Apothekenhonorar

Warum einfach, wenn es auch kompliziert geht?

Glas mit ausgeschütteten Tabletten, die auf Geldscheinen liegen

Bereits zum dritten Mal sollen Apotheker und Kassen über den Verhandlungsweg eine Einigung über den Kassenrabatt erzielen. Und das, obwohl schon die vergangenen Verhandlungsrunden ergebnislos waren. Die Politikseite muss sich dringend zu Sinn und Zweck des Rabatts positionieren.

In Deutschland gilt seit jeher das Prinzip des einheitlichen Apothekenabgabepreises. Jede Arzneimittelpackung eines bestimmten Herstellers kostet gleich viel, egal ob sie in Garmisch-Partenkirchen oder in Flensburg gekauft wird. Das regelt die Arzneimittelpreisverordnung (AMPreisV), eine Rechtsverordnung zum Arzneimittelgesetz, die vom Bundesministerium für Wirtschaft (BMWi) im Einvernehmen mit dem Bundesministerium für Gesundheit (BMG) erlassen wird.

Ebenfalls seit jeher war die Politik der Auffassung, dass Arzneimittel, wenn sie von der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) finanziert werden müssen, preiswerter sein sollen als für Privatzahler bzw. Privatversicherte. Dies ist im Fünften Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) in Form des Apothekenabschlages oder auch schlicht Kassenrabattes geregelt.

Beide Regelungen existierten in friedlicher Koexistenz zueinander, bis der Gesetzgeber den ursprünglich prozentual degressiv gestalteten Preis der Arzneimittelpreisverordnung durch einen Fixaufschlag ersetzte (seinerzeit 8,10 Euro je verschreibungspflichtiges Fertigarzneimittel). Und zwar damit die Apotheken nicht aufgrund ständig steigender Preise für neu in den Markt kommende Arzneimittel an deren Abgabe ein größeres Interesse haben als an bewährten älteren und aufgrund des bereits ausgelaufenen Patentschutzes in der Regel preiswerteren Produkten. Gleichzeitig wurde der Apothekenabschlag von generell fünf Prozent auf einen gesetzlich festgelegten Fixbetrag (seinerzeit 2,00 Euro) umgestellt.

Das wäre noch nicht dramatisch gewesen, hätte man nicht auch parallel 2004 die nicht verschreibungspflichtigen Arzneimittel von der Preisbindung freigestellt, diese aber gleichzeitig im Falle einer zumindest teilweise weiterhin zulässigen Verordnung zulasten der GKV nach der alten Arzneimittelpreisverordnung (prozentual degressiv gestaffelt) wieder unter Preiskuratel gestellt. Als weitere Komplikation wurde den damaligen Vertragspartnern, also Kassenseite und Deutschem Apothekerverband (DAV), erstmals aufgegeben, den Apothekenabschlag aus dem SGB V im Hinblick auf dessen Höhe zu verhandeln.

Forderungen lagen 400 Millionen Euro auseinander

Schnell wurde klar, dass es hier zu keiner Verständigung kommen würde, da die seinerzeitigen Positionen schlappe 400 Millionen Euro auseinander lagen. Da eine Schiedsstelle nicht vorgesehen war, wurde das Problem par ordre de mufti gelöst, sprich durch ein Machtwort der seinerzeitigen Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt mit erneuter gesetzlicher Festlegung des Apothekenabschlages.

Es wird wohl ein Geheimnis bleiben, wer dann den Gesetzgeber ritt, für 2009 erneut eine Verhandlungslösung ins Gesetzbuch zu schreiben. Auch die nunmehr eingeführte Schiedsstelle als Konfliktlösungsmechanismus war nicht in der Lage, den notwendigen Interessenausgleich herbeizuführen. Sowohl 2009 als auch 2010 gab es jeweils eine Festlegung durch Schiedsstellenspruch, der den zuletzt auf 2,30 Euro gesetzlich fixierten Apothekenabschlag auf 1,75 Euro reduzierte, mit sich daraus ergebenden Entlastungen für die Apothekenseite in Höhe von knapp 330 Millionen Euro bzw. etwa 5.000 Euro pro Apotheke im Jahr.

Geradezu erwartungsgemäß wurden beide Entscheidungen umgehend beklagt, 2009 durch den GKV-Spitzenverband (GKV-SV) und 2010 durch den DAV, wobei das Sozialgericht Berlin in einem erstinstanzlichen Urteil für 2009 ein ermessensfehlerhaftes Handeln der Schiedsstelle erkannte und somit die Angelegenheit zur Korrektur zurückverwies, was jedoch der sofortige Widerspruch des DAV gegen dieses Urteil verhinderte.

Auslaufen der AMNOG-Regelung

In Konsequenz dieses Dilemmas erfolgte im Arzneimittelmarktneuordnungsgesetz (AMNOG) wieder eine gesetzliche Fixierung des Apothekenabschlages auf 2,05 Euro. Warum jedoch ab 2013 erneut eine Verhandlungslösung ins Gesetz geschrieben wurde, erschließt sich nach den Erfahrungen der Vergangenheit nicht wirklich.

So kam es, wie es kommen musste. Beide Seiten streiten sich nun schon allein über die Frage der Ausgangsbasis für 2013. Gilt, wie von Kassenseite argumentiert, die Vorjahresanknüpfung, also 2,05 Euro? Oder gilt der (beklagte) Schiedsstellenentscheid 2009/2010, wie die Apothekerseite meint?

Das Problem besteht schlicht darin, dass es zwei in vollkommen verschiedenen Rechtssphären angesiedelte Regelungsinstrumente gibt, die gemeinsam die Höhe der Honoraransprüche der Apotheken beeinflussen. So hatten sich das BMWi und das BMG nach ausführlicher Prüfung zum 1. Januar 2013 auf eine Anhebung des Fixums zum Apothekenhonorar um 0,25 Euro auf nunmehr 8,35 Euro geeinigt. Dies bedeutet Mehrkosten für die GKV in Höhe von rund 190 Millionen Euro pro Jahr.

Daneben versprach die Politik einen Zuschlag in Höhe von 120 Millionen Euro jährlich zur Verbesserung der wirtschaftlichen Situation insbesondere von Landapotheken. Diese haben zwar besonders häufig Nacht- und Notdienst, aber nur wenig Kundschaft, die durch entsprechende Einkäufe bzw. Einlösung von Rezepten diesen Aufwand finanzieren. Wo dieses Geld jedoch herkommen und wie es gerecht verteilt werden soll, ist vollkommen ungeklärt. Tatsächlich sind die meisten Nachtkunden keine GKV-Versicherten mit einem „echten“ Notdienstrezept, sondern meist Privatzahler. Das wirft die Frage auf, ob der Notdienst eine Gemeinschaftsaufgabe ist, die steuerfinanziert werden sollte.

Die 310 Millionen Euro aus Anhebung des Fixums und Zuschlag sind aus Sicht des DAV zu wenig. Hier geht man von wirtschaftlichen Defiziten in doppelter Höhe aus. Die zum Wunschergebnis fehlenden rund 310 Millionen Euro sollen daher offensichtlich aus den neuen Verhandlungen zum Apothekenabschlag 2013 kommen.

Wie bereits bei den vorangegangenen zwei Versuchen ist bei so enorm unterschiedlichen Ausgangserwartungen eine freiwillige Verständigung äußerst unwahrscheinlich. Es bedarf dringend einer Positionierung der Gesundheitspolitik, welchen Zweck der Apothekenabschlag erfüllen soll. Ursprünglich geschaffen als Großkundenrabatt mit einer gewollten Distanz zum Preis für Selbstzahler, droht er in den nächsten Jahren zugunsten vermeintlicher wirtschaftlicher Ausfälle der Apotheken mittelfristig „weggeschiedst“ zu werden, obwohl die Anpassung aufgrund der Bewertung von Wirtschaftsdaten eigentlich zur Funktionalität der Arzneimittelpreisverordnung gehört.

Bei der zurzeit bestehenden Disparität muss sich die Politik dringend darüber klar werden, wie sie künftig beide das Honorar der Apotheken beeinflussende Faktoren regeln will: gesetzlich oder eben auf dem Verhandlungswege. Angesichts des bestehenden gesetzlichen Sicherstellungsauftrages für die Apotheken spricht vieles für die gesetzliche Variante.

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