dessen Zentrum steht: Die Würde des Menschen ist unantastbar. Dieses Grundrecht steht nicht zur Diskussion und sollte auch nicht diskreditiert werden. Was jetzt zählt ist, den Asylsuchenden zu helfen und ihre gesundheitliche Versorgung zu organisieren.

Deutschland verfügt über ein leistungsstarkes Gesundheitswesen mit einem niedrigschwelligen und diskriminierungsfreien Zugang zu einer gesundheitlichen Versorgung auf hohem Niveau. Das ist eine gute Voraussetzung, um die vielen Flüchtlinge adäquat gesundheitlich zu versorgen. Die medizinische Akut- bzw. Notfallversorgung von Asylbewerbern ist durch das Asylbewerberleistungsgesetz garantiert. Asylbewerber können Leistungen in Anspruch nehmen, die der Behandlung von akuten Erkrankungen und Schmerzzuständen dienen und aus medizinischen Gründen unaufschiebbar oder zur Erhaltung der Gesundheit unerlässlich sind.

An diesem eingeschränkten Leistungsanspruch wird weiter politisch festgehalten, daran ändert auch das Asylverfahrensbeschleunigungsgesetz und die dort geregelte Einführung der elektronischen Gesundheitskarte (eGK) für Asylbewerber nichts. Dies scheint vertretbar – vor allem auch, da die Flüchtlinge spätestens 15 Monate nach Ankunft in Deutschland leistungsrechtlich den gesetzlich Krankenversicherten gleichgestellt werden. Auch ändert sich nichts daran, dass die Gesundheitsversorgung der Asylsuchenden eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe ist und bleibt. Daher ist es auch folgerichtig, dass die anfallenden Kosten weiterhin vom Staat übernommen werden und nicht die Beitragszahler der gesetzlichen Krankenkassen finanziell herangezogen werden.

Das bisher praktizierte Verfahren zur gesundheitlichen Akut- und Notfallversorgung war so ausgestaltet, dass der Asylbewerber vor jeder Behandlung einen Behandlungsschein von einem Verwaltungsmitarbeiter der jeweils zuständigen Flüchtlingsbehörde einholen musste. Ärzte und weitere Leistungserbringer haben ihre Honorare dann unmittelbar den Kommunen in Rechnung gestellt. Es ist gut nachvollziehbar, dass ein solches Verfahren mit zunehmender Zahl an Asylbewerbern erhebliche personelle Ressourcen bei den Kommunen bindet bzw. diese auch in naher Zukunft organisatorisch überfordert.

Bereits in der Vergangenheit und auch aktuell sind einige Landesregierungen auf die Krankenkassen zugegangen, um eine auftragsweise Gesundheitsversorgung nach § 264 Abs. 1 SGB V sowie die Ausgabe von eGK für Asylbewerber zu vereinbaren. Als Vorbild diente hier das sogenannte „Bremer Modell“. Dabei wird die Gesundheitsversorgung von der Krankenkasse mittels der eGK organisiert. Der Einsatz der eGK ist aber freiwillig. Die Kommunen erstatten den Krankenkassen die anfallenden Kosten der Gesundheitsversorgung. B ei den Krankenkassen entstehen interne Umstellungsaufwände, die nicht zu unterschätzen sind: angefangen von der Bestandsführung von nicht versicherten Personen über die besondere Kennzeichnung der Gesundheitskarte und die Aufwendungen für eine eventuelle Übergangslösung bis hin zur Einführung der Gesundheitskarte sowie der Prüfung des nur eingeschränkten Leistungsanspruchs der Asylbewerber. Hier ist darauf zu achten, dass die Krankenkassen die verauslagten Kosten vollumfänglich von den Kommunen erstattet bekommen, zumal die Erfahrungen aus dem „Bremer Modell“ zeigen, dass durch die Einführung der eGK aufseiten der Kommunen im Gegenzug deutliche Einsparungen realisiert werden können.

Zügige Einführung in Sicht

Begrüßenswert ist daher, dass nach dem nun vorliegenden Asylverfahrensbeschleunigungsgesetz der GKV-Spitzenverband mit den Spitzenorganisationen der zuständigen Landesbehörden zumindest eine bundesweit gültige Rahmenvereinbarung abschließen soll. Diese soll Grundlage für die entsprechenden Vereinbarungen in den Ländern sein. Sowohl die Gespräche zur Bundesrahmenempfehlung als auch die Verhandlungen in den Ländern zwischen den Kassen und den zuständigen Landesbehörden laufen vielerorts bereits auf Hochtouren. Kassenseitig wird der Abschluss der Bundesrahmenempfehlung noch bis Ende des Jahres angestrebt.

Zentrale Inhalte der Bundesrahmenempfehlung sind die Umsetzung des Asylverfahrensbeschleunigungsgesetzes und die damit verbundene Definition des Leistungsumfangs. Wie dies aussehen könnte, haben Landesvereinbarungen in Nordrhein-Westfalen oder Schleswig-Holstein gezeigt. Den kommunalen Spitzenorganisationen obliegt es jetzt, den Krankenkassen, aber auch den behandelnden Ärzten für ihre auftragsweise Erfüllung der medizinischen Versorgung von Asylbewerbern unmissverständliche Hinweise für die Leistungsgewährung an die Hand zu geben. Zentral ist auch, dass diese auftragsweise erbrachten Leistungen der Krankenkassen angemessen vergütet werden müssen, um den erheblichen Verwaltungsaufwand der Krankenkassen auszugleichen. Um eine reibungslose medizinische Vergütung der Asylbewerber in den ersten 15 Monaten zu gewährleisten, ist es wichtig, dass die Ärzte wissen, welche Leistungen sie erbringen können und wie das Abrechnungsverfahren einschließlich der Vergütungshöhe aussieht. Auch hier sollten möglichst schnell auf der Bundesebene Gespräche zwischen den Beteiligten geführt werden.

Gemäß den Reglungen des Asylverfahrensbeschleunigungsgesetzes können die gesetzlichen Krankenkassen zur auftragsweisen Gesundheitsversorgung mit Ausgabe einer eGK verpflichtet werden – sofern sie die jeweilige oberste Landesbehörde dazu auffordert. Aus den bisher freiwilligen Vereinbarungen wird also eine Verpflichtung – allerdings nur einseitig. Und das ist die eigentliche Krux des neuen Gesetzes, dass zwar die Krankenkassen zur auftragsweisen Gesundheitsversorgung verpflichtet werden können, ein solcher Kontrahierungszwang für die Länder, Landkreise und kreisfreien Städte aber nicht vorgesehen ist. Leider war es offensichtlich politisch nicht gewollt oder durchsetzbar, dass zumindest auf Länderebene einheitliche Regelungen gesetzlich vorgeschrieben werden. Ganz zu schweigen davon, dass es mit Sicherheit Bundesländer in Gänze geben wird, die ganz auf die Einführung einer eGK verzichten werden. Das Wort „Flickenteppich“ ist hier schon zu einem geflügelten Wort geworden. Für einen wirklich politisch großen Wurf hätte hier wohl der Bund selbst für die finanziellen Mittel und die verantwortliche Umsetzung zur Verfügung stehen müssen.

Der sich abzeichnende bundesweite Flickenteppich bei der Versorgung mit der eGK führt aber gerade bei einer bundesweit agierenden Kassenart wie die Ersatzkassen durch das damit einhergehende Nebeneinander verschiedener Regelungen zu technisch und verwaltungsseitig unnötig hohen Aufwendungen. Aber auch für die Asylbewerber sind unterschiedliche Regelungen bei der Gesundheitsversorgung zwischen den Ländern oder gar zwischen einzelnen Kommunen (in den Ländern) intransparent. Das Gesetz gibt den gesetzlichen Krankenkassen für die Einführung der Gesundheitskarte für Flüchtlinge zwar ein Jahr Zeit, doch die Kassen haben bereits in Abstimmung mit der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) alle technischen Voraussetzungen geschaffen, um die Gesundheitskarte voraussichtlich Anfang 2016 in den Ländern einsetzen zu können, die dies verlangen. Dabei erhält der Asylbewerber ein eigenes Statuskennzeichen 9 auf der eGK. Durch diese zügige Umsetzung konnten kostenintensive Übergangslösungen für Kassen und Kommunen vermieden werden. Die Selbstverwaltung hat hier zeitnah Lösungen geschaffen. Die Ersatzkassen stellen sich ihrer Verantwortung und leisten mit ihrem umfassenden Know-how als größte Kassenart in Deutschland ihren Beitrag zur Organisation der Gesundheitsversorgung von Flüchtlingen. Die Arbeiten zur Einführung der eGK für Asylbewerber sind auf einem guten Weg, auch wenn noch viele Abstimmungen und fachliche Fragestellungen zu klären sind. Die Flüchtlingswelle erzwingt ein Zusammenrücken aller beteiligten Institutionen und Körperschaften, um die anstehenden Herausforderungen erfolgreich zu meistern. Hier ist kein Platz, um zusätzliche Honorarforderungen oder ähnliche fiskalisch motivierte Forderungen zu platzieren. Dies auch, weil die gesetzlichen Regelungen allesamt ausreichend sind. Es darf nicht dazu kommen, dass hier aus einer schwierigen Situation Profit geschlagen werden soll.

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